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Titanoboa

»Porphyr«

A-Musik

Die namensgebende Riesenschlange ist bereits vor Millionen von Jahren ausgestorben und mit einem Album von Titanoboa, dem musikalischen Projekt der Kölnerin Melani Wratil, hätte ich auch nicht mehr gerechnet. Vor ein paar Jahren hatte ich das damals noch zweiköpfige Urviech einmal auf dem Radar. Irgendwann in dieser Zeit schälte sich Lena Willikens aus der Schlangenhaut heraus, um als DJ und Produzentin elektronischer Musik um die Welt zu reisen. Melani Wratil machte alleine weiter und mir geriet die Titanoboa aus dem Blick. Jetzt ist sie (unerwartet) wieder da. Auf a-musik, dem hauseigenen Label des gleichnamigen und einschlägig bekannten Kölner Plattenladens und Mailorders, erschien vor Kurzem »Porphyr«, das Debütalbum von Titanoboa in einer Auflage von 200 Exemplaren und ähnlich mulmig, wie einem beim Anblick einer überdimensionierten Schlange werden kann, kann einem auch werden, wenn man sich das finstere Album anhört, das Melanie Wratil in jahrelanger, geduldiger Arbeit herangezüchtet hat. Die acht Soundcollagen der Veröffentlichung können stilistisch zwischen Noise, Post-Industrial und Dark Ambient eingeordnet oder – jenseits von Genrebegrifflichkeiten – als widerspenstige elektronische Musik beschrieben werden. Ausgeklügelte, aber dennoch brachiale Klänge, die Assoziationen wie böse Geister wecken; klaustrophobische Kopfhörermusik, die sich dazu eignet, lange Nächte unter Ausgangssperre zu durchwachen, den Blick nach Draußen in die menschenleere Dunkelheit zu richten und das Ende der Welt, wie wir sie kannten, zu registrieren. Abwartend. Was wird sein, morgen? Wer sich nicht ganz und gar in den musikalischen Abgrund und seine eigenen Endzeitfantasien stürzen und stattdessen an seiner Plattensammlung festhalten will, der kann das Album in musikalischer Nachbarschaft des Soundtracks von »Eraserhead«, Throbbing Gristles »D.0.A.: The Third And Final Report«, Coils »Musik To Play In The Dark« oder Wolf Eyes’ »Dead Hills« sehen und so (Benennen heißt bannen!) gegenüber der durch und durch beklemmenden und unheimlichen Atmosphäre, die »Porphyr« kennzeichnet, wieder die Oberhand gewinnen. Morgen ist – trotz allem – auch noch ein Tag, vielleicht sogar ein schöner.

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Text
Holger Adam

Veröffentlichung
20.04.2021

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