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Die Talking Drum des Komödianten

Let the Drum do the Talking. 10. Juni 2015, Taktlos Wien: Mamadou Diabate, Wolfgang Puschnig, Jon Sass. Eine sehr subjektive Prolo-Schlagzeug Kolumne.

Fotos: Christof Moderbacher

Vor dem Fenster des Jazzklubs Taktlos, weit draußen an der 43er-Tramlinie, im grünen Wiener Neu- waldegg, hängt gerade jemand den Gartenschlauch auf. Schön ordentlich im Kreis. Drinnen werden vor den Backsteinwänden beim Konzert des Trios Mutua ganz schön unterschiedliche Instrumente benutzt. Ngoni gegen Tuba, das ist wahre Härte. Während die Tuba eine schöne Melodie spielt, hört man das afrikanische Zupfinstrument eigentlich nur, wenn Jon Sass an der Tuba gerade Luft holt. Plingplong tönt es plötzlich in den kurzen Pausen, ansonsten wirkt Mamadou Diabate wie in einem Stummfilm – übertrieben ausgedrückt. Mamadou spitzt die Lippen, fragender Blick hin zu Wolfgang Puschnig, hörst du mich? Dafür »zarrt« er dann das restliche Konzert enorm laut an!

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Hüpfendes Monk-Schlagzeug

»Wir spielen jetzt mal ein Jazz-Stück, ein Original, von Thelonius Monk: ›We See‹«, kündigt Puschnig an. Diabate schiebt sich den Aufhänger über die Schulter, klemmt sich eine kleine Trommel unter den Arm, breitet seine Finger von oben auf das Fell aus, von unten arbeitet die rechte Hand mit einem gebogenen Schlegel mit Haken. Diese Talking Drum erzeugt einen irrsinnigen Sound: sie ist eine Art melodiöser Quietschbogen, sehr lustig. Mamadou Diabate als Komödiant, ganz was Neues. Die anderen spielen straight, er geht quer rein und zieht den Ton schräg nach oben und macht Grimassen dazu. Das Ding klingt wie ein Kinderinstrument, lässt sich aber toll wirbeln. Diabate amüsiert sich prächtig. Tuba-Einsatz! Quer durch quere Töne, es lässt sich nicht anders beschreiben. Puschnig wird rot vor lauter Durchspielen. Sax! Wer sich das Monk-Original von 1954 anhört, kann das hüpfende Schlagzeug zu Beginn nicht ignorieren, das hier das Vorbild der Talking Drum ist. Sehr fröhlich.

»Grrrr«, jemand lässt es rollen. Woher kommen diese Töne? Tuba oder Sax? Wie ein Tiger im Stimm- bruch, »grrrr«. Doch, es ist die Tuba, dieses Grollen, denn Puschnig holt gerade Luft. Jon Sass scheint sich auch gut zu amüsieren. Mamadou legt die linke Hand wie einen Fächer über seine Talking Drum, spielt und spielt und muss immer wieder lachen. Diese Fassung gefällt mir fast besser als das Original, obwohl Monks Schlagzeuger Art Blakey auch ganz schön vorgelegt hat.

The Blast from the Past

Irgendwie spielt Mamadou das Balafon heute theatralischer als sonst, sehr betont schlägt er mit drei Schlegeln auf die eingespannten Kürbisse seines Instruments mit den Tasten darüber. Er singt dazu mit weicher Stimme. Feierabendstimmung kommt auf, sehr relaxte Atmosphäre herrscht hier vor. Sehr schön hört man das Balafon in den Kellerbögen des Taktlos. Jon spielt mit geschlossenen Augen. Die ganzen kleinen Melodiebögen erinnern mich an ein John Zorn-Konzert vor Jahren in Hamburg. »Das Lied ›Femba‹ heißt auf deutsch … ›Femba‹!«

Die Tuba klingt aus der Vergangenheit herauf, »The Blast from the Past« heißt das Lied. Wie war das noch mit dem Wind der Geschichte, der den Engel rückwärts treibt? Hier ist die Melodie dazu. Ein auf- geräumter Puschnig spielt sehr hoch, Halbtöne, das Lied vergeht und taucht wieder auf. Wechselnde Führung. Baseline von Jon Bass, äh Sass. Dann spielen Puschnig und Sass alleine: Tucker, tiefe Geräusche. Wer ist das? Jemand singt und es ist nicht die Flöte. Die Tuba singt ähnlich dem Gesang einer Frau, seltsam. Bricht ab. Wieder Duett und dann wieder ein schräger Ton dazwischen, immer ein bisschen daneben – es klingt wie eine Warnung. Können Walfische ein Lied singen? Sehr schön, wie die Tuba singt, mit Obertonstimme quasi. Wie Aziza Mustafa Zadeh aus Aserbaidschan, bei der die Fledermäuse aufflattern, wenn sie mit zwei Stimmen gleichzeitig singt wie die Schamanen. Dann tiefe Töne, so tief geht doch gar nicht! Einen Stock unter dem Taktlos-Keller quasi. Die ZuschauerInnen lachen, weil Jon in seine Tuba lächelt. Wieder dieser schräge Halbton. Ganz seltsam. Das Thema wird vertieft. Noch tiefer, unglaublich. Puschnig freut sich am Ende: »Solche tiefen und langsamen Sachen gehen besser, wenn nit so viel Leut’ san«, sagt er.

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Schnitt! Hysterische Panflöte. Das Stück ist auch von Diabate. Wie die drei unterschiedlichen Instrumente ähnlich klingen, wenn sie die gleiche Musik spielen! Seltsame Annäherung. So laut das Balafon! Und rhythmisch. Ein melodiöses Schlagwerk. Mamadou Diabate lacht. Bei der Zugabe kehrt die Talking Drum wieder. Dazu: die Talking Flute. Am Plafond spiegeln sich die Lichteffekte der Tuba in gold. Die Tuba blendet und leuchtet auf. Diabate wechselt auf das Balafon und wird inspiriert. So soll es sein, minimalistisch und schön. Blick auf Jon, Schlegel auf Drum und zack, aus. Ein goldener Abend mit einem eigenen Zauber.

 

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