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»Standby« heißt bei Daniel Wisser Passivität - im Leben des Protagonisten, in seiner Zukunft, aber auch in der Sprache des Autors. Nominiert für den Bachmannpreis 2011. 

Daniel Wissers zweiter Roman »Standby« ist die Geschichte eines männlichen Gro&szligstädters mittleren Alters in mittlerer Führungsebene ohne Namen. Nichts macht diesen Mann nach au&szligen hin zu etwas Besonderem – er ist verheiratet, er geht einer Arbeit nach, er hat Träume. Sein Leben ist geprägt von Automatismen – sein Tagesablauf ist penibel durchgeplant, seine Wochenenden ebenso: Am Samstag besucht er den Vater im Pflegeheim, sonntagmorgens geht man in ein Café frühstücken, sonntagabends wird ins Kino gegangen.

Doch in ihm brodelt es. Seine Passivität im realen Alltag gleicht er aus mit Phantasien, die von einfachen erotischen Vorstellungen bis hin zum herbeigesehnten Untergang der Menschheit reichen. Oft malt er sich aus, mit seiner jüngeren Arbeitskollegin Sabine die Welt neu zu bevölkern – eine neue starke Rasse wird geboren, alle Krankheiten werden sie in den zukünftigen Generationen ausmerzen. Gemeinsam wohnen sie auf einer Burg und schauen auf all die verhungernden Menschen herab und werden sie töten, bevor diese ihn und Sabine töten. Der Tötungswunsch ist immer wieder gegenwärtig, wird aber nie ausgeführt. Ebenso wie viele andere Dinge in seinem Leben, die er eigentlich vorhat zu tun, es aber nie schafft.

Daniel Wisser hat für sein Thema und seinen Titel die fast perfekte Umsetzung gefunden – Passivkonstruktionen. Die Geschichte strotzt nur so vor Passivität, von sich treiben lassen, von ausbrechen wollen, aber nicht können. Allerdings wird dieses Stilmittel zeitweise zu exzessiv verwendet, etwa wenn »von der Frau schnell eingeschlafen wird«. Jedoch zieht er diesen ??Stil?? nicht während der gesamten Schilderung durch, vor allem gegen Ende werden die Strukturen sehr vermischt. Alles in allem ist »Standby« ein lesenswertes Buch, obwohl man sich am Ende fragt: Und was nun? Der letzte Absatz zielt auf die Zukunft des Mannes ab, in der sich nichts verändern wird, seine Passivität ist Teil seiner Selbst geworden und er wird sich davon nicht befreien können. Dennoch wird er immer auf Standby sein – in Bereitschaft auf die Dinge, die kommen.

Daniel Wisser: »Standby«, Wien: Klever Verlag 2011, 198 Seiten, EUR 19,90

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Text
Sabine Weishaupt

Veröffentlichung
15.04.2012

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