Es ist eine herausstechende Besonderheit, wie georgische Frauen die Schachwelt vom Erringen des Weltmeisterinnentitels durch Nona Gaprindaschwili 1962 bis zum Abtreten desselben durch Maia Tschiburdanidse 1991 dominierten. Und das mitten in der Zeit des Kalten Krieges. Tatia Shkirtladze erzählt diese besondere Verflechtung von Ereignissen ganz wundervoll in ihrem Debütfilm »Glory to the Queen«, der am 4. September 2020 seine Premiere beim CinéDOC Festival Tbilisi feierte. Der offizielle österreichische Kinostart ist am 5. Februar 2021 geplant. Der großartige Streifen lief aber in der Österreichpremiere schon beim Filmfestival für Menschenrechte This Human World und soll hier nun auch zwecks seiner ganz speziellen Thematik, die weit über die Schachwelt hinausgeht, besprochen werden. Inwiefern der Film auf so besondere Weise eine Diskussion über Schach, Feminismus und Identität provozieren kann, ohne es bewusst zu inszenieren, erfahren wir im Gespräch mit der Künstlerin und Regisseurin Tatia Skhirtladze.
skug: Wie bist du zu dem Thema gekommen und woher kam die Motivation dazu, einen Film zu machen?
Tatia Shkirtladze: Auf dieses Thema bin ich in Österreich aufmerksam geworden – abseits natürlich meiner Erfahrungen und meiner Verbindung durch mein Leben in Georgien. Ich habe an der Universität für angewandte Kunst studiert, wo ich 2002 ein Seminar besuchte, in dem es um Xenographien ging. Und in diesem hatten wir eines Tages einen Gastvortragenden: den Kunsttheoretiker Ernst Strouhal. Und weil er mit uns in diesem Rahmen gearbeitet hat, lernten wir uns kennen und er fragte mich unter anderem, woher ich komme, woraufhin ich Georgien sagte. Ernst Strouhal war die einzige Person, seit ich 1999 nach Österreich gekommen bin, die, nachdem ich gesagt habe, dass ich aus Georgien komme, nicht impliziert hat: Russland, Stalin, Sowjetunion! Er sagte: Ah, Frauenschachspielerinnen! Und er kannte die Namen von meinen vier Protagonistinnen, den Sowjet-georgischen Schachspielerinnen Nona Gaprindaschwili, Nana Alexandria, Maia Tschiburdanidze und Nana Iosseliani. Diese Identifikation ist wirklich in meinem Kopf stecken geblieben! Die ersten 15 Jahre meines Lebens – ich bin 1976 geboren – bis die Sowjetunion auseinandergefallen ist, waren diese Frauen Schachstars, zwei davon Weltmeisterinnen, das heißt, für mich waren sie ganz normale Frauen, die eben total gut Schach spielten. Und dementsprechend war Schach auch ein absolutes Frauenspiel für mich! Diese Identifikation, die Ernst Strouhal angesprochen hat, fand ich einfach cool! Denn es war etwas anderes! Das ist hängen geblieben und hat, wie man jetzt sieht, dann lange in mir gearbeitet. Ich bin dann zu diesem Thema zurückgekommen, weil ich 2012 zufällig mit meinem Handy etwas aufgezeichnet habe: Das war Judith Polgar, die als stärkste Schachspielerin der Welt gilt, eine Nachfolgerin der Generation meiner Protagonistinnen, die im Wienmuseum im Simultanspiel gegen 24 Männer spielte. Die Aufnahme habe ich noch. Sie ist aber nicht in den Film reingekommen, warum auch immer, das ist eine andere Frage. Ich dachte mir jedenfalls damals, das wäre ein Prolog für meinen Film zum Thema Schach, wenn ich einen so persönlichen Film hätte machen wollen. Und dann habe ich 2013 erstmals die Schachföderation in Georgien besucht. Da hat es angefangen. Langsam begann ich, genauer zu recherchieren.
Spannend, dass das aus so einer Identifikationsfrage entstanden ist. Ich finde, dass das sehr stark in deinem Film rüberkommt. Gerade die Szenen, wo du andere Frauen zeigst, die nach diesen wichtigen Schachspielerinnen benannt sind, haben dem Film eine sehr starke Identitätskonnotation gegeben!
