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La Passe: K

Zugegeben - dieser Buchstabe, im Englischen meist als C vorhanden, hat es knalldick hinter den Ohren. Lässt sich mit ihm doch klasse dialektisch zwischen Kunst & Kommerz, Kapital & Konkurs, Kommunismus & Konsumismus, Kleinbürgertum & Kretinismus, Klitoris & Koitus, Kirche & Kommunardentum, Kacke & Kristallen, Kabbala & Kant oder Katastrophe & Komik jede Menge kluger wie krasser Konversationen abwickeln. Kümmert uns im Folgenden aber weniger. Dafür jede Menge (und viele auf Schmierzetteln verbliebene) klingender Kapazunder, mitunter kurioser Kennzeichnungen.

Kaempfert, Bert
Schrieb u.a. »Strangers In The Night« und »Surfin‘ Safari« und sollte in einem Atemzug mit Burt Bacharach genannt werden. Treibt einem die letzten ?berbleibsel Rockismus aus und verhält sich zu James Last wie Pop-Musik zu Austro-Pop.

Kaiser, Rolf Ulrich
Transformiert Krautrock mit seinen kosmischen Jokern und Kurieren zu einem intergalaktischen Trip jenseits jeglicher Erdengravitation. Mit an Bord u.a. Manuel  Göttsching (Ash Ra Temple), Klaus Schultze, Soundpionier Dieter Dierks und Timothy Leary. Sozusagen die Kommune 1 im Kräuterrausch minus Polit-Talks und Uschi Obermeier. Elektronischer Urschlamm!

Karloff, Boris
Begründete als Frankensteins Monster eine Spezialform des Vokuhilas, musste als »The Mummy« leider sterben, ist der einzig wahre Fu Manchu (Sorry, Christopher Lee!) und stellte in Edgar G. Ulmers »The Black Cat« (1934) beim ersten Leinwandzusammentreffen mit Bela Lugosi einen an der österreichisch-ungarischen Grenze in einem Bauhaus-Schloss residierenden und von Aleister Crowley inspirierten Schwarzmagier dar. Neben Buster Keaton das faszinierendste Gesicht ausdrucksloser, sublimer Ambivalenzen im Kino.

Kaye, Lenny
Spielte bis zu Beginn der Achtziger in der Patti Smith Group (dort auch anzutreffen: der von Blondie schon Mitte der 1970er »entliehene« Ivan Kral), veränderte aber weit mehr Leben, Hörgewohnheiten und Schallplattensammlungen als Herausgeber der Psychedelic/Sixties-Garage-Punk-Anthologie »Nuggets«, mit der man der British Invasion zugeneigte Klassenkameraden selbst 1980 noch in die Flucht schlagen konnte.

Keitel, Harvey
Fragt in Scorseses »Mean Streets« ein Mädchen, ob es »Pledging My Love« von Johnny Ace mag (nachdem es wegen des Songs zu einem gewalttätigen Eifersuchtsanfall gekommen ist), vernichtet sich – nackt und in Jesus-Pose – zum selben Song als »Bad Lieutenant« mit Heavy Drugz & Vodka und läuft in »Fingers« immer mit einem laut aufgedrehten Kassettenrecorder bewaffnet durch die Gegend, weil er sonst weder Frauen ansprechen, noch Schutzgeld erpressen, noch in Restaurants (!) gehen kann. Soviel auch zum Thema Musik als Krücke im Realen.

Kern, Peter
Fassbinder-Schauspieler und Regisseur, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Unbequem und politisch radikal, dass es den Gegnern (z.B. der FPÜ/BZÜ) echt weh tut. Sollte eigentlich eine Partei gründen. Zusammen mit Hermes Phettberg (und Helmut Berger, wenn der sich das Hirn nicht weggesoffen hätte) die ewig antagonistische schwule Alternative zum »Life Ball«. Einer der wenigen Üsterreicher, auf die wir echt stolz sein können (und dem wir immer noch ein skug-Feature schulden).

Khnopff, Fernand
Symbolistischer Maler mit Hang zu androgynen Jünglingen und unheimlichen, ebenfalls geschlechtlich indifferenten, Frauen mit Tierleibern (Tiger, Sphinxen). Traumgebilde aus Realitätsfragmenten. Den umgekehrten Weg ging Max Klinger (Realitätsgebilde aus Traumfragmenten). Dann kam Alfred Kubin. Später Stephen King.

