boogarins.jpg
Boogarins

»As Plantas Que Curam«

Fat Possum

Es gehört mitunter zum Schlimmsten in der zeitgenössischen Popmusik, wenn man die 1960er zum verlorenen Paradies erklärt und seine Karriere dann der Revitalisierung des »Spirits« dieser Zeit widmet – als Pop noch vermeintlich unschuldig war. Da mögen die Huldigungen so ehrenwerten Größen wie 13th Floor Elevators oder Pink Floyd gelten: Epigone bleibt Epigone (Idolatrie bleibt Idolatrie?). Warum kann man also Boogarins genau das nicht vorwerfen? Das brasilianische Duo klingt wie die komplett abgespacete, feuchte Traumdeutung all jener, die den Passierschein für den Flötisten an den Toren der Dämmerung suchen und denen bei Wörtern wie »digital« oder »komprimiert« übel wird. Warum will mir der Vorwurf der Leichenfledderei also nicht über die Computertastatur kommen? Wie kann eine brasilianische Band, die eh schon verdächtig nach ihren Landsleuten Os Mutantes klingt, einen Song allen Ernstes »Lucifernandis« nennen, wo doch die besagten Mutanten schon 1968 ein »Ave, Lúcifer« gebetet haben? Die Antwort liegt zu einem erheblichen Teil in der jugendlichen Unbedarftheit der Boogarins. Fernando Almeida und Benke Ferraz, der kreative Kern des Quartetts, haben ihr Debütalbum »As Plantas Que Curam« im Keller der Eltern aufgenommen – wenn sie mal nicht für die Schule lernen mussten. Wer könnte da ernsthaft einen verbohrten Masterplan dahinter vermuten? Freilich, abgebrühteren Bands würden die verstimmten Instrumente und die superräudige Produktion wohl einzig der garagigen Etikette dienen, aber irgendwie sind Boogarins zu dizzy, als dass man ihnen so etwas ernsthaft andichten könnte. Oder schon wieder so shrewd, dass sich keiner mehr was zu sagen traut. Wie dem auch sei, die Zitatkeule schwingt zwar heftig, aber letztlich immer ins Leere. Vielleicht liegt das auch daran, dass »As Plantas Que Curam« ganz einfach ein wirklich beeindruckendes Album ist, unter dessen dickem Mantel aus Psychedelic, Fuzz, Freak Folk und ganz viel Hall sich wunderbare Melodien und tolle Songs, getragen von einer traumhaft schönen Stimme, verstecken. Diese Zutaten sind ganz einfach zeitlos.

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Nach oben scrollen