Eric Arn lebt in Wien und spielt Gitarre. So nüchtern und unprätentiös ließe sich der Stand der Dinge zusammenfassen. Die musikalische Biographie des Amerikaners reicht jedoch zurück bis zum Beginn der 1980er-Jahre: Arn war u. a. Mitglied der Crystalized Movements, bevor er sein langjähriges Bandprojekt Primordial Undermind ins Leben rief, und dass sein Vinyl-Solo-Debüt auf Byron Coleys Label Feeding Tube erscheint (zuvor erschien 2013 mit »Points Of Fissure« auf Feathered Coyote eine Kassette), ist kein Zufall. Man kennt sich, lange schon. Entsprechend bezugsreich und vielfältig ist die Musik auf »Orphic Resonance«. Coley schreibt, tongue-in-cheek und zur Veröffentlichung der Platte, dass John Fahey das Album sicherlich gemocht hätte, auch wenn bzw. gerade weil instrumentale Gitarrenmusik ihm zum Ende seiner Karriere zum Halse herausgehangen habe. Was ist damit gemeint? Und warum so kompliziert? Jedes Jahr erscheinen Dutzende von instrumentalen Gitarrenalben, deren stilistischer Urahn John Fahey ist (oder Robbie Basho oder beide). Das heißt nicht, dass die Alben in der Nachfolge Faheys sämtlich die Werke devoter Kopisten wären – aber der stilprägende Schatten des Gründervaters des »American Primitive« ist lang und Manierismen mögen sich auf der Seite der Musiker_innen einschleichen und Routine die Hörgewohnheiten der Zuhörer_innen kennzeichnen. »Orphic Resonance« liegt erfreulicherweise quer zu solchen Perspektiven. Die stilistische Bandbreite des Albums ist groß, die Herausforderung für die zuhörenden Ohren auch. Arn entlockt seiner Gitarre flirrenden Ambient-Noise (»Praecox Feeling«), an Derek Bailey oder Bill Orcutt erinnernde atonale oder gewissermaßen kaputte Tonfolgen (»Pas D’Une Helice«) oder meditative Improvisationen (»Chopping Wood, Carrying Water«), bevor dann mit »Tepeyollotl« eine Komposition folgt, die sich auch im klassischen Takoma-Katalog gut gemacht hätte. Das darauffolgende »Unstruck« reißt – mit Gong- und Throat-Singing – den musikalischen Bezugsrahmen wieder auf, und auch die beiden verbleibenden Titel des Albums lassen keine stilistischen Wiederholungen zu: »Es wuchtet gewaltig« präsentiert Minimal Music/Drone, Pelt nicht unähnlich, und das abschließende »Filament«, ein ruhiges Instrumental zum Schluss, klingt, als habe sich Arn zur Entspannung vom Katalog des Windham Hill Labels inspirieren lassen. Diese Pause kann man sich auch mal gönnen, zum Ende hin, nach gut 40 Minuten, die zeigen, was man mit einer akustischen (und elektronisch erweiterten) Gitarre so alles machen kann. »Orphic Resonance« ist ein abwechslungsreiches Album, das trotz seiner stilistischen Bandbreite nicht auseinanderfällt, sondern seine Zuhörer_innen bei der Stange halten kann.
Eric Arn
»Orphic Resonance«
Feeding Tube
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