»Ich dachte, HipHop ist mal wieder tot, doch endlich kommt was Neues raus. Du sagst, du willst mich schlagen, aber tauchst dann mit deinen Eltern auf.« In dieser unscheinbaren Line lässt sich glatt die gesamte Essenz von »Breakdance auf Scherben«, dem dritten Tape der Berliner Rapper Tiefbasskommando, herauslesen. Mit zwei Jahren Abstand zum letzten Langspieler releasten sie am 6. Mai 2022 ein 18 Song starkes Album und versorgen ausgehungerte Fans mit über einer Stunde Bass und Pöbelei.
Seit 2019 bringen Tiefbasskommando einen verschollen geglaubten Sound zurück, der aus der Zeit gefallen ist. Auf unverkennbare Beats des hauseigenen Produzenten Retado legen sich zweispurige Lines, die vielleicht nicht besonders gehaltvoll, doch mindestens unterhaltsam sind. Das dritte Album klingt noch etwas roher als seine Vorgänger und besticht durch eigensinniges Mastern und renitente Flows. Dabei kristallisieren sich Einflüsse von Berliner Untergrundlegenden wie Taktloss, Frauenarzt und Orgi69 heraus.
Zeitlose Gegenbewegung
Tiefbasskommando bleiben einem aussterbenden Berlin treu, das sich gegen Gentrifizierung und Hypersensibilität durchzusetzen versucht. Während sie sich teilweise gegen die Bourgeoisie der modernen HipHop-Szene positionieren, wie im gelungenen »World of Hip Hop Skit«, und Lines wie »Warum macht heut jeder Pisser einen auf Hollywood? Du und ich sind nicht die gleichen, deine Raps sind für mich Schmutz«, funktioniert der Großteil des Albums als zeitlose Gegenbewegung, die sich nicht zwanghaft als solche beweisen muss. Dabei verzichten sie auf dramatisierte Härte, wie sie häufig im Straßenrap zu finden ist, sondern bedienen sich einer erheiternden Polemik, die wenig bedrohlich wirkt.
Die Musikvideos zu »Habaneros « und »Gendefekt« unterstreichen die Attitüde. In überzeichneten Inszenierungen an der Grenze zum Dadaismus wird der Green Screen ausgeschlachtet, um sämtliche Referenzen der Popkultur aufzugreifen. Dabei wird ein weiteres Mal deutlich, was das Heranwachsen der Gruppe geprägt hat. Nostalgie kommt auf beim Rahmen aus Liebeserklärungen und Musiktipps, die von Fernsehzuschauer*innen direkt auf den Bildschirm geschickt werden. Was damals noch Programm bei MTV und VIVA war, arrangiert das Tiefbasskommando in Szenen aus »Gendefekt«.
Zurück zum Untergrund
Trotz jeglicher Zitate auf Vergangenes sind Tiefbasskommando nicht unmodern oder reine Kopie. Insbesondere die nuancierten Retado-Beats platzieren ihre Musik in der heutigen Zeit und holen die Hörer*innen ab. Das Outro von »MC K Willkomm! (Extended)« macht den Track fast clubtauglich. Abgerundet wird das Tape von alten und neuen Feature-Gästen, die Berliner Untergrund-Rap auf ähnliche Weise repräsentieren. Die polnischen Parts von Duke102 stechen dabei besonders hervor, außerdem gibt es Tracks mit Tiger104, MC Bomber und vielen mehr. Shoki287, fester Bestandteil der TBK-Entourage, liefert auf diesem Album leider keine Solosingle. Sie verfeinert allerdings Titel wie »U8« und rappt aus der Sicht einer drogensüchtigen Prostituierten. Damit kann die wohl am häufigsten erwähnte U-Bahnlinie der deutschen Rap-Szene einen weiteren Meilenstein verbuchen.
Zugegeben, eingeschworene Studentenrap-Fans werden keine Freude an »Breakdance auf Scherben« haben. Die Texte sind derb, ungeschönt und rücksichtslos. Wer dem Ganzen jedoch mit der nötigen Distanz standhält, wird mit einer Unmenge an gewitzten Punchlines belohnt. Es geht auch gar nicht darum, einen bestimmten Stil über den anderen zu stellen und zu behaupten, das eine sei besser oder »echter« als das andere. Tiefbasskommando retten lediglich einen Jahrzehnte zurückgehenden Sound vor dem Aussterben und liefern Untergrund-Rap, der sich den »Explicit«-Hinweis noch verdient. Dass das Album auf Kassette erhältlich ist, spricht für sich.
Tiefbasskommando gehen übrigens bald auf Tour und starten am 27. Mai 2022 im Flex Café in Wien. Tickets sind noch erhältlich, während einige Termine in Deutschland schon ausverkauft sind. Also: Schnell sein!