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La Passe: S

Von der Urgewalt von Sand über Stock, Aitken & Waterman sowie Stock, Hausen & Walkman bis zu Tim Buckleys magischem Song »Sweet Surrender« könnte S noch reichen, doch kapitulieren wir diesmal einfach. Die Leerstellen können ja selber ergänzt werden.

The Saints
Beeinflusst von MC5 und The Stooges waren Chris Bailey, Ed Kuepper und Drummer Ivor Hay eine Urzelle der australischen Musiksubkultur, der viele andere Acts von Downunder nach England folgten. »(I’m) Stranded« (1976) gilt als einer der einflussreichsten, Richtung Pop weisenden, Punksongs ever.

Niklaus Schilling
Produzierte mit »Rheingold« (1977/78), trotz des Soundtracks von Eberhard Schoener, einen tollen Film, den man – ohne O-Ton – super zum Gesamtwerk von Acts wie Neu!, Cluster, Harmonia, Kraftwerk, Wolfgang Voigt/Gas, Michaela Melián laufen lassen kann.

Max Schreck
Deutscher Schauspieler, dessen Nachname speziell im angloamerikanischen Raum ähnlich furchterregend nachhallt wie jener der Gebrüder Grimm. 1922 als Vampir in »Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens« unsterblich geworden, sehen wir ihn jedoch ein Jahr später auch in Karl Valentins »Die Mysterien eines Frisiersalons«.

Werner Schroeter
Mit campem, fast westcoastigem Outfit in der deutschen Filmlandschaft der 1970er zwischen Rosa von Praunheim und Werner Fassbinder oszillierender Callas-Fan. In den letzten Jahren endlich wiederentdeckt. Filmtipp zum Einstieg: »Palermo oder Wolfsburg«. Auch bekannt für ein tolles Interview mit dem Schroeter-Fan Michel Foucault aus 1981 (Nachzulesen in Michel Foucault: »Ästhetik der Existenz. Schriften zur Lebenskunst«, Suhrkamp 2007).

Scritti Politti
Sind ein Beispiel dafür, welche Leute der geniale John Peel entdeckte. Green Gartside und Tom Morley gründeten zur Hochzeit des Punk die nach Gramsci betitelte Band, aber erst 1982 kommt das erste Album. Ein super Beispiel wie man subversive Texte (»I’m In Love With Jacques Derrida«) mit chartsverdächtigem Material kombinieren kann, damit nicht weiter auffällt und sogar Erfolge einheimst. Typische Postpunk-Band, die nicht mehr viel mit Punk zu tun hat.

Edie Sedgwick
Das »Factory Girl«! Knabenhafte Figur, kurze Haare, Miniröcke, gestreifte T-Shirts, schwarze Strumpfhosen. Kurz: Stilikone. Zu sehen u. a. in Warhols »Beauty # 2« (1965). Für den »Club 27« ein Jahr zu alt, beendeten Alkohol und Drogen ihr Leben im November 1971.

Walter Sedlmayr
Die Rache der bayerischen Volksschauspieler (siehe auch den bekennenden Sozi Gustl »Meister Eder« Bayrhammer) an der CSU. Fassbinder-Schauspieler und selbst in den schlechtesten TV-Rollen immer grantig und gut. Bildet zusammen mit Ludwig II. und Rudolph Moshammer eine diskursiv noch immer nicht ausgeschöpfte Trias. Eine frühe skug-Nummer mit Schwerpunkt München hatte dementsprechend den Untertitel »Son of Sedlmayr«.

The Seeds
Hätten grö&szliger werden können als The Doors (die sich von den Seeds fast alles abgeschaut haben). »Pushing Too Hard« im Rudolpho-Valentino-Outfit aus dem Film »The Sheik«. Die Live-Version von »Up In Her Room« ist pure Teenage-Rampage-Ekstase – Sex aus dem Vorzimmer von »Sister Ray«.