Dieser Film war sehr »magic«: Die Recherche war zwar sehr lange und ich habe viel dafür gearbeitet, aber irgendwie ist es dann geschehen, dass viele Dinge einfach von allein passiert sind. Zum Beispiel die Namensvetterin und Zugbegleiterin, die am Ende des Filmes vorkommt. Die war während des Drehs zufällig da. Wir haben sie nicht gesucht, sie war einfach da. Das ist das Schöne, wenn man Dinge macht, weil man eine Leidenschaft dafür hat: Es nimmt einen eigenen Lauf und es passt plötzlich vieles zusammen.
Das Gefühl habe ich auch oft. Dass es manchmal besser ist, mit einer offenen Vertrautheit an solche Themen heranzugehen, die getrieben ist von Leidenschaft, anstatt von einem sturen Plan. Klarerweise braucht jeder Film einen Rahmen, aber ich habe manchmal das Gefühl, dessen Inhalt kann sich auch wie das Motiv eines Bildes entfalten. Als du den Film konzipiert hast, wolltest du an eine bestimmte Konklusion heranführen?
Wichtig war, dass ich das Thema großartig fand. Meine Protagonistinnen sind wirklich populär und man kennt sie einfach in Georgien und der ehemaligen Sowjetunion (die neue Generation vielleicht weniger). Dazu sollte ich aber zwei Dinge anmerken: Einerseits wurden sie meiner Meinung nach von männlichen Schachspielern nicht ganz ernst genommen, weil sie »nur« Frauenschachspielerinnen waren, obwohl sie im Schnitt viel besser gespielt haben. Das war das eine, wo ich einfach fand, dass das ungerecht ist. Ich wollte, dass die Geschichte, ihre Geschichte, ein Publikum bekommt, und zwar eines, das nicht nur aus Georgien oder aus der ehemaligen Sowjetunion oder »nur« aus der Schachwelt ist. Zur Frage der Konklusion. Es ist so: Diese Frauen hatten ihren Beruf auch als Leidenschaft und sie haben einfach damit gelebt. Sie waren aber nicht primär diejenigen, die es intellektuell verinnerlicht hatten, dass sie emanzipatorisch wirken oder dass sie Beispiele für andere sein können. Dass ihre Errungenschaften für andere Frauen ein Beispiel, ein Impuls, ein Empowerment sein könnten. Das haben sie überhaupt nicht vergegenwärtigt. Sie sprechen über dieses Thema auch nicht! In der Sowjetunion ging es nicht um Empowerment von Frauen, sondern z. B. wenn man gesehen hat: diese Frau ist begabt und kommt aus einfachen Verhältnissen, dann hat man sie unterstützt und gepusht und auch als Propagandamittel eingesetzt. Aber nicht, weil es darum ging, Frauen zu fördern, dass sie sich selbstständig machen und neue Wege gehen. Man sieht ja auch in den sowjetischen Archiven, die im Film verwendet werden, wie sie porträtiert wurden: Als Blumenmädchen, beim Backen etc. Das ist ein Wahnsinn! Als ich dieses Material gesehen habe, habe ich mir gedacht: Das kann doch nicht wahr sein! Ich habe einiges an Archivaufnahmen deswegen nicht verwendet, weil diese explizit erotische Darstellungen waren. Die habe ich deswegen nicht gezeigt, weil diejenige von vier Schachspielerinnen, die diese Darstellungen betraf, damit nicht einverstanden gewesen wäre! Generell war mir einfach wichtig, zu zeigen, dass man die Freiheit, die Selbstbestimmung leben kann. Oft braucht es jemanden anderen, um darauf aufmerksam zu machen und dies zu besprechen. Ich glaube, nach 30 Jahren wird mein Film versuchen, diese Diskussion auszulösen.
Ich finde es spannend, dass du das jetzt erzählt hast. Ich bin mit der Erwartung in den Film hineingegangen, dass es da um vier feministische Ikonen geht, die sich in einer männlich dominierten Schachwelt durchsetzen. Aber wie du eben sagst, wurde das eigentlich gar nicht von den Frauen selbst dargelegt. Sondern sie waren es einfach, sie haben es einfach gelebt, ohne den Prozess dieser Emanzipation irgendwie besonders zu reflektieren, sondern sind einfach schon mit einer gewissen Selbstverständlichkeit daran herangegangen. Gerade heutige Diskussionen über die Frauenquote drehen sich ja im Allgemeinen meistens um diese erhoffte Selbstverständlichkeit.
