Thalija © Christian Koschar
Thalija © Christian Koschar

Melancholische Dröhnung

Thalija ist wieder auferstanden: The positive force of guitar & synth drones & much more im Post-Space-Krautrock-und-whatever-Kleid. »IV«, das neue Doppelalbum, wird am 6. Oktober in der Roten Bar im Volkstheater Wien und am 10. November im Volkshaus Graz live offenbart werden.

Mehr Kurz- als Langstreckenflüge gibt’s auf dem neuen Thalija-Doppelalbum »IV«. Gemeint sind nicht CO2-Ausstoßendes, mit Flugscham zu Verbindendes, sondern die bis auf zwei lange Tracks eher kurzen Stücke, die den Hörer*innen, so sie sich drauf einlassen, ein imaginäres Abheben gewähren. Anlässlich dieses am 29. September veröffentlichten vierten Tonträgers und der bevorstehenden Release-Konzerte beantwortete Gründungsmitglied Richard Kollienz, einer der Antriebsriemen von Thalija, einige relevante Fragen per E-Mail. 

skug: Lüften wir zunächst das Geheimnis des Namens. Thali(j)a hat ja eine große Menge von Bedeutungen. Was liegt der Namensgebung zugrunde?

Richard Kollienz: Das hat keine tiefere Bedeutung für uns, sondern kommt daher, dass unser erster Proberaum 2002/2003 in der Thaliastraße lag. Am Anfang hießen wir auch bei jedem Konzert anders, Raumpatrouille Thalia, Air Thalia etc., bei einem Konzert in Slowenien dann Thalija. Dabei haben wir es dann belassen, weil es den Bandnamen vorher nicht gab.

Soweit ich mich erinnere, liegt das Erscheinen von Thalijas Longplayer »III« elf Jahre zurück. Was ist inzwischen passiert und was führte dazu, dass sich das Kollektiv wieder zu einer Albumproduktion aufraffte? 

Familiengründungen, andere musikalische Projekte, berufliche Geschichten, verlorengegangene Aufnahmesessions auf einer kaputten Festplatte, Band-Hickhack etc. Ganz weg waren wir aber nicht, wir haben trotzdem ab und zu Konzerte gespielt. 2021 ist dann Wolfgang Pollanz von Pumpkin Records an uns herangetreten und hat uns eine Finanzspritze für ein viertes Album versprochen. Er hat uns bei der Aufnahme und Fertigstellung dann dankenswerterweise sehr unterstützt. 

Wer sind die treibenden Motoren, die dafür sorgen, dass Thalija wieder Flügel bekommt? 

Daniel Schrotter und ich haben gemeinsam mit Wolfgang die Aufnahmen und die Produktion organisiert. Zum Glück ist es aber so, dass viele in der Band (abgesehen vom Musizieren) was beitragen. Mischen, Cover, Videos, T-Shirts usw.

Thalija ist ein Kollektiv von momentan 17 Musiker*innen. Wie oft gibt es Proben vor Auftritten und ich nehme an, dass in der Roten Bar im Volkstheater Wien weniger Mitglieder als im Grazer Volkshaus auf der Bühne stehen werden? 

Es hat sich so ergeben, dass eine Gruppe in Wien und eine in Graz probt. Wir proben allerdings nichts ein, sondern treffen uns zum Jammen. Auch bei den Konzerten spielen wir keine einstudierten Nummern, die sind komplett improvisiert. In der Roten Bar dürfte es recht eng werden, ich denke, es werden wohl alle dabei sein wollen.

Die Bandbreite der Sounds auf »IV« ist enorm, der Opener Track »31« funkelt Space-krautrockig und »39« (fortlaufende Nummerierung) ist ein würdiges Finale, in dem der Ensemble-Sound über eine ganze Plattenlänge zur vollen Blüte gelangt. Ist das Material hauptsächlich aus Jams entstanden bzw. gab es kompositorische Vorgaben?