S-Express
Mark Moore, bekannt für seine eklektischen DJ-Sets, gilt als einer der ersten wirklichen »Star«-DJs und als House-Music-Popularisierer. Mit seinem Samplingprojekt S-Express und der Single »Theme from S-Express« (1988, am Höhepunkt von Acid-House, Nr. 1 der britschen Charts) war er neben Bomb The Bass die beherrschende Figur in der noch neuen Sampling-Disco-Welle.

Shackleton
Der Schädelliebhaber ist einer unser speziellen Freunde. Von Dubstep ausgehend geht seine Reise in die perkussive Outersphere. Er wird uns noch viel Freude bereiten. Gilt klarerweise auch für den Youngster Skream.

Shannon
»Let The Music Play« – eine der grö&szligten Dance-Maxis aller Zeiten! Shannon gehört zu den Dance-Diven der 1980er und ihr wurden einige der besten Remixe gewidmet. LTMP ist ein zeitloses Stück, der erste Electro-Track (1983), der weibliche Vocals enthielt. Die perfekte Mischung aus Disco und Electro, gleichzeitig wegbereitend für Freestyle. Chris Barbosa und Mark Liggett sind die Produzenten, die auch für Freestyle wesentlich waren.

Shut Up And Dance
Die Breakbeatposse um PJ und Smiley war 1993 das erste Mal in Wien und damals zählten sie zur Speerspitze einer noch jungen und aufregenden BB-Bewegung. Aber bereits 1985 pitchten sie ihre HipHop-Platten auf schnelle 130bpm und rappten dazu.  Auf ihrem gleichnamigem Label halfen sie auch befreundeten Acts wie Nicolette, DJ Hype und den Ragga Twins.

Sigue Sigue Sputnik
»Love Missile F1-11« (1986) geriet Dank der Produktion von Giorgio Moroder zum Hit. Bahnbrechend waren die auch heute noch sensationell wirkenden Marketingkonzepte – nach The Who in den 1960er Jahren – zu ihrem Erstling »Flaunt It«. Die Zwischenräume des Albums wurden als Werbeblöcke verkauft – MySpace avant la lettre!

Silver Apples
Der Blue-Print aller Electronic-Duos. Psychedelische Drei-Ton-Drones plus Tribal-Drumming mit schweren Polka-Roots. Elektronische Evokationen aus tanzenden Oszillatoren.

Tim Simenon aka Bomb The Bass

Meisterproduzent und gemeinsam mit Mark Moore und MARRS das Dreigestirn an Samplingdiscohit-Produzenten, die so ziemlich die ganze Tanzsause starteten. Es waren »Beat Dis«, »Pump Up The Volume« und »Theme from S-Express«, die die Lawine in Europa ins Rollen brachte. Kein Mensch hörte damals Detroit- oder Chicago-Sachen, auch wenn das vielleicht heute alle behaupten.

Graeme Sinden
Sinden gehört zur neuesten Riege an Produzenten, die sich nicht scheuen Genres wild zu vermischen und nichts auszulassen. Da ist eine neue Generation am Werk, die Ma&szligstäbe setzt. Egal ob Worldmusic, Baile Funk, Baltimore, Dancehall, Grime, House, Electro, Mashups, alles wird durch den Fleischwolf gedreht und in genialen Sets untergebracht. So soll es sein. Kongenialer Partner ist Switch oder Herve.

Douglas Sirk
Reimt sich neben Vincente Minnelli wohl am besten auf Melodram. Schlimm gescholten wegen »Frauenthemen« in fast schon die Augen schmerzenden Technicolor-Farben und einem explizit ausgestellten »larger than life«-Gefühlshaushalt. Das Begehren, stets gefangen zwischen double binds aus gesellschaftlichen Konventionen und eigenem Unvermögen. Film Noir in zuckerlbunter, hyperrealer Farbe. Fassbinder liebte sowas. Pulp ebenfalls (vgl. deren Video zu »This Is Hardcore«).

