Zwei Extreme. Placido Domingo erklettert die Bühne und gibt »Blue Suede Shoes« zum Besten. Geht nicht, oder? Nichts gegen das Tenorkehlchen, aber was gerotzt werden muss, muss gerotzt werden. Was gelebt werden muss, darf nicht deklamiert, nicht bloß vorgetragen werden. Du bist der Song oder du bist es nicht. Umgekehrt: Wenn sich Sonic Youth »Die Entführung aus dem Serail« vorknüpfen würde, könnte man sich das Resultat auch nur als ausschließlicher Kollateralschaden vorstellen. Was aber passiert, wenn der mehrfach preisgekrönte Sänger, Komponist und/oder Grenzgänger Theo Bleckmann sich die Songs von Kate Bush vorknöpft? Im Grunde wird die Sache dadurch doppelt kompliziert, denn beide Enden dieser Geschichte sind, um es mit einem Beinahewort des Jahres zu bezeichnen, »ergebnisoffen«. Einerseits findet Bleckmann als intellektueller Interpret natürlich immer seinen eigenen Zugang zur Musik, andererseits beruhen die Songs von Kate Bush zwar auf unverwüstlichen Popmelodien, zugleich tüftelt die gute Frau an ihren Werken mitunter länger herum als so mancher klassischer Komponist. Mit anderen Worten, in der Musik von Kate Bush ist schon alles involviert, der Placido und die blauen Seidenschuhe, der Kunstanspruch und der blanke Pop. Von dort weg irgendetwas mit dieser Musik zu machen, funktioniert meist nur durch eine radikale Entschlackung auf den eigenen Status Quo (ist etwa den Futureheads sehr schön mit »Running Up That Hill« gelungen). Bleckmann will den Songs aber kaum Gewalt antun, er will sie nicht zu seinen Songs machen, er will sie, wenn schon, genauso kunstfertig behandeln, wie das Mme. Bush selbst tut. Nur halt ein wenig anders (meint nicht »männlicher« in diesem Fall). Das ist über weite Strecken der falsche Zugang und erzeugt nur wenige wirklich spannende Momente. Und viel mehr Momente, wo man das Original einfach nicht aus dem Kopf kriegt. Das ist schade irgendwie ?? und ganz sicher auch eine Geschmacksfrage. Aber keine Sorge: Wer Kate Bush liebt, mag die CD trotzdem. Und wer Kate Bush nicht mag ?? der hätte gar nicht erst bis hierher gelesen.
Theo Bleckmann
»Hello Earth: The Music Of Kate Bush«
Winter & Winter
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