Es gibt Feinheiten, die bei diesem Thema sehr wichtig sind. Ich bin etwa überzeugt davon, dass, wenn Frauen dazu kommen würden, etwa viele Filme zu machen und Themen zu bestimmen, dass dadurch die Realität anders würde, sich wandelte. Aber in erster Linie müssen sie dazu kommen. Eine Frau wie Nona, die ihr Leben lang nie zugegeben hat, dass sie schwächer wäre als ein Mann, ist großartig, Sie hat immer gesagt: »Ich hatte auch andere Aufgaben, ich musste auch auf mein Kind schauen, mich um den Haushalt kümmern, weshalb ich nie meine vollständige Potenzialität entfaltet habe. Weil mich die soziale Realität dazu gezwungen hat.« Sie hätte aber nie gesagt: »Ich bin weniger clever oder gut.« Und ich glaube, wenn Nona in unserer Zeit berühmt wäre, wäre sie in dieser Hinsicht ganz anders an die Öffentlichkeit getreten. In ihrer Zeit hat sie das soweit sie konnte explizit ausgesprochen und gelebt. Wenn ich gefragt habe: »Nona, wie denken Sie, hat Ihre Berühmtheit, haben Ihre Errungenschaften auf andere Generationen gewirkt?«, sprach sie da ja nur über Schachspielerinnen! Das ist dann immer so ironisch, wenn man bedenkt, wie viele Leute sie beeinflusst hat und trotzdem spricht sie nur über Schachspielerinnen.
Es ist sehr schön, wie viele parallele Bilder es sind, die du in dem Film erzeugst. Gerade weil du die vier Eigenerzählungen der Protagonistinnen für sich sprechen lässt. Und gleichzeitig zeigst du die anderen Frauen, deren Eltern so stolz darauf waren, ihr Kind nach diesen wichtigen Frauen zu benennen. Das zeigt ein schönes Gesamtbild. Aber man muss schon auch den kritischen Aspekt deines Films berücksichtigen, dass du eben schon auch die vorhin erwähnten alten Archivaufnahmen einspielst und in deine Narrative einbeziehst. Du erzählst trotzdem, welches Frauenbild abseits des Ruhms dieser Frauen allgegenwärtig war! Die vier haben zwar ihr Ding gemacht, aber vor dem Hintergrund eines immer noch sehr diminuierenden Frauenbilds. Das ist dieses besondere Dreigespann in deinem Film: die Eigenerzählungen, die Fremderzählungen und die geschichtliche Eingliederung. Wie lange hast du die vier Protagonistinnen begleitet?
Seit 2013. Ich lebe in Österreich, bin aber immer wieder nach Georgien gereist und habe langsam angefangen. zu recherchieren und auch in den Archiven zu schauen, visuelles Material zu sammeln. Das alles, bevor ich die Frauen getroffen habe. Das erste Interview mit den Frauen habe ich 2016 geführt. Sie kannten mich nicht. Ich habe ihnen von der Begegnung mit Ernst Strouhal erzählt und da haben sie sich sehr gefreut. Beim darauffolgenden Treffen habe ich ihnen ein System vorgeschlagen, wie ich die Interviews machen und sie dabei filmen könnte. Ich hatte damals noch nicht vor, einen Dokumentarfilm zu machen. Ich wollte eigentlich eine Videoinstallation machen, weil ich ja von der Kunst kam. Ich wollte eine 4-Channel-Videoinstallation machen, die ich auch machte! Ich habe ihnen ein System vorgeschlagen: Es gibt im Archiv Material, in dem alle vier Schachspielerinnen miteinander dasitzen. Zwei in der Mitte auf einem Sofa, zwei seitlich in Sesseln. In der Mitte steht ein Kaffeetisch mit einem Schachbrett und Figuren. Sie sprechen zu Tee und Kaffee darüber, wie sie gerade gespielt haben. Sie spielten damals bei einer Olympiade und hatten gerade ein Spiel hinter sich und haben dieses Spiel quasi vor der Kamera zu viert analysiert. Weißt du, früher haben sie als Team gemeinsam gespielt, sie waren aber auch verbissene Gegnerinnen. Inzwischen sind mehr als 30 Jahre vergangen. Zwei von vier haben aus politischen Gründen nicht mehr miteinander gesprochen. Also habe ich gesagt: »Schaut, ich will euch einzeln interviewen, am gleichen Ort, und dann während der Montage stelle ich die Interviews so zusammen, als ob ihr miteinander sprechen würdet, obwohl ihr das nicht tut.« Dieses System hat ihnen jedenfalls allen gefallen. So hätte man die Illusion, dass sie zu viert dasitzen, was überhaupt nicht der Fall war, und das fanden sie auch gut. Sie fanden das irgendwie schön, dass nicht ihre Einheit suggeriert wird, sondern dass man einfach sagt: Diese vier waren mal, aber die sind jetzt einzelne Individualistinnen, sie haben jetzt nicht besonders etwas anderes gemeinsam, außer Schach. Alle vier haben mir zugesagt, so gefilmt zu werden. Und das war der Anfang. Ich habe dann 2017 in Berlin bei der Ausstellung »Pop-Up Chess Palace – Über Architektur, Ideologie und Schach« diese Installation gezeigt. Vier Monitore, vier Frauen. Die Videos auf vier Monitoren sind parallel nebeneinander gelaufen. Im Parallellauf entstanden so immer unterschiedliche Kombinationen der Bilder und Inhalte. Ein bisschen wie im Schach!
Weil du gerade Individualistinnen sagtest: Das ist ja nicht verwunderlich, wenn man jetzt einfach Schach als Spiel betrachtet. Schach suggeriert ja auch einen starken Individualismus. Klar, wenn du auf Wettbewerben bist, dann siehst du Leute, aber prinzipiell ist Schach ein Sport, den du sehr viel mit dir selbst ausfichtst. Das ist vielleicht auch gerade in der emanzipatorischen Frage zu berücksichtigen.
Das stimmt, da hast du recht.
Es wäre auch eine Frage an dich gewesen: inwiefern die Rolle von Schach speziell in ihrer emanzipatorischen Funktion verstanden werden kann. Aber vielleicht ist es genau diese Form von emanzipatorischer Funktion, wie sie die vier Protagonistinnen in ihrer Individualität gelebt haben. Ohne jetzt eine »Bonding-Experience« mit anderen Frauen zu haben. Denn vermutlich ist das genau die Art und Weise von emanzipatorischem Fortschritt, die Schach einfach als Spiel provoziert.
Ja, sehr interessanter Gedanke!
Aber sie haben ja doch gleichzeitig in der Doku wie eine Einheit gewirkt. So wie sie im Film inszeniert wurden!
Es wurde überhaupt nichts gestellt! Genau das ist es! Sie sind wie eine Einheit, das ist das Großartige dran! Der erste Satz der Loglines meines Films war einmalig: »The four female chess stars from Soviet era live in one city, ›loving and hating‹ each other…«. Obwohl sie fast Jahrzehnte lang Konkurrentinnen waren, lieben sie sich heiß! Und die zwei, die nicht miteinander gesprochen haben, taten dies nicht wegen der Konkurrenz, sondern aus politischen Gründen. Sie haben aber »finally« miteinander geredet während dieser Zugfahrt, die am Ende des Films zu sehen ist (und welche wirklich vier Stunden lang gedauert hat). Und bevor wir den Zug bestiegen haben, hat Nona Gaprindaschwili gesagt: »Das ist eine historische Fahrt, weil wir zu viert in diesem Zug sitzen.« Diese Frauen sind ja von den großen Turnieren sehr oft mit Zügen zurückgekehrt, einmal sieht man das ja auch im Film als Archivmaterial! Die letzte Szene, wo sie zu viert aussteigen, ist eine der wenigen Szenen im Film, die gestellt ist. Da habe ich mir als Regisseurin einmal die Freiheit genommen etwas zu inszenieren! Genauso auch dort, wo der Zug an den Namensvetterinnen auf der Plattform vorbeifährt.
Weil du die Archiv-Zugszene erwähnt hast, wo Nona gerade von einem Wettbewerb zurückkommt, das ist ja wirklich beeindruckend, welche Massen da erwartungsvoll gestanden sind! Was macht die Beziehung von Schach und Georgien aus? Wie kommt es, dass gerade in Georgien so ein Hotspot des Schachs entstanden ist?
Da gibt es mehrere Gründe, die ich mir teils denke, teils weiß: Es ist überliefert, dass die Bräute in Georgien als Mitgift ein Schachset bekommen haben. In den fürstlichen Kreisen im 16./17. Jahrhundert wurde Schach vielleicht durch den persischen Einfluss als Spiel groß. Aber ich würde jetzt gar nicht zu sehr in diese Richtung spekulieren. Für diese »Epoche« von 30 Jahren, in denen Sowjet-Georgien den Frauenweltmeisterinnentitel hielt, ist natürlich Nona Gaprindaschwili samt ihren Siegen ausschlaggebend. Es ist ihr Verdienst, dass alle anderen dann quasi irgendwie »nachrückten«. Also, für diese enorme Popularisierung hat sie viel beigetragen! Aber Nona hatte auch mehrere Momente in ihrer Biografie, die wichtig waren. Nona ist in einer Familie von Pädagog*innen aufgewachsen, also ihre Eltern waren Lehrer*innen. Sie ist, wenn ich mich nicht irre, mit vier älteren und einem jüngeren Bruder in diesen Verhältnissen aufgewachsen, und weil die Schach gespielt haben, hat sie auch mitgespielt. Das ist das eine. Aber die westgeorgischen Stadt Sugdidi, wo Nona geboren ist, war im 19. Jahrhundert Sitz der Fürsten Dadiani, dessen Sohn Andria Schachspieler und Schachmäzen war. Und ich glaube, dass das sehr stark auch die kulturelle Entwicklung dieser Stadt mitbestimmte. Zweitens war natürlich auch die Sowjetunion wichtig, die Schach als eine der intellektuellen Sportarten qualifiziert hat, weil Lenin diese als »Gymnastik des Verstandes« sah oder weil Stalin gerne Schach gespielt hat. Es gab Schachclubs und man hat in Schulen richtig nach Talenten gesucht. Und so war es auch mit dem einen Trainer, der Nona entdeckt hat. Als Schülerin ist sie bei einem Schachturnier statt ihrem Bruder aufgetreten, weil der gerade eine Prüfung hatte und nicht konnte. Sie ist einfach eingesprungen und hat dann eben supergut gespielt.
Blöde Frage, aber: Wie ist es mit Männern und Frauen im Schach bei Turnieren?
Es gibt Frauen- sowie Open-Turniere, wo Männer spielen und die Frauen mit hohen Elo-Zahlen auch. Wie das damals war, weiß ich nicht genau. Aber Nonas Bruder konnte nicht spielen und Nona durfte einspringen und da wurde sie dann von diesem Trainer entdeckt, welcher den Eltern nahelegte, dass sie nach Tiflis ziehen, in eine Schachschule kommen und trainiert werden sollte. Und das haben sie dann tatsächlich gemacht. Sie lebte bei ihrer Tante in Tiflis und ich glaube, bereits 1956 hat sie die georgische Frauenmeisterschaft gewonnen.
Wir reden zwar schon die ganze Zeit darüber, aber ich finde diese Dreierkonstellation so spannend: Erstmal geht’s um Georgien ganz spezifisch, dann aber eben um diese spezielle Zeit vor der Auflösung der Sowjetunion und die Tatsache, dass sich alles um Frauen dreht!
Ja, diese Konstellation wird durch Schach noch spannender. Schach wird nach wie vor getrennt gespielt und es wird dauern, bis das nicht mehr so ist.
Was ja an sich absurd ist. Bei physischen Sportarten kann man das noch irgendwie nachvollziehen, weil die körperliche Konstitution einfach anders ist und deswegen im Wettbewerb die Vergleichbarkeit unfair wäre! Aber bei Schach?
Das wird sich ändern! Je mehr Frauen spielen werden. Im Moment spielen einfach immer noch viel weniger Frauen im Prozentsatz. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, dass Frauen genauso gut spielen können wie Männer. Es ist nur so, dass sie einfach zu wenige sind, die aktiv spielen.
Sozusagen als Repräsentationszweck mehr Frauen dazu zu bringen, zu spielen, braucht es diese Separation noch, damit es durch diese Trennung eine größere Motivation ist, überhaupt anzufangen? Könnte das so sein?
Schach war lange Männerdomäne und ist es noch und das ist der Grund dieser Separation. Es gibt erstmals wenige Versuche, diese aufzuheben. Hast du von der Netflix-Serie über Schach gehört?
»The Queen’s Gambit«?
Das scheint Schach populär zu machen und vor allem mehr Frauen fangen dadurch an, zu spielen!
Irgendwas bewegt sich gerade. Wenn sogar Netflix eine Serie darüber macht!
Ich betone es gerne, dass mein Film früher erschienen ist. Ich hatte meine Premiere am 4. September 2020. Die Netflix-Serie ist im Oktober herausgekommen. Wenn du meinen Film gesehen hast und dann die Serie siehst, wirst du aber bemerken: Es gibt so viele Überschneidungen! Natürlich ist die Netflix-Serie auch ein Märchen, aber meine Protagonistin Nona Gaprindashwili wird dort etwa auch erwähnt!
Das habe ich in einem Artikel über deinen Film gelesen!
Mein Film wurde schon in einem Artikel in der »Washington Post« zitiert. Es ist ein gutes Timing, das gefällt mir! Netflix macht PR für meinen Film!
Ganz ehrlich: Gerade in diesem Corona-Jahr haben mir echt mehrere Leute in meinem näheren Umfeld gesagt, dass sie angefangen haben, Schach zu spielen. Hast du persönlich eine Verbindung zu Schach außer deiner Verbindung zu Georgien?
Ich kann die Züge und manchmal habe ich gespielt, aber keine unbedingte Leidenschaft. Aber das war auch ganz gut während des Filmemachens, weil meine Protagonistinnen tendieren dazu, viel über Schach und Spieldetails zu sprechen, und da haben sie dann irgendwann bemerkt, dass ich mehr über ihr Leben erfahren will und »keine Ahnung« von Schach habe. Das war eigentlich gut.
Als abschließende Frage vielleicht: Welche Rolle hat denn Schach heute noch in der georgischen Gesellschaft?
Schach spielt nach wie vor eine große Rolle in Georgien. Es ist populär, es werden viele Turniere organisiert, es gab eine Weltmeisterin im Blitzschach, Nana Dsagnidse. Bei der Olympiade 2018 haben Georgierinnen den dritten Platz eingenommen. Das heißt: Frauen sind nach wie vor stark!
Sorry, wenn ich da nochmal nachhake, aber gibt es irgendeinen Ursprung, warum gerade Frauen hier von Anfang an ein »Standing« haben, oder hat das wirklich alles mit der Entwicklung seit Nona zu tun?
Ich glaube, das hat wirklich hauptsächlich mit dieser Entwicklung zu tun. Ich glaube, es gibt einfach gewisse Phänomene, die passieren. Diese Zeit, diese Zusammenstellung, diese Auslöser.
Aber wir können uns ja darin einig sein, dass dieses Phänomen, von dem du sprichst, das beste Beispiel dafür ist, dass solche positiven Synergien nur passieren können, wenn eine gewisse Repräsentation sichtbar ist! Das bildet einfach eine Vorbildfunktion, und die erhält sich und wächst dann.
Ja, das stimmt.
Hast du noch einen abschließenden Kommentar zum Film?
Ich bin wirklich froh, dass ich diesen Film gemacht habe. Ich bin jetzt auch Österreicherin. Der Film ist ein bisschen auch eine Widmung an mein Heimatland. Irgendwie etwas, wo ich denke: Gut, dass es einen Film gibt über eines der positivsten Dinge, die es hergegeben hat! Das Leben im Land ist sehr schwierig, politisch, allgemein. Ich habe die Möglichkeit bekommen, diese guten, positiven, gutgelaunten, starken, freien Momente in einen Film zu fassen! Das ist dank vieler Unterstützer*innen passiert, das waren neben privaten Personen auch z. B. die Universität für angewandte Kunst Wien, wo ich unterrichte. Dank gilt auch dem Team, das mitgearbeitet hat, dem österreichischen Schachbund und natürlich den Produzent*innen, der österreichischen Produktionsfirma berg hammer film und Amour Fou, den georgischen 1991 Productions und den serbischen Playground produkcija. Eines muss ich hinzufügen: Als Künstlerin ist es nicht einfach, in eine Filmwelt hineinzukommen, auch weil man nicht diese Sprache spricht. Also das war eine große Erfahrung für mich, eine sehr gute Erfahrung. Ich habe sehr viel dabei gelernt und zuletzt hoffe ich, dass diesen Film viel mehr Leute sehen wollen und sehen werden, die nichts mit Schach am Hut haben!
Dann hoffe ich wirklich stark, dass das 2021 funktioniert mit dem Kinostart. Vielen, vielen Dank!
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