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Sóley

»Krómantik«

Indigo

Sich einfach mal so zwischen die Stühle setzen. Auf der Straße. Im Regen. Brr, kalt ist es. Eine Straße weiter fährt ein Bus vorbei, wir stehen an einer glasüberdachten Haltestelle, hinter uns eine gatschige Wiese, noch weiter dahinter ein paar trostlos wirkende Einfamilienhäuser. Und neben uns, vielleicht weil sie ein Anrainer einfach hier stehen hat lassen, ein paar Metallrahmenstühle mit durchgerissener Plastikbespannung. Wir könnten uns also ohnehin nicht auf diese Stühle setzen, nur dazwischen … oder gar nicht. Aber würden wir nicht, weil, es regnet ja … Dennoch kommen wir ins Sinnieren über diese Stühle in dieser tristen Nachmittagsregenstimmung, ja ja … In so einer Stimmung hat sich vielleicht auch Sóley Stefánsdóttir befunden, eine Isländerin, die sonst eher aus dem (Indie-)Pop bekannt ist, zum Beispiel durch die isländische Band Seabear. Und dann tat sie das, was sie am liebsten tut (außer zwischendurch ein Kind kriegen), nämlich zu Hause verschroben und eigenbrötlerisch am Piano zu klimpern, bis daraus Miniaturen entstehen, die Eric Satie und Ragtime, Wim Mertens und Tori Amos auf einen Haufen werfen, um dann das Ganze noch durch einen gestandenen Pianino-Raumklang mit einer entsprechenden Soundpatina anzukokeln. Genau, der Regen, diese Nachmittagstristesse. Und eine Jazzbar am nördlichsten Ende der Welt, wo Seemänner und Hetären wehmütig einer Puppentheateraufführung beiwohnen. Aber im Grunde ist schon alles vorbei, die letzten Gäste verlassen das Lokal, und irgendwer schleppt gerade die Metallrahmenstühle hinaus auf die Straße, lässt sie dort einfach im Regen stehen. Ja ja … zum Glück ist »Krómantik« nur eine EP, keine 17 Minuten lang, sonst würden wir in dieser verregneten, verträumten Pianominiaturensammlung ganz versinken. Hemmungslose Verträumtheit rules.

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