Wir haben zwei Aufnahmesessions organisiert, die ca. ein halbes Jahr auseinander lagen und jeweils drei bis vier Tage dauerten. Dabei haben wir unser Zeug in der Steiermark, genauer in Wies, in einem Theater bzw. einem Atelier aufgebaut, um dort zu jammen. Einige von uns sind aus der Gegend, außerdem ist unser Label dort. Tom Zwanzger, der uns aufgenommen hat, war auch ein großer Glücksgriff, sehr fähig und gleichzeitig super entspannt. Teilweise haben wir Riffs zwei, drei Mal angespielt. Wenn nichts draus geworden ist, haben wir es wieder gelassen. Phasenweise haben wir einfach drauflosgespielt, ohne was zu besprechen. So sind auch einige der besten Stücke entstanden, finde ich. Schließlich hatten wir eine beträchtliche Menge an Material zusammen. Wir haben uns dann einige Monate die Rough Mixes angehört und überlegt, was aufs Album kommen sollte. Das war nicht ganz einfach. Andy Watzik und Alex Wunderbar aus der Band haben drei Nummern gemischt, die restlichen sechs hat Georg Teschinegg von Lambda gemacht. Wir sind superhappy mit seiner Arbeit. Hörempfehlung von mir: Lambdas neues Album »Im Freien«. Das ganze Projekt hatte überhaupt einen super Spirit und hat uns als Band sehr weitergebracht. Wir waren alle mit einer Riesenfreude und Motivation am Spielen. Es war ernsthaft und auch leicht. Dass wir nach zwanzig Jahren immer noch zusammen Musik machen, ist allein schon ein Riesenglück und das Ergebnis sehr gelungen, wenn ich so unbescheiden sein darf. 

Magali Arnoux’ Vocals auf »39«, haben die eine Aussage im irgendwie mich an Gothic Rock erinnernden Song?

So heißt unsere Sängerin. Die Frage kann ich leider nicht beantworten.

»38« ist für mich ein wahrer Glücksfall. Gelandet im psychedelischen Orbit, richtet sich Thalija im Songformat ein. Innerhalb dieser Struktur lässt sich wunderbar Floaten. Wer singt dieses wunderschöne Lied? Bitte auch um die Lyrics!

Danke! Das singe ich. Wir haben das Riff einmal kurz angespielt und dann nur ein einziges Take aufgenommen. Das hat dann gleich gut hingehauen. Den Text und die Melodie habe ich im Nachhinein geschrieben und dann die Vocals eingesungen. Die Gitarre war zuerst da, an der habe ich mich orientiert. 

Would you be so kind to hold my glass for a while because I got to walk out onto that ice? I know so well, you told me several times.
Once upon a time we would dive in the sea. Far and away. We knew no feeling of disgust. I know. These days too much.
Isn’t it a hit? Oh what a great success in these days not to become depressed.
I know it won’t last long.
Come to me, let’s stare into the fire! I’m not sure, maybe our songs can stop the clock. I don’t know that much. 

Ausbaufähig, kann sich Thalija vorstellen auch ein song-orientierteres Album aufzunehmen?

Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir die richtige Band dafür sind. Das Beste entsteht meistens spontan. Was allerdings funktioniert, ist, die Tracks nachzubearbeiten, in der Art von Track »38«. Das kann ich mir schon vorstellen, das wieder zu machen. Ein Chor wär’ auch mal super. 

Godspeed You! Black Emperor, A Silver Mt. Zion, waren das Vorbilder fürs Bandkollektiv Thalija?

Ja schon. Für mich persönlich waren Tortoise und Mogwai wichtig, aber auch My Bloody Valentine und andere Shoegazer-Bands. 

Überrascht hat mich, dass ein Duo wie Sunn O))) mittlerweile die Wiener Arena ausverkauft, mit einem eigentlich sehr radikalen Konzept, nur einen Gitarrenanschlag über eine große Zeitdauer dröhnen zu lassen. Ich weiß, dass der Sound von Thalija damit wenig zu tun hat, was hältst du aber vom Phänomen Sunn O)))? 

Ich mag sie sehr. Ich finde es immer toll, wenn jemand was Radikales macht.

Abschlussfrage zum Album-Cover: Looks very ancient, erinnert an Botticelli und Bosch, bei genauerem Hinsehen sind die die Instrumente bedienenden Figuren entstellt. Verweist das auf das anonyme Ensemble, das seine Wirkung nicht aus Einzelstardom, sondern mittels Ensemblekraftfeld entfaltet? 

Benny Tomasi, der bei uns mitspielt, hat das Cover gemacht, so wie die letzten auch. Das wird schon was in der Art bedeuten. 

Thalija: »IV« (Pumpkin Records)

Thalija live: 

6. Oktober 2023, 22:00, Rote Bar, Volkstheater Wien 

10. November 2023, 20:00, Volkshaus Graz 

Link: https://thalija.com/ 

Home / Musik / Artikel

Text
Alfred Pranzl

Veröffentlichung
02.10.2023

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