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Mouse on Mars – Funksignale aus dem Lande Pop

»Radical Connector« ist nach »Rost Pocks« (2003) die zehnte Veröffentlichung von Mouse On Mars (MoM), wenn man die CD für die Ausstellung »doku/fiction« dazunimmt. Andere Zeitrechnungen bezüglich der letzen Platte gehen zurück auf »Idiology« von 1999 ...

Gleich zu Beginn also schon mal Verwirrung stiften, ist doch der Musikkosmos der »Mousianer« alles andere als eindeutig: Stolperfallen wohin man hört, ein schier unüberschaubarer Referenzbaukasten. Die seit zwölf Jahren im Sinne der Erforschung futurologischer Randbezirke im Lande Pop werkenden Musiker Jan St. Werner und Andi Toma haben mit Mouse on Mars eine Schnittstelle herausgearbeitet, die Glitch-Electronica scheinbar en passant mit Melodien und Lyrics in Verbindung bringt. Oder so: Wenn man sich schon auf die Dichotomie zwischen »Song« und »Track« einlässt, haben MoM eindeutig ersteres im Petto. Vermutlich weil sie aus Deutschland sind, mussten sie viele Vorurteile bezüglich Technologie abbauen. Da standen auch schon mal Vergleiche in Richtung Kraftwerk (hallo Düsseldorf) im Raum. Wenn dem so ist, dann sind MoM mit »Radical Connector« in der Zwischenzeit in NY bei »Planet Rock« angekommen und zelebrieren den »Space« als »place to be«. Der Smasher »Wipe That Sound« lässt gar die ehemalige Tanz-Sprengkraft der Chemical Brothers oder von Daft Punk durchscheinen.

MoM waren immer schon schwer »Space«-infiziert: Dafür war ihre April-Ausstellung »doku/fiction« in der Düsseldorfer Kunsthalle, für die sie auch Dietmar Darth und Oswald Wiener gewinnen konnten, (siehe skug#58) wohl einer der besten Belege. Dabei geht es massiv um die Umwandlung von Fiction in Science. Beziehungsweise auch umgekehrt. Wissend um die Wirksamkeit historischer Verweise, werden diese unter Beibehaltung ihrer semantischen Bedeutung für das eigene Koordinatensystem umkonvertiert. Wenn MoM mit Attributen wie »organisch« beschrieben werden liegt das daran, dass sie den ganzen Packen Blut, Schweiß und Tränen, das »Menschliche« eben, aus dem popmusikalischen Diskurs in den des digitalen Sampling-Zeitalters transferiert haben. Der große internationale Erfolg von Mouse on Mars lässt sich vielleicht darauf zurückführen, diesen Transfer ohne größere Reibungsverluste bewerkstelligt, und so aus der technologischen Science eine tanzbare Fiction destilliert zu haben.

Auch diesmal ist Dodo Nkishi als drittes Live-Mitglied dabei. Der Schlagzeuger, der seit »Niun Niggung« (1999) bei MoM spielt, war 2002 auch einer der Gastmusiker auf Herbert Grönemeyers Album »Mensch«. Das ist nur logisch, schließlich hat Krautrock-Afficionado Grönemeyer auf seinem Label Grönland auch die drei Neu!-Platten wieder veröffentlicht.

Bereits 1998 war das Potenzial der Stilsurfer MoM hinsichtlich rhizomatischer Technologieverrenkungen mit heftiger Pop-Erdung auf der Compilation »In Memoriam: Gilles Deleuze« (Mille Pleateaux) erkennbar. Sie sind über ihr Label Sonig mit Thrill Jockey als deren amerikanische Vertreiber verbandelt, aus deren Richtung feinstgesponnene Gitarrenwälle à la Tortoise kommen. Wenn es um konsumkritische Haltungen via Musik geht, sind St. Werner und Toma mit Matthew Herbert d’accord, so aktuell geschehen als DJs Collpase auf der 12" Jawfunk/Shinbone (soundslike). Über Remix-Absichten ist nichts bekannt, aber das würde ja auch Teile des Konzepts »Mouse on Mars« in Frage stellen.

MoM beschäftigen sich von Anfang an mit jenen Schnittstellen zwischen musikalischem »Original«, seiner »Kopie« und seiner »Version«; Gutes Beispiel für die Reduktion und plunderphonische Weiterentwicklung des »copy rights« lässt sich beim Projekt Microstoria (Jan St. Werner und Markus Popp von Oval) erkennen, bei dem es sich – der Name verrät’s schon – um intertextuelle Referenzposten handelt. Während andere indes Technik-fetischisierend herumpluckern, haben MoM Pop in Kapitallettern in ihre Maschinen geladen. Auf »Radical Connector« sorgt Sonig-Labelkollegin Niobe für den entsprechend soullastigen Groove. So kommt dann auch »Evoke an Object« als Club-Hit erster Güte dabei heraus, bei dem Tanztauglichkeit und digitales Geknarze eine schweißtreibende Allianz eingehen und die spacigen Elemente des Funk durch die Datenkompressionskammer in Richtung State of the Art gejagt werden. Während sich frühere Alben durch eine gewisse dezente Hektik auszeichnen, wird auf »Radical Connector« mit dem Beat und seiner Wirkungsweisen auf den Menschen experimentiert. Aus P- wird E(lectronic)-Funk. Zum »connecten« gehören immer zwei: Sender und Empfänger. Als Sender haben Mouse on Mars ihr Signal in den Äther geschickt. Andi Toma und Jan St. Werner bringen es auf die einfache Formel aus der gleichnamigen Nummer: »Send me shivers«.

Mouse on Mars: »Radical Connector«. Sonig/Rough Trade. www.mouseonmars.com

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