Als ich das erste Mal in den Genuss von Uffies vermutlich bekanntestem Hit »Pop the Glock« kam, war ich 12 Jahre alt. Ich wünschte, ich wäre eine so coole 12-Jährige gewesen, dass ich aus freien Stücken entschieden hätte, Uffie anstelle von Culcha Candela und Jimi Blue Ochsenknecht zu hören. Dem war nicht so. Stattdessen spielte meine große Schwester, damals 16, den Song rauf und runter und rappte mit, während sie sich die Haare glättete und einen perfekten Lidstrich zog. Seitdem sind einige Jahre vergangen. Uffies neuestes Album »Sunshine Factory«, das am 20. Mai 2022 erschien, erinnert jedoch noch immer an das, was die Musikerin schon bei ihrem Debüt vermittelte. Es klingt angesagt. Uffie, aka Anna-Catherine Hartley, zog im Alter von 15 Jahren von Florida nach Paris und studierte Modedesign auf der École de Mode Internationale. Allerdings brach sie ihr Studium frühzeitig ab, um sich der Musik zu widmen. Unter dem Label Ed Banger Records arbeitete sie mit Electro-Legenden wie Justice und Mr. Oizo zusammen und tourte mit ihnen von einer Party zur nächsten. Eine schillernde Biografie, die sich bis heute in ihrer Musik widerspiegelt. »Sunshine Factory« ist eine Hommage an die Ballroom-Szene, an durchzechte Clubnächte, an Gefühlschaos und bitteren Comedown.
Schon der erste Titel, »mvp« (most valuable player) verschlingt die Zuhörenden förmlich und reißt sie mit in die Welt, die Uffie in ihrem Album kreiert. Es fühlt sich an, als würde man in einen bunten, glitzernden Strudel gezogen, der einen im Laufe des Albums mal auf höheren, mal auf flacheren Wellen davontreibt. Die komplexen Ebenen der Songs bieten Einflüsse von Pop bis Punk, Uffies Stimme füllt den Raum in verschiedensten Echos und Autotune, es sind geladene Stücke, an Raffinesse und Verspieltheit kaum zu überbieten. Die Interludes von Künstler*innen wie Peaches oder der Drag Queen Ilona Verley unterstützen die Illusion des ekstatischen Wochenendes. Sie werden als authentische Sprachnachrichten inszeniert, in denen die eine für die Party absagt, die nächste aber schon ungeduldig vor dem Club wartet. Neben diesen Interludes gibt es ein Feature von NNAMDÏ auf dem Track »a month of mondays«. Auf seinem Label, Company Records, wurde das Album veröffentlicht. In einem Interview mit Jam – RTBF betont Uffie, wie angenehm es war, das Album auf einem Label herauszubringen, das von einem Musiker geführt wird. Auf diese Weise stünde die Kunst vor allem anderen. »Sunshine Factory« ist wahrlich ein auf 13 Songs verteiltes Kunstwerk voller Liebesbekundungen, Achterbahnfahrten und Glamour. Während Titel wie »prickling skin« und »anna jetson« klingen wie vertonte MDMA-Trips, gehen Songs wie »cool« auf unaufgeregte Weise unter die Haut. Die Art, wie Uffies Stimme bricht, wenn sie dieses eine Wort haucht, ist mindestens weltbewegend.