»Die Architekten« © Filmarchiv Austria
»Die Architekten« © Filmarchiv Austria

Blick nach Ostwesten

Mit »BRDDR – Kino entlang der Mauer« eröffnet das Filmarchiv Austria im Wiener Metro Kino einen Blick zurück in die letzten Jahre zweier deutscher Staaten und die erste Zeit nach der Wende. Die Filmproduktion beider Deutschlands geriet damals in eine Krise.

Der 30. Jahrestag des Mauerfalls wird verschieden begangen. Die einen feiern ihn als wichtigen Schritt zur Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents, die anderen weisen darauf hin, dass mit dem Fall des Ostblocks auch positive Errungenschaften vor allem in der Arbeitswelt verschwunden sind. Das Filmarchiv Austria widmet dem Jubiläum eine eigene Retrospektive, genannt »BRDDR – Kino entlang der Mauer«. In 21 Programmen werden zwischen 9. November und 3. Dezember 2019 Spielfilme aus Ost und West gezeigt, von denen einige bis heute einen großen Bekanntheitsgrad haben, andere wiederum in Österreich so wohl noch nie zu sehen waren.

»Manta – Der Film« © Filmarchiv Austria

Ohne »Systemkonkurrenz« bleibt nur Hollywood
Die Situation der Filmkunst in den späten 1980er-Jahren ist in beiden deutschen Staaten angespannt. Im Westen sind die großen Namen etwa verstorben oder aber machen in der BRD keine Filme mehr, sondern lieber in Hollywood und andernorts. Die junge Generation sucht oft eher den Markt zu bedienen, als künstlerisch beeindruckende Filmmonumente zu hinterlassen. In der DDR trifft die Öffnung des Filmmarkts die staatliche Produktionsfirma DEFA wie ein Schlag und wirft sie in eine Krise. Die auch im Westen oft gelobten Produzierenden werden plötzlich vom Publikum im Osten verschmäht und die Absätze brechen ein, da die Bevölkerung lieber in die neuesten importierten Blockbuster geht, anstatt sich heimische Produktionen anzusehen. Beiderseits der Mauer also keine ideale Situation, die sich allerdings durch den Mauerfall nur noch weiter verschärft.

»Didi – Der Experte« © Filmarchiv Austria

Die Systemkonkurrenz ist nun auch als künstlerischer Motor dahin und gerade die Filmschaffenden im Osten vermögen es oftmals nicht, im geeinten Deutschland mit einer zugesperrten DEFA eine neue Heimat für ihre Projekte zu finden. Eine Zeit des Umbruchs auf beiden Seiten, die sich freilich auch in mehreren Filmproduktionen deutlich niederschlägt. So etwa in Peter Kahanes 1990 in der DDR entstandenem Film »Die Architekten«, welcher die Retrospektive eröffnete. Ein junger Architekt erhält dabei den Auftrag, einen ganzen Stadtteil im Auftrag der Freien Deutschen Jugend (FDJ) zu planen, wozu er seine Freunde aus der Studienzeit, inzwischen über die ganze DDR verstreut, wieder zusammenholt. Das Vorhaben erweist sich allerdings aufgrund politischer Blockaden der FDJ und der SED als zunehmend schwierig und inmitten all dieser Probleme verlässt ihn überdies seine Frau für einen Schweizer, dem sie aufgrund der gelockerten Ausreisebestimmungen auch mitsamt der gemeinsamen Tochter in die helvetische Republik folgt. Ein Film persönlicher und politischer Umbrüche, entstanden im letzten Jahr der DDR, ideal also, um die Rückschau zu eröffnen.

»Coming Out« © Filmarchiv Austria

Von »Didi« bis »Coming Out«
Während Kahanes Film eine unbekannte Perle ist, die aufgrund der historischen Ereignisse zur Zeit der Veröffentlichung gerade einmal einige tausend Menschen ins Kino lockte, so sind einige der Westfilme dieser Jahre bis in unsere Tage hinein bekannt. So etwa der klassische Hallervorden-Film »Didi – Der Experte« oder auch »Manta – Der Film«. Besonders erwähnenswert sind überdies zwei von mehreren gezeigten Dokumentarfilmen. Die ostdeutsche Produktion »Coming Out« ist, wie der Name verrät, ein Film über Entdeckung und den Umgang mit der eigenen Homosexualität und war, wohl auch weil der Protagonist ein Lehrer ist, ein gewaltiger Tabubruch, der am Abend des Mauerfalls seine Premiere feierte und auf der Berlinale kurz darauf auch ausgezeichnet wurde. »Stau – jetzt geht’s los« hingegen erzählt die ganz andere Geschichte von rechtsextremen Jugendlichen im gerade wiedervereinigten Deutschland, die als Ostdeutsche in der DDR ihre Ideologie nicht ausleben durften, dies im neuen Deutschland nun aber können. Eine gelungene und sehenswerte Mischung aus Populär und Unbekannt, die uns das Filmarchiv hier passend auftischt und die einlädt, die letzten Jahre der zwei deutschen Staaten auch filmisch ganz neu zu betrachten.

Link: https://www.filmarchiv.at/program/retrospective/brddr/

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