Jung An Tagen © VIV, Bild: Studie Weiß © J. Fröhnel, Foto: Live in Prato © Spazio K
Jung An Tagen © VIV, Bild: Studie Weiß © J. Fröhnel, Foto: Live in Prato © Spazio K

Jung An Tagen

With his two transcendental and minimalistic Jung An Tagen releases »Vielheiten« (2014) and »Äußere« (2015), Vienna based Stefan Juster made himself a key player in the post-noise techno scene. Because Juster changes his moniker more often than his underwear, it is difficult to keep a hold on who he is and what he did, but a quick search on Discogs learns us: he released on labels such as Blackest Rainbow, Not Not Fun and 100 % Silk, and that he worked together with likes of Tom Greenwood, Kevin Drumm and Didi Bruckmayr. Besides that, he's the main man behind the Virtual Institute Vienna (VIV), who's responsible for the visual part of Jung An Tagen's music. Time for an interview.

skug: I saw a short video of you playing in Torino, Italy, in 2013. In that video I see an Apple laptop on the desk … which is actually closed, although you can see that it’s on.

Jung An Tagen: Als ich als Jugendlicher anfing zu Noiseshows zu gehen, war es in Europa üblich mit dem Laptop zu arbeiten. Nach einiger Zeit konnte ich aber Musiker die regungslos in ihre Laptops starren nicht mehr sehen und als ich dann anfing selber Musik zu machen, wollte ich das meine shows ohne Laptop stattfinden und das der Körper eine zentrale, performative Rolle spielt.
Momentan verwende einen Computer, weil ich es mir erstens nicht leisten kann ständig neue Hardware zu kaufen, zweitens mein Zeug so viel wurde, dass ich es nicht mehr auf Konzerte schleppen konnte und drittens weil ich viele Ideen ohne Computer nicht mehr umsetzen kann.
So ein Laptop ist schon ein cooles Ding, aber als Instrument finde ich ihn nach wie vor völlig unsexy. Deswegen will ich ihn live auch nicht angreifen, oder in ihn hinein schauen müssen.

I don’t know anything about gear, so tell me: what’s the gear you use on stage?

Ich möchte eher ungern darauf eingehen was genau ich verwende, ich finde das auch eher unwichtig. Zuviel unnötige Information stört den eigentlichen Prozess. Ich sehe mich auch eher weniger als Musiker, deshalb benutze ich auch kein spezifisches Instrument. Ich finde es eigentlich immer am besten etwas, von dem ich keine Ahnung habe wie es funktioniert, kennen zu lernen um mich selber zu überraschen. Deswegen wechseln meine Werkzeuge auch ständig.
Aber momentan verwende ich ausschließlich Laptop + Controller und steuere damit sehr einfache bis sehr komplexe Sequenzen für substraktive und granulare Synthese.
juster1.jpgAber das kann sich morgen ändern.

Your live set up is rather minimal. A specific choice?

Yeah, alles muss ins Handgepäck von Ryanair passen.

Your set in that clip ends with you pulling out a cable. No outro, no fade out, just like that.

Das haben vor mir schon viele Noise-Musiker gemacht und ich finde: das ist eine sehr schöne Geste. Sie spielt mit Ûberlegungen über Zeit und der vierten Wand, alles Sachen die mir sehr wichtig sind.
Manchmal mache ich es auch nicht und »entlasse« die Leute, aber im Normalfall schraube ich mich am Ende eines Sets in eine Noise-Wand und da gibt es dann für mich nur diese Konsequenz. Außerdem ist ein gutes Konzert im Idealfall wie guter Sex. So ein harter Schnitt nach dem Climax wirft die Leute sehr drastisch auf ihren eigenen Körper zurück und kann das nochmal verdeutlichen.

Do you see playing live as impovising or do you prepare your sets?

Im Moment ist schon sehr viel vorbereitet. Jung An Tagen ist ein sehr überlegtes, genaues Projekt. Mir geht es hauptsächlich bei einem Konzert darum, mit Klang Raum und Zeit zu beschreiben. Die Anfangs- und Endpunkte sind relativ klar definiert. Wie ich mich dazwischen bewege ist immer Frage der jeweiligen Situation. Darin bewege ich mich frei.

Still in that same clip, the public standing right behind you is watching you, and listening, but they’re not dancing. Do you feel like your music has a link with dance culture?

Ja sehr, aber ich mag es nicht wenn die Leute von mir erwarten, dass ich sie zum Tanzen bringe.
Bei einem früheren Projekt von mir bei dem ich hypnagogischen Acid House gemacht habe, ist es oft passiert, dass die Leute dann enttäuscht waren wenn ich abstrakt gearbeitet habe.
Frühe Rave Culture ist einer meiner größten Einflüsse, aber als das passiert ist war ich ja noch zu Jung, um zu Raves zu gehen. Also habe ich die Platten zu Hause, im Liegen gehört. So wurde diese Musik zu einer meiner ersten Ideen von psychedelischer Erfahrung. Für mich ist Techno somit auch Musik die entkoppelt ist von Tanz.
Momentan sind meine Konzerte zu 50 % abstrakt und zu 50 % rhythmisch. Nichts freut mich mehr wenn die Leute feiern und zu tanzen beginnen. Aber es muss nicht sein.
Ich spiele ja in allen möglichen Situationen – Galerien, Squats, Konzerthäuser, Bars, Wohnzimmer, Raves, Clubs, Festivals … Sehr oft bestimmt das Umfeld wie sich die Leute verhalten.

You made your first Jung An Tagen release last year, but you’ve been making music for a longer time. Is Jung An Tagen a new direction in your musical development that requested a new name?

Ich bin immer der Meinung gewesen, dass ein Künstler alle Parameter, die ihm zu Verfügung stehen, auch verwenden muss. Jeder Buchstabe, jede Farbe soll zur Arbeit beitragen. Ich habe immer, wenn sich gewisse Vorstellungen verschoben haben, versucht, alles drumherum anzupassen, darauf einzuwirken. Diese Vorgehensweise hat aber immer dazu geführt, dass mich auf einen Schlag niemand mehr gekannt hat. Was auf Dauer auch ein wenig nervig ist.
Jung An Tagen war ein sehr harter Schnitt. Und ist auch ein Versuch, genau diese Vorgänge zu professionalisieren. Darum existiert jetzt auch das VIV.

Do you feel like you evoluated from a more dirty kind of of music into a more sophisticated, more minimal and more structered one?

Wenn wir uns darauf einigen können, dass dirty genauso sophisticaded sein kann, ja.
Im Prinzip ist es so, dass meine Vorstellungen sich mehr und mehr herauskristallisiert haben.
Vorher habe ich außerdem noch aus einer »Schwarmintelligenz« heraus operiert die mich sehr fasziniert hat. Aber als sich die Szene vor einigen Jahren langsam aufgelöst hat, wollte ich sehr genau herausfinden was meine allerperönlichsten Motive so zu Tage befördern.
juster2.jpgAlso bin ich sehr lansam und spezifisch geworden und habe mehr und mehr begonnen, mich mit kompositorischen Techniken auseinander zu setzen.

What does Jung An Tagen actually mean?

Es ist ein kleines Gedicht. Und bewegt sich im ästhischen und inhaltlichen Kosmos von der restlichen Arbeit. Verweigert sich also einer klaren Aussage. Zunächst habe ich ein Video von mir so genannt. Außerdem ist es eine kleine Referenz die bis jetzt noch niemand entdeckt hat.

You live in Vienna but you’re not from Vienna.

Ich komme nicht aus Wien, nein. Aber die Stadt selber ist mir inzwischen sehr wichtig geworden. Am Anfang hab‘ ich mich fast ausschließlich über das Internet mit anderen ausgetauscht. Weil in meiner Umgebung auch niemand meine Musik gehört hat. Das geht schon. Ist auch irgendwie verschwörerisch.
Im Moment habe ich in Wien einen ganzen Haufen unglaublich guter Leute die eine ständige Inspiration sind. Das möchte ich nicht mehr missen. Außerdem ist das rote Wien ein äußert angenehmer Ort für das tägliche leben. Aber auch so etwas kann sich schnell ändern.

You’re part of the Virtual Institute Vienna. What is the VIV?

Das VIV ist der Raum der mich umgibt. Ein Konstrukt das es ermöglicht meine Musik, Videos, Bilder und Texte in eine Form zu gießen, um sie von außen greifbarer zu machen und auf die Form seines Inhalts einwirken zu können.

With the Mego label, Vienna has a long tradition of music between dance, noise and experimental. Do you feel related to that?

Pita ist schon eine sehr große Figur, natürlich. Anfänglich, glaub‘ ich, hat er mein Umfeld relativ wenig beachtet, aber das hat sich in letzter Zeit verändert. Ich bin sehr gespannt, ob es da zu Synergien kommt. Das wär schon cool.

I hear influences of house and footwork in your music, but also Kraftwerk and Conrad Schnitzler. Are these your music influences or do I have to look elsewhere?

Alles das! Aber die größten Einflüsse im Moment sind die Menschen mit denen ich Zeit verbringe, Ûberlegungen über Zeit, Raum und Körper. Intensitäten.

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Text
Joeri Bruyninckx

Veröffentlichung
25.10.2015

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