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Sophia Djebel Rose

»Sécheresse«

WV Sorcerer Productions/Oracle Records/Ramble Records

»Here she comes / You better watch your step / She’s going to break your heart in two / It’s true…« Ich leihe mir die einleitenden Worte von Lou Reed bzw. The Velvet Underground & Nico, um die Erscheinung von Sophia Djebel Rose und den Eindruck, den sie – offensichtlich, vermutlich – hinterlassen will, etwas abzufedern. Denn, mein lieber Herr Gesangsverein, hier wird auf den Knochen geschnitten. Mit ihrer ausdrucksstarken, Dunkelheit evozierenden Stimme – flüsternd, deklamierend, klagend, raunend, hohe wie tiefe Register bedienend – entführt sie einen binnen Sekunden in ihre geheimnisvolle Welt voller Verlockungen und Abgründe. Die Musik ist ebenso wirkungsvoll wie sparsam instrumentiert, nimmt Anleihen an Folk, Psychedelic, Drone und Rockmusik und erinnert darin an PJ Harvey, Nico und allen voran Catherine Ribeiro. Die französische Sängerin verstarb 2024 und ist vor allem für ihre Alben aus den frühen 1970er-Jahren und ihre kurze Zusammenarbeit mit Jean-Luc Godard bekannt. Hört man Sophia Djebel Rose in der französischen Sprache singen, dann könnte man wirklich meinen, Catherine Ribeiro sei wiederauferstanden. Ich meine das nicht als Plagiatsvorwurf. Rose nennt ihr historisches Vorbild in Interviews selbst als Inspiration und steht Ribeiro in der Intensität ihres Vortrags in nichts nach. Eingebettet in ebenso karge wie fordernde Kompositionen entfaltet die Musik von Sophia Djebel Rose eine ähnlich verführerisch-verzweifelte und verletzbare Radikalität und Kraft wie sie Alben wie »Desertshore« (Nico), »Dry« (PJ Harvey) oder »Paix« (Catherine Ribeiro & Alpes) zu eigen ist. Nun habe ich eingangs bereits angedeutet, dass man (wie in »männlich«) in der Rezeption (»See the way she walks / Hear the way she talks«) dünnes Eis betritt, wo die Präsentation von Autorin und Werk eine deutlich erotisch konnotierte Lesart nahelegt oder zumindest ermöglicht, drum lasse ich Lou Reed sprechen und stelle mir die Auseinandersetzung mit solchen Perspektiven von vorne herein in Anführungszeichen, denn es führt kein Weg daran vorbei, zu bemerken, dass Sophia Djebel Rose sich mit allem, was sie hat, selbstbewusst inszeniert, um nicht zu sagen veräußert. Das fängt beim Artwork des Albums an und endet, wenn sie die letzte Strophe ihrer Lieder gehaucht, geschrien, geklagt hat. Das ist mutig, eindrucksvoll, zu keinem Zeitpunkt kitschig und auch in der Entsprechung von Form und Inhalt und mit Blick auf die historischen Vorbilder überzeugend. Sophia Djebel Rose weiß, was sie tut, und zeigt es uns. Touché.

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