»Welcome To Sodom« © 2018 blackbox film & medienproduktion gmbh
»Welcome To Sodom« © 2018 blackbox film & medienproduktion gmbh

Müllhalde in Ghana als Zwischenstation für europäischen Elektroschrott

Wie brutal der globale/soziale Ungleichheiten fortschreibende Postkolonialismus funktioniert, zeigt der Dokumentarfilm »Welcome To Sodom« von Florian Weigensamer und Christian Krönes: Eine respektvolle Darstellung des prekären, die Gesundheit ruinierenden Lebens der vor Ort im Mist Arbeitenden.

Der imposante Beginn von »Welcome To Sodom«, genauso wie sein Ende lassen eine*n erschaudern: Mit starken Bildern und einer ebensolchen unterlegten Filmmusik, die durch das Hervorrufen von Emotionen eigentlich immer manipulativ, weil beeinflussend wirkt, beginnt dieser Film über das Leben auf der Müllhalde, genannt Sodom, in Ghana, Afrika, auf der Elektromüll aus Europa entsorgt, recycelt und nach Europa und in die USA zurückverkauft wird. Die erste Szene beginnt mit der geisterhaften Haut und dem Auge eines Chamäleons; symbolträchtig aufgeladen.

Mensch und Konsum
Die Lebenswelt in diesem dystopischen Mülluniversum funktioniert auf ihre eigene Weise, die den Zuschauer*innen im Lauf des Films immer näherkommt. Tiere wie Schafe und Kühe laufen durch das Bild auf der Müllhalde genauso selbstverständlich wie Menschen aller Altersgruppen, die sich dort ihren Lebensunterhalt sichern. Männer sammeln Metalle wie Kupfer aus den alten, weggeworfenen, technischen Geräten, vor allem Computern. Frauen beschaffen und verkaufen Trinkwasser. Klarerweise fühlt man sich stark ertappt im eigenen bedachtlosen, konsumistischen Wegwerfumgang mit Gütern, insbesondere technisch-elektronischen des eigenen Lebens. In welcher Position sind wir, dass wir uns in den reichen Industrienationen Europas und der USA ein solches Verhalten herausnehmen dürfen, das dieses im Film abgebildete Leben anderer, ausgebeuteter Personengruppen herbeiführt!? Niemandem dieser auf einer Müllhalde Arbeitenden ist es zu verdenken, dass er oder sie sich ein anderes Leben wünscht und flüchten will und wird.

»Welcome To Sodom« © 2018 blackbox film & medienproduktion gmbh

No victims!?
Intelligent führt die dokumentarische Erzählung durch den Film anhand einiger Personen, die zur Identifizierung einladen: Da ist einerseits der verrückt wirkende Prediger, der religiöse Prophezeiungen von sich gibt, aber auch Ausnahmefiguren wie der schwule Mediziner, der im Gefängnis gefoltert wurde, nun ebenfalls auf der Müllhalde Plastik einsammelt und verkauft, ständig in Angst lebt und das Gefühl hat, sich vor seiner Umgebung verstecken zu müssen. Wie auch das junge Mädchen auf der Müllhalde, das sich die Haare kurz abrasiert hat, um als Junge durchzugehen und bei diesen in der Metallbeschaffung zu arbeiten, wo mehr Geld zu erwirtschaften ist, als bei der Wasserbeschaffung der Frauen. Das Schöne und Berührende an dem Film ist, dass die Protagonist*innen nicht ausschließlich als Opfer zu lesen sind, sondern Momente sichtbar werden, in denen Zusehende sich in ihre Mitte wünschen: Wenn die sonst in der Sonne und im Dreck schuftenden Männer tanzen und tolle Musik machen: Rap mit sehr coolen Beats. Großteils tolle, durchtrainierte Körper stechen ins Auge. Bei diesem von Schmutz und Verseuchung gekennzeichneten Leben!

Ausblick
Dass sich die Lebenssituation in der Welt und der im Film »Welcome To Sodom« gezeigten Menschen ändern wird, ist nicht anzunehmen. Sicherlich wird sich die Situation auf der Erde im Zuge des Klimawandels noch mehr verschlechtern und irgendwann in Richtung Eskalation führen. Der Film »Welcome To Sodom« endet mit dem angsteinflößenden, heftigen, weil gefährlichen Tanz eines Sodom-Arbeiters mit dem Feuer beim Verbrennen der Computer zur Gewinnung von Metall. Erschreckend, aber gut gemacht, der Film!

»Welcome To Sodom« ist ein Dokumentarfilm von Florian Weigensamer und Christian Krönes, Österreich, 2018. Blackbox Film & Medienproduktion GmbH, Stadtkino Filmverleih, Syndicado Film Sales. Gefördert aus Mitteln des Österreichischen Filminstituts, ORF Film/Fernseh-Abkommen und Land Steiermark Kultur. Kinostart Österreich: 23. November 2018.

Link: http://www.welcome-to-sodom.com/

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