Cover-Illustration Simon Volpers: »Neue rechte Männlichkeit – Antifeminismus, Homosexualität und Politik des Jack Donovan« © Martha Press
Cover-Illustration Simon Volpers: »Neue rechte Männlichkeit – Antifeminismus, Homosexualität und Politik des Jack Donovan« © Martha Press

Archaischer Männerkult

Spezifische Männlichkeitsinszenierungen sind seit jeher ein wiederkehrender ideologischer Bezugspunkt rechter Bewegungen. Den wachsenden Analysen zu rechten Geschlechtskonstitutionen fügt Simon Volpers nun eine weitere erkenntnisfördernde Fallbetrachtung hinzu.

In seinem Buch »Neue rechte Männlichkeit – Antifeminismus, Homosexualität und Politik des Jack Donovan« zeichnet der Autor Simon Volpers Bestandteile rechter Männerbilder nach und rahmt diese theoretisch. Zugleich beleuchtet er die eigene Selbstinszenierung und Männlichkeitskonzeption des US-amerikanischen Autors Jack Donovan.

Der Mann als Krieger
Donovan stellt eine Art Posterboy für eine soldatische Männlichkeit dar, die auf Härte und Kampfeswillen basiert und sich in kameradschaftlichen Männerbünden organisiert. Besucht man seinen Instagram-Account, sieht man einen durchtrainierten und tätowierten Mann, der seinen muskulösen Körper mittels stark bearbeiteter Bilder inszeniert. Kombiniert wird das Ganze mit Bildern in rauer Natur, mystisch-heidnischen Symbolen oder Waffen.

In Kombination mit seinen Schriften liefert Donovan damit, trotz rebellischem Gestus, ein ästhetisches Angebot für eine recht konventionelle kriegerische Männlichkeitsvorstellung. Er fungiert als Stichwortgeber für eine archaische Männlichkeitskonzeption, die Anklang im heidnischen, maskulinistisch-männerrechtlichen, aber auch rechtsintellektuellen Milieu findet. Wie andere rechte Akteur*innen hebt er dabei die biologische Natürlichkeit von Geschlecht und dadurch begründete vergeschlechtlichte Eigenschaften hervor. Die Notwendigkeit, Geschlecht andauernd zu thematisieren, macht zugleich deutlich, dass Geschlechtlichkeit nicht unveränderlich, sondern immer auch brüchig ist. Es bedarf Aushandlungsprozessen, wie ein Mann zu sein hat.

Die Welt am Abgrund
Donovan imaginiert ein Weltuntergangsszenario und einen damit verbundenen Naturzustand, der den Kampf aller gegen alle vorsieht und in dem Kampf notwendig ist, um die (eigene) Männlichkeit zu sichern. Zentral ist die Organisierung in kleinen homosozialen Stammesgruppen, die sich durch Stärke, Tapferkeit und Ehre auszeichnen. Nach innen gilt ein hohes Maß an Loyalität, nach außen herrscht eine starke Abgrenzung. Es gilt das Recht des Stärkeren, das mit Gewalt durchgesetzt wird, um so die eigene Gruppe und deren Autorität zu statuieren. Absolute Autonomie und Eigenverantwortung sind Bezugspunkte, die sich gut in den rechten Wunsch nach Souveränität einfügen.

Seine Ablehnung der Moderne beinhaltet gleichzeitig die Hinwendung zu Spiritualität und Heidentum, die sich von einer vermeintlich verweiblichten und multikulturellen Gesellschaft abgrenzen. Trotz der Bezugnahme auf die Natürlichkeit von Geschlecht bedarf es Anlässen, um die eigene Männlichkeit zu erfahren, wie Arbeit und Sex. Insbesondere letzteres gilt Donovan als Möglichkeit, in Verbindung mit der eigenen animalischen Natur zu treten, was auch für den Wettstreit gilt. Schwäche, ein zu hohes Maß an Emotionalität und ein Mangel an Durchsetzungskraft werden abgelehnt. Als Negativfolie gelten Frauen und schwule Männer.

Liebe zu Männern und Männlichkeit
So weit, so gewöhnlich. Jack Donovan macht jedoch gleichzeitig aus seiner eigenen Homosexualität keinen Hehl. Deren identitäre Verfestigung lehnt er jedoch ab, denn sein Begehren unterscheide sich von anderen Männerfreundschaften nur darin, dass in diesem auch Sexualakte eine Rolle spielen. Während er die schwule bzw. queere Szene als zu verweiblicht, dekadent und durchkommerzialisiert ablehnt, vertritt er das, mittlerweile teilweise von ihm selbst revidierte, Konzept der Androphilie, die er als Liebe zum Mann und zur Männlichkeit rahmt. Er sucht damit nach einer Männlichkeit, die in schwulen Kreisen nur auf einen Fetisch reduziert werde. Betrachtet man seine visuelle Selbstinszenierung, fragt man sich jedoch unweigerlich, ob diese nicht ziemlich genau der zuvor kritisierten Fetischisierung entspricht.

