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Romare

»Projections«

Ninja Tune

Archie Fairhurst alias Romare ist einer dieser fanatischen »Jäger und Sampler«, stets auf der Suche nach den seltenen Exemplaren, den skurrilen Sounds, den obskuren Songs und auch dem profanen Lärm des Alltags. Klatschen, Pfeifen, Stampfen; Nina Simone, James Brown, Lyn Collins. Alles, was klingt, kann von ihm aufgenommen, musikalisch verstoffwechselt und anschließend zu neuer Musik verbunden werden. Sein ideologischer Ûberbau, wenn man denn so möchte, verdankt sich dabei einem historischen, sicherlich auch politischen Interesse. Fairhurst studierte afroamerikanische Geschichte, wie der Pressetext nicht müde wird zu betonen, und übernahm dabei seinen Künstler- namen von einem seiner Studienobjekte, dem US-amerikanischen Collagisten und Maler Romare Bearden. Dessen Herangehensweise des Cut’n’Paste faszinierte Fairhurst und bewegte ihn dazu, das Gleiche mit Musik zu versuchen, nämlich aus vielen alten Klängen einen neue, integrierte Klangland- schaft zu schaffen. Soweit die aus Perspektive des Marketings prächtig aufbereitete Story inklusive postmodernem Twist. Romares Coverbild repräsentiert die benutzten Quellen, kontextualisiert und beruft sich auf sie, genauso wie dies die Titel seiner Stücke tun. Der »Prison Blues« beispielsweise ist mit Aufnahmen aus Gefängnissen realisiert, als traurige Soundscape des Eskapismus, der sich in eine musikalische Struktur verdichtet. Oder »Rainbow«, das im Discokontext auf die gesellschaftliche Bewegung für die Gleichberechtigung von Schwulen rekurrieren möchte. Das Moment der Dekontext- ualisierung, in verschärfter Form bei manch anderem Künstler auch im neokolonialistschen Aus- wringen afrikanischen Liedguts hörbar, soll damit gezielt in den Hintergrund gedrängt werden. Die belastete Geschichte des Samplings wird damit problematisiert. Dies passiert zugunsten einer behutsamen, auf Verlängerung einer musikalischen Tradition – oder vielmehr: eines musikalischen Gefühls – beruhenden Vorgehensweise. Romare will nicht plündern. Er will einfach besonders gut darin sein, behutsam seine Fühler auszustrecken.

 

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Text
Georg Fischer

Veröffentlichung
17.05.2015

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