Jack Smith
Queeres, transgressives Kino als Glaubensfrage (mit Maria Montez als Universal Goddess). Bilder als Gedanken, Ideen, Affekte (»Genie&szligen ist einfach Denken«). »Flaming Creatures« (1961) als queere von Stroheim-Adaption. Der Grund für Andy Warhols ersten (verschollenen Film) »Andy Warhol Films Jack Smith Filming Normal Love« (1963). Mehr dazu bei »Jack Smith and the Destruction of Atlantis« (2006er Doku von Judtih Malina, erhältlich als Import-DVD).

»Sniffing Glue«
Punk-Fanzine, das von Juli 1976 bis September 1977 in London das Programm der Do-It-Yourself-Ethik formulierte und propagierte. Herausgeber Mark Perry, auch Mitglied der Band Alternative TV, hörte damit auf, als Punk der Ausverkauf drohte.

Soft Cell
Die Blumen des Bösen als Synthie-Pop maskiert. Acid im Hirn, von Psychic TV ausgeliehene Knochen am Cover und dann mit de Sade, Genet und Fassbinder in die Disco. »Tainted Dub« und »Non-Stop Ecstatic Dancing« basteln sich selber Throbbing Gristle als House-Act zusammen. Die opulenten und zwingenden Maxis zeigen Soft Cell zudem als eine der wenigen Bands, die das dahinter stehende Prinzip wirklich kapiert hatte.

Sonic Youth
Rockmusik als Archäologie des Wissens, als das vom Zitat-Pop bekannte Prinzip Geschichte und Geographie als Archiv anzulegen und auszuwerten (damit auch ganz logisch Grunge mitentwickelnd und fördernd). Motto: Keine Angst vor der Art School (oder vor HipHop, Free-Jazz oder Kraut-Electronica). Rockmusik als Pop-Analyse inklusive Ohrensausen, inklusive Abwanderung in Richtung Kunst und Avantgarde. Eine der wenigen Bands, die sogar klasse war, wenn eine LP mal nicht so zündete, oder der »Mainstream der Minderheiten« mit vorbereitet wurde.

Spacemen 3
Nicht nur die Kinder von Suicide. Tipp zum Selbstversuch: Hören Sie sich die komplette »Kick Out The Jams«-LP von MC5 mit dazwischen geschalteten Hall- und Delay/Echo-Effekten an und Spacemen 3 werden sich manifestieren (geht aber auch mit den 13th Floor Elevators).

Susan Sontag
Ihr 1964 erschienener Essay »Notes on Camp« gilt immer noch vielen als theoretisch-diskursive Einstiegsdroge ins Thema, selbst wenn ihre (auch schon damals vor allem in schwulen Kreisen heftigst umstrittene) These von Camp als »so schlecht, dass es schon wieder gut ist«, in Folge viele Missverständnisse und Blödheiten produzierte. Denn: »Was ganz schrecklich ist, ist heterosexueller Camp. So was Augenzwinkerndes, das dir sagt: ??Alles nicht so gemeint.??« (Charles Ludlam).

SST
In der Frühphase von skug galt die Regel: Jedes bei SST agierende Trio bekommt mindestens einen achtseitigen Artikel. Ausnahmen: Bad Brains und St. Vitus (letztere nicht unerheblich für die Metallisierung unserer Vorlieben in den 1990ern verantwortlich).

Josef von Sternberg
Cinematografie als audiovisuelles Aphrodisiakum mit dem in Schatten und Schleiern gelegten Gesicht von Marlene Dietrich als zentrales ikonografisches Glamour-Image. Kino als »Painting with Light«. Exzessiver Dietrich-Höhepunkt: »The Scarlett Empress« (1934 – damals ein Flop), noch exzessivere, jedoch karrieretechnisch umso fatalere, Noir-Extravaganza: »The Shanghai Gesture« (1941).