Kier, Udo
Es gibt grottenschlechte Filme, die nur deshalb durchgehalten werden, weil Udo Kier darin einen Satz sagt. Und das hat seine guten Gründe. Nicht nur weil er einer der letzten coolen Stars aus den wilden 1970ern ist. Denn vor Andy Warhols »Frankenstein«/»Dracula« (1973/74) (USA), Dario Argentos »Suspiria« (1977), Fassbinder (»Lola«, »Lili Marleen«), »My Own Private Idaho« (1991) oder »Barb Wire« (1996) spielte er im 1968er Üsi-Exploitation-Klassiker »Schamlos« (gedreht von Eddy Saller, dem »Russ Meyer von Üsterreich«) einen Zuhälter-Strizzi, der zu einer Stripperin in Liebe fällt, sie aber dennoch auf den Strich schickt und dabei auch bei der berüchtigten Kommune des Wiener Aktionisten Otto Muehl vorbeischaut. Was demnächst endlich auch auf DVD erhältlich sein wird.

King, Jason
Der Decadancé als Krimi-Autor und Gangsterjäger mit extravagantem Stil (vom Hauptdarsteller selber entworfen), nicht nur Kleidung und Frisur betreffend. Die bösen Ganoven kommen in Kriminal oder zu Tode, den coolen wird maximal die Beute abgejagt. Dazu wird im Pariser Steuerexil (Jason King ist ja eigentlich Engländer wie James Bond) getrunken und nikotiniert, als wäre Gesundheit nur eine Frage des Stils. Besonders hervorzuheben: Das Jason-King-Frühstück, bestehend aus Erdbeeren in Champagner (als feste Nahrung) und einem doppelten Scotch (zum runterschlucken). 1978 ereilte Hauptdarsteller Peter Wyngarde in einer öffentlichen Toilette das George-Michael-Schicksal. Die DVD-Box ist ein Muss!

King Oliver
Dixieland als voodooistische Futuremusic! Auch ohne Pakt an einer Crossroad so spooky wie Robert Johnson. Hatte Bix Beiderbecke in der Band! Klingt bei Theo Parrish und Moodymann nach. Einzig erreicht von Louis Armstrong.

Kinsey, Alfred
Besuchte mit Kenneth Anger Aleister Crowleys ehemalige Abtei Thelema in Cefalú/Sizilien und fungiert in den Rock Hudson/Doris Day-Filmen, sowie bei Douglas Sirk, als sublimer Subtext. Nicht zu verwechseln mit Oswald Kolle.

Klaus Kinski
Beschimpfte gerne Fernseh-Teams bei Live-Interviews und nervt vor allem posthum als von jedem Deppen vereinnehmbare Galionsfigur in Sachen Genie & Wahnsinn. Dabei ist Kinski am besten in billigen Italo-Western und als Edgar Wallace-Psycho. Der Rest ist Feuilleton-Komödienstadl.

Kirk, Roland Rahsaan
Als Jimi Hendrix erstmals nach London kam, hatte er eine Platte mit im Gepäck, die er die nächsten Monate über fast täglich hörte: Roland Rahsaan Kirks »Rip, Rig & Panic«, die später auch dem gleichnamigen Ex-Pop-Group-Projekt als inspirativer Blue-Print dienen sollte.

Kiss
»Rock’n’Roll All Day & Party Every Night« als Kostümspektakel. Die Quintessenz von Rock als Pop als Elternschreck in den USA der 1970er vor Punk (wiewohl ohne New York Dolls nicht denkbar). Natürlich aus »Detroit Rock City« und ohne Berührungsängste mit Disco (»I Was Made For Loving You Baby«). Wurden von Erwachsenen und Indie/Alternative-Rockern so lange als blöde Comic-Kapelle gedisst, bis plötzlich die Melvins Kiss als ihre gro&szligen Vorbilder ins Spiel brachten. Seitdem war jeder in den 1970ern Kiss-Fan, auch wenn deren Platten im deutschen »Sounds« nur als Frisbee-Scheiben für kulturell wertvoll gehalten wurden.

Klein, Melanie
Von offiziellen Freud-Stellen ähnlich gedisst wie Lacan, mit dem es beinahe eine konspirative Zusammenarbeit gegeben hätte.

KLF
Als es einmal beinah geklappt hätte: Pop aus dem Geiste der Situationistischen Internationale und der Internationalen Illuminaten. Die eigentlichen Erfinder von Bastard-Pop.

