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Mike Kelley – Das Unheimliche

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Mit »Das Unheimliche« ist eine Arbeit von Siegmund Freud betitelt, die im Herbst 1919 publiziert worden ist. »Das Unheimliche« heißt nach eben dieser Schrift eine Ausstellung, die der Künstler Mike Kelley bereits 1993 das erste Mal kuratiert hat und die nun in aktualisierter Form nach der Tate Liverpool im Wiener Mumok Station macht, eine große Installation mit vielen Leihgaben gewissermaßen.

Sigmund Freud kam zu dem Ergebnis, dass das Gefühl des Unheimlichen dann entsteht, wenn aus etwas Vertrautem überraschend etwas hervorgeht, auf das wir nicht gefasst gewesen sind. Er bezieht sich auf eine Definition Schellings, wenn er meint, das Unheimliche sei nichts als die Wiederkehr des Verdrängten in vertrauter Gestalt. Mike Kelley stimmt ihm darin zu und suchte für die Ausstellung nach figurativen Skulpturen, Fotos und Installationen, zeigt aber auch alle Arten von Puppen, anatomische Modelle, medizinische und Stopfpräparate und selbst Reliquien.

Die Zusammenschau dieser nur auf den ersten Blick heterogenen Dinge funktioniert vorzüglich. Schnell erkennt man, was Mike Kelley zeigen möchte, wenn er eine Wachspuppe mit dem Konterfei des jungen Kaisers Franz Josef aus einem Wiener Friseurladen des 19. Jahrhunderts ausstellt. Oder eine ganze Sammlung mit Fotos von Bauchrednern mit ihren Puppen. Christos Verpackung von lebensgroßen, nackten Figuren ist ebenso schnell transparent wie der Zusammenhang mit aufblasbaren GespielInnen beiderlei Geschlechts.

Es geht um den schmalen Raum, der sich auftut, wenn etwas Vertrautes uns seine »andere Seite« offenbart. Der Querschnitt durch die Kunst und andere Bereiche des Lebens, in denen der menschliche Körper ganz oder in Teilen eine Rolle spielt, macht deutlich, dass es, wie schon Freud wusste, nur auf den Kontext ankommt. Unser kollektives kulturelles und emotionales Erbe erledigt den Rest, damit uns selbst ein flaches Stück Holz ziemlich seltsam erscheint.

In diese Kerbe schlägt Kelley mit einer Ausstellung in der Ausstellung, den sogenannten »Harems«, kunterbunten Sammlungen von Murmeln, Comics, Stoffbannern oder Seiten aus Pornoheften, die allesamt einen ganzen großen Raum einnehmen. Zwischen all diesen Zeugen eines bürgerlichen Lebens zwischen Jungschar und Hinterzimmer, wie Fetische in manischem Sammeltrieb zusammengetragen, bekommt man erst so richtig eine Gänsehaut.

skug empfiehlt: Die Filmreihe »Das Unheimliche«, ebenfalls kuratiert von Mike Kelley. Bis 12. August im Filmcasino.
Programm: >> www.filmcasino.at

Die Ausstellung läuft bis 31. 10. 2004 im Museum Moderner Kunst im Museumsquartier, Wien 7: >> www.mumok.at

Dieser Artikel der skug-Autorin Andrea Winklbauer wurde in der österreichischen Webkunstzeitschrift Artmagazine erstpubliziert: >> www.artmagazine.cc

Home / Musik / Artikel

Text
Andrea Winklbauer

Veröffentlichung
21.07.2004

Schlagwörter

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