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»Linda Christanell – Film als Raum für Träume und Gefühle«

Das Filmschaffen der Wiener Künstlerin Linda Christanell wird im Band »Wenn ich die Kamera öffne, ist sie rot« gewürdigt.

»Den Gefühlen und Träumen der Zuschauer und Zuschauerinnen mehr Raum geben, ist Film« meint die Wiener Avantgarde-Filmemacherin Linda Christanell in einem ihrer Texte. Seit Mitte der 1970er-Jahre befasst sich die Künstlerin, die auch in den Bereichen Malerei, Objektkunst, Installation, Performance und Fotografie arbeitet(e), mit dem Medium Film. Es entstanden seither rund 25 Filme im Super 8- und 16mm-Format. Vor kurzem brachte SYNEMA einen Band heraus, der das filmische Werk Christanells würdigt. Das Buch umfasst Aufsätze zu den filmischen Arbeiten Christanells, Interviews, Texte von Linda Christanell selbst, zahlreiche Filmstills und private Fotos, eine Filmografie, biografische Angaben und Stationen ihrer künstlerischen Laufbahn. Die Beiträge stammen von Filmwissenschaftlerinnen (Hilde Schlüpmann, Elisabeth Büttner, Christine N. Brinckman, Christa Auderlitzky u. a.), Filmschaffenden (Bady Minck, Michael Pilz), Filmpublizisten und -kuratorInnen. Die Auswahl der Bilder und Texte porträtiert die Künstlerin und ihr Werk und bietet eine vertiefende Lektüre zu den Filmen.

Feministische Kritik

Christa Auderlitzky verortet Christanells Schaffen innerhalb der dritten Generation österreichischer Filmavantgarde und zur zweiten Welle österreichischer weiblicher Avantgardefilmerinnen zugehörig (wie etwa auch Lisl Ponger oder Renate Kordon), wobei Christanell in diesem Bereich Pionierarbeit leistete. Gemeinsam ist den heterogenen Arbeiten dieser Künstlerinnen die Auseinandersetzung mit Sexualität, Körperlichkeit, Erotik und den damit behafteten Tabus. Feminismus war und ist ein Thema mit dem sich Christanell auseinandersetzt. Weiblichkeit, weibliche Lebenswelten, gesellschaftliche Zuschreibungen sind Inspiration und Thema vieler ihrer Arbeiten, doch dabei formuliert sie weder lehrhafte Thesen noch verwendet sie plumpe Symbolik. Oft nimmt sie triviale Gegenstände ins Visier der Kamera, wie etwa Hutnadeln, Modeschmuck, Postkarten, auch der eigene Körper oder Körperteile insbesondere ihre Hände (»Fingerfächer«, 1982/84, »Mouvement in the inside of my left hand«, 1978) werden zu Darstellerinnen in ihren Filmen. Nur in »Anna« (1980/81) ist es ausnahmsweise eine andere Frau, die im Mittelpunkt steht. In dieser Arbeit findet feministische Kritik am Männerkino ihre Berücksichtigung, befinden Karola Gramann und Heide Schlüpmann in ihrem Beitrag. Als Porträt und weibliche Geschichtsbetrachtung erkennt Lisbeth Waechter-Böhm in ihrem Text den Film »Anna«. Beide Aufsätze, wie auch viele der anderen Beiträge sind genaue Beschreibungen (keine blo&szligen Inhaltsangaben) sowie Analysen der Filme.

Grundsätzliche Offenheit

Renate Lippert integriert in ihre Analyse von »Picture Again« (2002) auch eine Art Erlebnisbericht, deklariert ihre eigene Haltung beim Anschauen des zehnminütigen Films, der gro&szligteils aus wenigen, sich wiederholenden Szenen aus Billy Wilders »Double Indemnity« besteht. Sie bekennt, zur Erkenntnis gelangt zu sein, »dass das Filmbild, das die Projektion in den anderen (in der Liebe), so wie die Farbe auch, weder Tiefe noch Oberfläche ist, sondern ein Zwischenraum, der sich auf einer anderen Ebene im Filmmaterial als eine Struktur der Schichtung abbildet.« Wenn Lippert vom »Dazwischen« als das Essentielle der Projektion spricht, steht das im Einklang mit der grundsätzlichen Offenheit, die eine Eigenschaft aller Filme Linda Christanells darstellt. Gerade in Reaktionen auf ihre »NS-Trilogie« (1996/2000) wird oft die Nicht-Eindeutigkeit, die Ambivalenz der verwendeten Bilder und Symbole angekreidet. In einem Gespräche mit Claudia Walkensteiner-Preschl bemerkt Christanell in Bezug auf diese Kritik, aber für ihr Ouevre geltend: »Ich muss sagen, dass ich in meiner ganzen Filmarbeit noch keinen klaren Standpunkt eingenommen habe, sondern, dass ich meine Filme in einer Offenheit und in einer wirklich gro&szligen Freiheit zur Diskussion stelle.« Und: »Ich beschäftige mich mit Filmsprache, mit dem Medium. Weil ich denke, dass der Film filmsprachlich stimmen muss.«

SYNEMA (Hg.) »LINDA CHRISTANELL – Wenn ich die Kamera öffne, ist sie rot«

SYNEMA-Publikationen (Wien) 2011, 272 Seiten, EUR 20,-

Im Buchhandel oder zu bestellen bei: office@synema.at

Home / Kultur / Film

Text
Jenny Legenstein

Veröffentlichung
12.07.2011

Schlagwörter

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