Sufjan Stevens
Ein Beispiel für einen modernen Songwriter, von dem manche meinen, dass er irgendwann in die Fu&szligtapfen von Brian Wilson, Van Dyke Parks, Burt Bacharach oder Nick Drake tritt. Sein ambitioniertes Projekt jedem Bundesstaat der USA ein Album zu widmen, hat mit Michigan und Illinois schon wunderbare Werke zutage gebracht. Stevens geht aber auch wirklich mit allem was gut und teuer ist zu Werke. Von Minimal Music über Folk, Pop, Country, amerikanische E-Musik etc. arbeitete sich der Multinstrumentalist mit irren Texten durch die Musikgeschichte. Der Mann ist sich auch nicht zu schade eine Weihnachtsplatte rauszubringen.

The Stooges
Von Miles Davis wie von George Clinton geschätztes Heavy-Jazz-Unternehmen aus dem Geist von John Coltrane und The Velvet Underground. Sonische Brachialforschungen bei denen Jimi Hendrix als Punk gelesen und gleich nur noch elektronisch verfremdete Sounds gespielt werden. Eine der wenigen Rock-Bands, die um die Wichtigkeit des Rhythmus wusste. 1973 erschien mit der von David Bowie produzierten LP »Raw Power« die womöglich auch allererste Dub-LP einer Rockband. Sicher nicht so beabsichtigt, aber später u. a. bei Joy Division auf fruchtbaren Boden fallend.

Erich von Stroheim
Der »dreckige Hunne« war seine eigene Fantasie-Gestalt und lehrte mit überdosierten Bildern von europäischer Dekadenz, sexuellen (meist sadistischen) Ausschweifungen und opulentesten Massenszenen dem puritanischen Amerika der Stummfilm-Ära derma&szligen das Fürchten, dass sein Werk regelrecht kastriert wurde. Von »Queen Kelly« (1928) ist nur ein Fragment übrig geblieben, jedoch wurde »The Merry Widow« (1925) dann doch zum erfolgreichsten Stummfilm ever.

Suicide
Rockabilly machte immer schon komische Geräusche. Isoliert und mittels ultraverzerrtem Billigsdorfer-Keyboard plus Rhythm-Box als/zu Ein-Riff-Drones aufgeblasen, waren veränderte Hörgewohnheiten hier schon in den 1970ern zu haben. Die in Echos sich verselbstständigende Stimme von Alan Vega imaginiert sich Lee »Scratch« Perry in den Sun Studios herbei und sucht den Schlüssel zum perfekten, urbanen, elektrifizierten Pop-Song vor allem auch bei Doo Wop. Lester Bangs schenkte Kraftwerk bei deren erster USA-Tour das Debüt von Suicide. Martin Revs Solo-Platten lassen nach wie vor Techno-Heads blass werden.

Yma Sumac
Wer immer auf Exotica und campes Listening abfährt kommt an Amy Camus nicht vorbei. Schon allein ihr real name Zoila Augusta Emperatriz Chavarri del Castillo spricht Bände. Die leider am 1. November dieses Jahres verstorbene Sängerin war berühmt durch ihre enorme Stimme, die in frühen Jahren sogar sechs Oktaven abdecken konnte. Klassisch ihr 1954er Album »Mambo«, out of this world das 1971 veröffentlichte Psychedelic-Experiment »Miracles«.

The Sweet
Die Schmink- und Glitter-Kostüm-Prinzen des Glam-Rock (auch Hitler-Bärtchen durften im feminin maskierten Gesicht nicht fehlen). »Ballroom Blitz« und »Blockbuster« lassen immer noch jeden Floor erbeben. Im Pausenhof interessanterweise jedoch oftmals auch als »Mädchenmusik« gedisst. Aber was wissen schon Deep-Purple-Fans …

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Text
Didi Neidhart, Hans Kulisch

Veröffentlichung
03.08.2011

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