Die Verbindung von Begehren und Ideologie erfolgt bei Donovan durch eine Hypermaskulinität, die die eigene Männlichkeit betont und gleichzeitig mit Weiblichkeit assoziierte Eigenschaften verdrängt und abwertet. Er versucht, die Integration von mann-männlichem Begehren dadurch zu erreichen, dass er auf den Vorwurf der schwulen Unmännlichkeit mit einer Aufladung der Homosexualität und Stärke reagiert. So definiert er den oftmals mit Unmännlichkeit assoziierten passiven Analverkehr als etwas, was ebenfalls männliche Eigenschaften in Form von Zähigkeit und dem Ertragen von Schmerzen erforderlich macht.

Donovan charakterisiert die queere Szene einerseits als zu durchkommerzialisiert und zugleich als zu sozialistisch. Eine berechtigte Kritik an gesamtgesellschaftlicher Entfremdung und dem teilweisen verdinglichten Umgang innerhalb der Szene miteinander findet jedoch nicht statt. So schreibt er: »I am not gay because the word gay connotes so much more than same-sex desire. The word gay describes a whole cultural and political movement that promotes anti-male feminism, victim mentality, and leftist politics. As a man, why should I treat men as oppressors and masculinity as a universal evil? Why must I constantly think of myself as a struggling minority when I’m doing fine? And what does socialism have to do with who I think is hot?« (S. 108)

Geschlecht als soziale Praktik
Donovans Homosexualität lässt sich für heterosexuelle Rechte verschmerzen, insbesondere da jene durch den Mangel an Androgynität nicht an den eigenen Geschlechtskonzeptionen zweifeln lässt.1 Homosexuelle Männer hätten den Vorteil der Unabhängigkeit von Frauen und könnten dadurch den Männerbund als absoluten Lebensmittelpunkt definieren. Er bedient damit gleichzeitig Wünsche nach einer Männlichkeit, die sich von allem abgrenzt, was mit Weiblichkeit im Zusammenhang steht. Frauen werden objektifiziert und auf deren Reproduktionsfähigkeit reduziert. Frauen würden vielfach dafür sorgen, dass sich Männer aus der Stammesorganisation lösten und Frauen diese in eine heimelige Häuslichkeit drängen würden. Gleichzeitig hebt er jedoch auch hervor, dass Frauen für ihn durchaus Gefährtinnen gewesen sind und somit grundsätzlich in sein rechtes Projekt integrierbar seien.

Volpers Fallstudie arbeitet heraus, inwiefern Geschlecht, trotz Rekurs auf die Zentralität einer vermeintlichen Natürlichkeit, immer auch über soziale Praktiken hergestellt werden muss. Mit Donovan porträtiert er einen populären Wiedergänger einer archaischen Männlichkeitsvorstellung und deren zeitgenössische Repräsentationsformen. Der Autor hilft damit auch zu verstehen, wie marginalisierte Persönlichkeitsanteile in rechte Zusammenhänge integriert werden können, solange sie die Koordinaten dieser Weltsicht in Form der Ablehnung der Moderne, Antifeminismus und Bejahung einer kriegerischen Männlichkeit nicht grundsätzlich in Frage stellen.

1 Dass sich Homosexualität und rechte Ideologie auch historisch nicht ausschließen, beschreibt Volpers exemplarisch am früheren SA-Chef Ernst Röhm und dem Neonazi Michael Kühnen. Diese Beispiele ließen sich mit Personen wie dem britischen Neonazi-Skinhead Nicky Crane oder dem niederländischen Politiker Pim Fortuyn weiter fortsetzen. Erhellende biografische Portraits liefert in diesem Zusammenhang die Podcast-Serie »Bad Gays«.

Simon Volpers: »Neue rechte Männlichkeit – Antifeminismus, Homosexualität und Politik des Jack Donovan«. Marta Press 2020, 197 Seiten, EUR 24,00

Link: https://www.marta-press.de/themen/rechtsextremismus-antifeminismus-rassismus/89/neue-rechte-maennlichkeit.-antifeminismus-homosexualitaet-und-politik-des-jack-donovan

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