Knuckles, Frankie
Verlegte 1987 mit »Baby Wants To Ride« die »1999«-Errungenschaften von Prince nach Chicago und erfand dabei auch gleichzeitig den Blue-Print für jene, immer ewig heraus gezögerten, aber dafür umso heftiger einsetzenden 808-HiHats, die wir später bei Green Velvet/Cajmere so lieben gelernt haben.

Köhnke, Justus
Musiken des Begehrens. Disco, Schlager, House. Fassbinder würde dazu sagen: »Ich möchte‘ Musik machen können.«

Korda, Alexander
Aus Üsterreich-Ungarn stammender Filmproduzent, der 1936 bei »Things To Come« beinahe Moholy-Nagy für die Special Effects verpflichtet hätte, wären deren Rohmuster nicht zu gewagt gewesen. Entführt uns aber stattdessen 1940 mit dem Remake des Douglas-Fairbanks- Klassikers »Der Dieb von Bagdad« in eines der wohl schönsten künstlichen 1000-und-eine- Nacht-Paradiese die je in Hollywood tricktechnisch ersonnen wurden. Wobei es für Conrad Veidt als bösen Hassan I Sabbah/Assassinen-Verschnitt jede Menge Extrapunkte gibt.

Korngold, Erich Wolfgang
1934 von Max Reinhardt, mit dem er zuvor schon in Wien Neubearbeitungen verschiedener Operetten heraus gebracht hatte, für dessen Warner-Verfilmung des »Sommernachtstraums« nach Hollywood geholt, um dort »sechs bis acht Wochen« (Reinhardt) Mendelssohns Originalmusik für den Film zu adaptieren. Nach sechs Monaten Arbeit am Stoff (und eingedenk der politischen Situation in ?bersee) blieb Korngold in den USA und schrieb in der Folge seine »Opern-Musik ohne Worte« für Klassiker wie »Captain Blood« (1935), »The Adventures of Robin Hood« (1938), »The Sea Hawk« (1940) sowie diverse Bette Davis-(Melo)Dramen. Speziell die Soundtracks zu letzteren Filmen haben es in sich und sollten nie alleine gehört werden!

Kottan
Es kann nur einen geben: Peter Vogel! Zwei Folgen lang (»Hartlgasse 16a«, »Der Geburtstag«) reimte sich Krimi auch auf Franz Kafka (Menschenfurcht) und Karl Kraus (Menschenhass) in der Wiener Gemeindebau-Version. Bruno Kreisky war Kanzler und die »Kronen Zeitung« spuckte Gift und Galle.

Kraftwerk
Rhythmustransformatoren. Nahmen von den Menschen (The Velvet Underground, The Stooges, James Brown, Parliament/Funkadelic) und gaben den Maschinen. Der direkteste Weg von Detroit-Funk nach Detroit-Techno führte über Düsseldorf-»Elektronik-Rock«. Als Autostopper an der Autobahn dabei mitgenommen: Kool DJ Herc!

Gene Krupa
The Cool & The Crazy! Dean Martin mit dem goldenen Arm! Von Swing zu Boogie auf dem Weg zu Rock’n’Roll! Jazzdrumming als Spektakel! Vorbild für John Bonham und von einem Stra&szligenmusiker in »Taxi Driver« zitiert! Wurde nach seinem Tod als Zombie wiedererweckt und spielte unter dem Pseudonym Nick Knox Drums bei den Cramps!

kteis
Griechischer Ausdruck für die weiblichen Genitalien. Der Legende nach der eigentliche Grund für das »k« bei Aleister Crowleys »Magick« …

King Tubby
Auch wenn Lee »Scratch« Perry mit allen möglichen Geisterkontakten aus einem Vier-Spur-Gerät eine 16-Spur-Maschine evozieren konnte – an King Tubbys scharf abgeschnittenen HiHats, den Donnertrommeln, den harten Echokanten, kommt selbst Perry nicht ran. Vielleicht weil King Tubby weniger »dope« als »sharp« war. Immerhin legte er mit seinen ersten Digital-Experimenten in den 1980s gleich die Sub-Bass-Rutschen für Jungle/Drum’n’Bass an.

Kybernetik & Konstruktivismus
Zwei gute Mittel, den Geist auf Reisen zu schicken, ohne dabei psychedelisch werden zu müssen.

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Text
Didi Neidhart

Veröffentlichung
16.09.2011

Schlagwörter

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