Daheimbleiben ist das Gebot der Stunde. Dem Coronavirus zum Trotz und eurer Oma zuliebe. Dabei kann einem trotz Home Office und Home Schooling schon ein bisschen die Decke auf den Kopf fallen, deswegen hat Team skug die (ha!) hauseigene Beschäftigungstherapie ins Leben gerufen – mit Tipps zu Filmen, die ihr schon immer sehen wolltet, Büchern, die ihr schon immer lesen wolltet und Musik, die ihr schon lang nicht mehr gehört habt. In Teil 1 unserer Serie hat Chefredakteur Frank Jödicke euch »Us« von Jordan Peele ans Herz gelegt, in Teil 2 kaut unsere Lektorin Mio Michaela Obernosterer sich für euch durch neun Bände astreine Science Fiction. Hier der Tipp zur postapokalyptischen Lektüre:
Buchtipp von Mio Michaela Obernosterer: »Silo«-Serie von Hugh Howey
Endlich Zeit zum Lesen. Und wenn die Dystopie schon vor der eigenen Haustür beginnt, kann man genauso gut in eine andere flüchten. Die »Silo«-Trilogie von Hugh Howey ist ein großartiges Stück Scifi, das dem US-amerikanischen Autor weltweit eine treue Anhängerschaft (inkl. eigener Fanliteratur) beschert hat, aber nach wie vor als Underground-Tipp gehandelt wird. Der erste Teil »Wool« (dt. »Silo«) wurde 2011 von Howey als Kurzgeschichte selbst verlegt und aufgrund der guten Resonanz nach und nach auf fünf Bücher erweitert. Ab 2012 erschien mit »Shift« (dt. »Level«) in drei Büchern der zweite Teil der Serie und 2013 mit »Dust« (dt. »Exit«) der dritte und letzte Teil. Obendrein wurde »Wool« 2014 als Graphic Novel veröffentlicht, 20th Century Fox sicherte sich die Filmrechte (als Regisseur war Ridley Scott geplant) und AMC arbeitet an einer Serienadaption. Wer will, kann aber schon jetzt im wahrsten Sinne des Wortes in Hugh Howeys Bücher abtauchen, denn seine postapokalyptische Welt befindet sich in einem unterirdischen Silo und gehorcht ihren eigenen gesellschaftlichen Regeln.
Seit Generationen leben die Menschen im Silo auf verschiedenen »Levels«, die ihrer Tätigkeit und sozialen Stellung entsprechen und durch eine schier endlose Wendeltreppe miteinander verbunden sind. (In einer Rezension stand zu lesen, »Stairs« wäre wohl der passendere Titel für den ersten Teil der Serie gewesen.) Familienplanung ist durch die »Lottery« geregelt und ein einfaches Rein-raus-Prinzip: Bei einem Todesfall wird per Los ermittelt, wer ein Kind zeugen darf, während Opa auf der »Farm« wieder ein Teil des ökologischen Systems wird. An der Spitze dieser Gesellschaft steht ein demokratisch gewählter Major, die eigentliche Macht liegt jedoch in Händen der IT, deren Head-of gemeinsam mit dem Sheriff über die Einhaltung der strengen Gesetze und Vorschriften wacht. Verstöße werden geahndet, indem man die Delinquent*innen als »Cleaner« nach draußen schickt, in die zerstörte, unwirtliche Welt außerhalb des Silos, mit ihrer toxischen Atmosphäre, um mit Wolle (sic!) die Linsen der Kameras zu reinigen. Doch es regen sich immer mehr Zweifel daran, ob diese Maßnahmen dem Wohl der Menschen oder den Interessen der Obrigkeit dienen. Es kommen Fragen auf nach den Gründen, den Silo zu bauen, und ob es da draußen noch etwas anderes gibt. Und langsam beginnt in den Tiefen des Silos die Revolution zu brodeln …
Die Stärken von »Wool« (und der gesamten »Silo«-Serie) liegen auf mehreren Ebenen. Zu allererst ist da die fantastische, spannend erzählte Geschichte, die immer wieder unerwartete Haken schlägt und der ein (fast) lückenloses Konzept zugrunde liegt, das im letzten Teil eine Auflösung – wenn auch nicht unbedingt ein Ende – findet. Das Universum des Silos ist durchdacht, ausgefeilt und bis ins Detail schlüssig, trotz der trostlosen Umgebung so schillernd beschrieben, dass einem die Charaktere und ihre Welt greifbar vor Augen stehen, was nicht zuletzt Howeys einfühlsamer, aber schnörkelloser Sprache geschuldet ist. Die Figuren, die diese Welt bevölkern, sind selten gesichtslos. Ihre Schicksale – ob Gewinn oder Verlust – sind stets persönlich und gehen einem nahe. Es gibt Bösewichte, Opfer und Helden, vor allem aber auch Heldinnen, die – nach wie vor selten in Science-Fiction-Literatur – eine tragende Rolle spielen und Identifikationsfläche bieten. Und nicht zuletzt würzt Hugh Howey sein Werk mit einem gehörigen Quäntchen Gesellschaftskritik, das nachvollziehbar zwischen den Zeilen zu lesen ist und die »Silo«-Serie, wenn nicht auf eine Ebene, so doch zumindest in die Nähe von Klassikern wie George Orwells »1984« stellt. Obwohl die Story insbesondere im dritten Teil stellenweise mehr Bewegung vertragen hätte, sind »Wool«, »Shift« und »Dust« schon heute moderne Klassiker dieses Genres, die für die Zukunft neue Standards setzen können. Kurzum: absolute Empfehlung!
Ihr habt selbst Tipps für Daheimgebliebene? Schickt uns eure Vorschläge mit Betreff »Beschäftigungstherapie« per E-Mail an mitarbeit@skug.at – die besten Beiträge werden in den kommenden Wochen als Teil dieser Serie veröffentlicht.
Link: https://hughhowey.com