© Stefanie F. Weber
© Stefanie F. Weber

SOHO-Münchhausen zieht sich aus dem Sumpf

Mit der Ausstellung »Wie ist das mit dem guten Leben?« wurden die neuen SOHO Studios in Sandleiten eröffnet. Als »Ankerzentrum« konzipiert, bieten sie den Bewohner*innen des riesigen Gemeindebaus eine Reihe an künstlerischen Möglichkeiten. Das Festival SOHO IN OTTAKRING verabschiedet sich somit.

Schwarz glänzt der Boden in dem Saal mit den Säulen. Sogar der Raum vor den Fenstern wird in die Kunst einbezogen. In leeren Kassettenschachteln stehende kleine Menschen. Türme dieser durchsichtigen Plastikkassettenschachteln. Darüber hängt ein schwarzer Himmel aus alten Kassetten. »Klang ist mein Arbeitsmaterial, Raum ist der Ort, wo dieser Klang wohnt« (2021) heißt diese Installation der Komponistin Angélica Castelló. Eine riesige Epoxidharzwurst hängt an der Decke und reicht bis zum Fenster hinaus. Daneben die Postkarte »Le Saut dans la vide« von Yves Klein, wie er aus dem Fenster des Akademie-Ateliers im Prater fliegt. »Expansion« nennt sich die Arbeit von Moya Hoke. Die SOHO Studios in Sandleiten sind eröffnet. Das bekannte SOHO IN OTTAKRING Festival hat sich nun endgültig neu erfunden. Von einem Festival, das leerstehende Geschäfte bespielte und die Massen anzog, verwandelte es sich in einen fixen Platz für Künstler*innen, die in Sandleiten Ateliers bespielen möchten. Für das neue Konzept hat das SOHO Team von der Stadt Wien nun endlich das ehemalige Kino und das Ex-Pathologische Museum erhalten. Ula Schneider gelang es in jahrelanger Arbeit, die Wiener Kunstschule, die komplett am Verschwinden war, in Sandleiten unterzubringen und neu aufbauen zu helfen. Die Kunstschule zog mit ihren Student*innen mehrmals um, zuletzt in die Räume einer Apotheke.

Sandleitenkino © Bezirksmuseum Ottakring

Endlos hohe Pappeln
An der Wand hängt eine große Zeichnung von Walter Trier aus 1951. Ein Reiter mit Pferd im Sumpf: »Und wir wären rettungslos umgekommen, wenn ich mich nicht, ohne mich lange zu besinnen, mit der eigenen Hand am eigenen Haarzopf aus dem Sumpf gezogen hätte.« Baron Münchhausen, wie er leibt und lebt. Sprüche an die Wand gesprayt: »Ich bin nicht glücklich, aber ich habe kein Problem damit.« Rührend die Geschichte der Künstlerin Stefanie F. Weber, die in ihrer Installation »Wäre es nicht da gewesen« (2021) das »gute Leben in Sandleiten« beschreibt, als sie in den 1980er-Jahren in Sandleiten in dem wunderschönen alten Kindergarten mit riesigem Garten war: »Als Kind erlebte ich diesen Ort als eine unüberschaubar große Einheit mit Brunnen und Pappeln dazwischen. Der riesige Park, der an das Gebäude des Kindergartens anschloss, und seine endlos hohen Pappeln, die sich immer so sanft bewegten.« Nun hat die Künstlerin, die an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Hansel Sato studiert, Bearbeitungen von Fotos, die ihre Mutter machte, auf den Boden gelegt. Eine Art Heimkehr nach Sandleiten: »Ein Kindergarten war immer schon in der Planung des Sandleitenhofes mitgedacht. Was braucht der Alltag des Kindes und was brauchen die Kindergärtner*innen? Damals durfte im Gebäude noch geraucht werden, im Dachkammerl, aber der Rauch schlich sich hinaus.«

SOHO STUDIOS © Mehmet Emir

Ankerzentrum im »Randbezirk«
Was bewog die Stadt Wien, nun doch die Mittel für eine Besiedlung der sehr lange leerstehenden Räumlichkeiten locker zu machen? »Wir passen genau in das Konzept der Kulturstadträtin, in den Randbezirken sogenannte Ankerzentren zu installieren«, lächelt die Pressesprecherin, die selbst Künstlerin ist. Es gelingt doch immer wieder, Menschen, die in Sandleiten leben, einzubeziehen – eine schwierige Aufgabe in diesem Gemeindebau. Stefanie F. Weber arbeitete lange Jahre in der Kindergruppe der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, wo sie u. a. im Bereich der Rhythmik und musikalischen Früherziehung tätig war. »Ich hatte zu fast jeder Gelegenheit ein Lied«, erzählt sie. Dann entschloss sie sich abermals zu studieren. Einen Weg, den man vielen Sandleitner*innen wünscht, die zum Teil in Armut, Arbeitslosigkeit und extrem niedrigen Pensionen versacken. Nun haben sie die Kunstwelt täglich vor Augen. Ob es in ihrem schweren Alltag hilft? »Auf den Fotos sieht man die Füße und das Wasser. Wir hatten eine tolle Betongrube, die manchmal weniger und manchmal mehr mit Wasser gefüllt wurde, in der wir nackert baden durften«, erinnert sich Stefanie F. Weber. An der Wand hängt ein glitzernder Glimmerstein im Bilderrahmen, in blaues Licht getaucht. »Der Glimmerstein besteht aus ganz vielen Schichten und trägt Geschichte in sich, genauso wie unter dem Wasser ganz viel Zivilisationsgeschichte liegt.«

Die Ausstellung »Wie ist das mit dem guten Leben?« ist bis 28. Oktober 2021 jeden Tag von 16:00 bis 20:00 Uhr geöffnet. Liebknechtgasse 30, 1160 Wien.

Link: https://sohostudios.at/

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen