Der Autor dieser Zeilen wohnt derzeit in Manchester und da die Musikszene dort auch schon einmal mehr blühte als heute, war ein Trip zum eintägigen Field Day Festival im Londoner Victoria Park nur billig. Sogar das Wetter meinte es gut und so begab man sich also am frühen Samstagnachmittag mit Freundin und der in Hackney lebenden Schwester auf das in Sonne getauchte Festivalgelände. Hätte keine einzige Band gespielt, es wäre immer noch höchst unterhaltsam gewesen, schließlich sind die Briten (vor allem deren weibliche Bevölkerungshälfte) eine lebende Datenbank für Soziologie, Fashion Studies, und die Sexualwissenschaften zugleich. Ob krasse modische Verirrung, öffentlicher Kokainkonsum oder peinliche Entblößung im umnachteten Zustand, den Leuten dort ist wirklich nix zu dumm. Anders gesagt: Field Day, das ist Nova Rock mit gutem Line-Up. Für Unterhaltung war also abseits des Bühnengeschehens gesorgt, doch als satte 50 Pfund Sterling bezahlende Festivalkundschaft wollte man dann doch auch die eine oder andere Band sehen. Allein, welche? Diverse Blogs bemängelten schon im Vorhinein die »worst clashes« des Field Day und tatsächlich wurde es dem Musikfreund nicht leicht gemacht. Metz auf der Shacklewell Arms-Stage? Oder doch lieber rüber zur Village Mentality-Stage und James Yorkston ansehen? Warum nicht gleich Hype-DJ Seth Troxler auf der Bugged Out!-Stage? Oder doch noch ein Cider unterwegs?
Savages, Ginger Baker …
Die letztgenannte Option wurde gewählt und so ging es für uns nach verspäteter Ankunft mit Charlatans-Chef Tim Burgess los. Der 45-jährige Mancunian tat mit seinem luftigen Indie-Britpop keinem weh, so richtig zu fesseln vermochte er allerdings auch nicht. Zumindest verkürzte Burgess das Warten auf den Auftritt des wohl verheißungsvollsten Acts des bisherigen Jahres, Savages aus London. Die Band lieferte eine Spitzenshow ab, die in ihrer Dringlichkeit das eh schon dringliche Debütalbum »Silence Yourself« noch überbot. Ganz in schwarz gekleidet zeterten und tobten die vier Frauen auf der Bühne als ob es kein Morgen gäbe. Man darf gespannt sein, wie Savages erst in Clubs ankommen. Ruhiger ging es später auf der etwa zehn Gehminuten entfernten, vom Edelmagazin »The Quietus« unterstützten Village Mentality-Stage zu. Als irgendwie-doch Classic Rock-Fan konnte man sich den alten Ginger Baker ja fast nicht entgehen lassen. Der eben erst mit einem Dokumentarfilm gewürdigte ehemalige Cream-, Blind Faith- & Hawkwind-Zeugler kam mit funky Jazzband zum Field Day und das war durchaus hörenswert. Keine halbstündigen Drumsolos (war zufällig noch jemand bei Billy Cobham vor zwei Jahren im Porgy & Bess?), eine knackig-groovige Band mit Bläsersatz und viel Freude am Spielen. Erstaunlich eigentlich, dass sich unter den ganzen Bubis und Mädis mit wackelnden Milchzähnen auch für so etwas genügend Publikum fand. Und schon ging es wieder quer durchs Festivalgelände zurück zur Laneway-Stage, wo gerade Kurt Vile eine psychedelische Messe las. Der 32-jährige Schlurf-Rocker, der in einem Deep Purple-Biopic David Coverdale spielen könnte (man denke sich einfach die 1980er weg) hat mit seinem neuen Album »Wakin On A Pretty Daze« die Gunst so mancher Kritiker erobert. Sein Auftritt war solide bis sehr gut, wenngleich das Rezept Shoegaze + Psychedelik-Wumme x Feedback-Ekstase = leiwander Spacetrip natürlich auch schon ein wenig abgelutscht ist.
Django Django, Animal Collective
Nach einem viel zu teuren Burger mit faschiertem Laberl und Analogkäse macht man sich also keineswegs gesättigt auf den Weg zur Eat Your Own Ears-Stage, um dem Auftritt der Hype-Band Everything Everything beizuwohnen. Doch wie sagten schon Public Enemy? Glaub dem Rummel nicht! Der verkopfte Tick, Trick und Track-Rock mit Fähnlein Fieselschweif-Diplom dieser vier Engländer war höchst strapaziös. Wenn man bedenkt, dass Everything Everything in der Wiener Stadthalle laut Zeugenaussagen dem Headliner Muse die Show stahlen, mag man sich gar nicht ausmalen was Matt Bellamy & Co auf der Bühne so alles anstellen. Danach waren sogar Daughter genießbar, doch erstens fing deren Konzert verspätet an und dauerte zweitens dann nur 20 statt der geplanten 50 Minuten, obwohl laut Timetable noch Spielraum gewesen wäre. Ohne Erklärung warum und wieso wurden die enttäuschten Fans ihrer Ahnungslosigkeit überlassen. Zumindest hatte die Band noch die Suizidhymne »Youth« gespielt, die live ungefähr so langweilig war wie auf dem überbewerteten Debütalbum »If You Leave«. Ville Valo soll schon ganz geil auf eine Kollaboration sein. Nach einem Zwischenstopp beim Zuckerwattestand (mmhhh …) folgten die eigentlichen Headliner des Festivals, Django Django. Deren Mix aus Devo-Schmäh, Hot Chip-Coolness und jugendlichem Popdurst katapultierte sie zu Recht in diverse Bestenlisten des letzten Jahres, inklusive einer Nominierung für den Mercury Prize. Schon lange nicht mehr hat eine junge Band derart erfrischend-naiv und doch edgy geklungen. Hoffentlich kommen die mal nach Österreich. Das Festival beendet haben schließlich die Fadgas-Experten Animal Collective. Was an denen jeder so spannend findet, blieb auch an diesem Abend ungeklärt. Die Musik kann es jedenfalls nicht sein. Lustlos spulten die New Yorker ein Programm herunter, das eher einer Vorlesung als einem Konzert glich. Das Publikum, mittlerweile in bedenklichem Zustand eingepegelt, passte dann auch nicht mehr wirklich auf und man wäre ohne viel Drängeln leicht in die erste Reihe gekommen. Nach viel animalischem Tamtam und wenig kollektiver Musik auf der Bühne wurde die zugedröhnte Masse schließlich in die laue Nacht entlassen. Ein denkwürdiges Festival.