»Spirit Desire« ist das Debüt-Album von Vomit Heat, dem »Solo-Ding« von Nils Herzogenrath – von »-Projekt« zu sprechen wäre, aufgrund der zwischenzeitlichen Verschnarchtheit und anderer Adoleszenz-bedingter Umstände des verantwortlichen Musikers, etwas überambitioniert. (Die Verschnarchtheit, so viel kann gleich dazu gesagt werden, schlägt sich nicht negativ in der Qualität der Musik nieder.)
Zur Erklärung dieser etwas nonchalanten Einleitung: Die Aufnahmen von »Spirit Desire« zogen sich ein paar Jahre hin. Liebevoll zusammen gekloppte Videos zu frühen Versionen einiger Songs geistern bereits seit fünf, sechs Jahren auf YouTube herum, und so wirkt der Sound des Albums ein wenig aus der Zeit gefallen, einerseits. Andererseits ist der Eindruck einer gewissen Unzeitgemäßheit von Popmusik heutzutage ja kein Einzelfall und auch nur bedingt ein Qualitätskriterium. Die acht Songs auf »Spirit Desire« klingen jedenfalls nicht »retro« oder gar altbacken, aber sie sind doch durch und durch mit pophistorischen Referenzen aufgeladen. Die sind dann auch eher ein deutliches Zeichen der popkulturellen Frühvergreisung von Nils Herzogenrath, der, Kind seiner Zeit, mit digitalen Archiven aufgewachsen ist und seinen Online-Zugang zu musikalischen Quellen ausgiebig genutzt hat, um sich eine Fülle an coolem Wissen anzueignen, das – so kann man die Verschnarchtheit positiv wenden – auf »Spirit Desire« seinen über lange Jahre gereiften Ausdruck findet. Das Album startet mit einer leicht esoterisch anmutenden Klangcollage (»Little Love – Little Light«), die – Elemente von New Age, Dub und Plunderphonics miteinander verbindend – leicht zugedröhnt vor sich hinwackelt, bevor dann mit »Miriam« einer der alten »Hits« folgt: catchy-bekiffte zweieinhalb Minuten, ein Lo-Fi-Nugget im Stile des frühen Ariel Pink. Der Cannabis-Metaphern zum Trotz handelt es sich bei »Spirit Desire« aber nicht ausschließlich um eine vertonte Haschischwölkchen-Phantasie, wenn auch – machen wir uns da nichts vor – die eine oder andere Kräuterzigarette zur Inspiration herhalten durfte. »Taking Drugs To Make Music To Take Drugs To« ist ein Motto, das Herzogenrath kennt und verinnerlicht hat, aber er kann auch anders. »In Levitation«, gewissermaßen das Titelstück des Albums, zitiert musikalisch die verträumte Seite der Sonic Youth und Kim Gordons »Teenage Riot«-Mantra (»Spirit Desire, Spirit Desire, we will fall …«), ohne dass der Siebeneinhalbminutentagtraum zur bloßen Kopie der in manchen Kreisen heiligen New Yorker verkäme. Verträumt klingt auch das nachfolgende »Pretender« und erinnert an Shoegaze-Vorbilder wie Slowdive oder My Bloody Valentine. Aber auch hier gelingt es Herzogenrath, aller historischen Lasten zum Trotz, seine musikalischen Mittel gekonnt in Szene zu setzen und sich dem Eindruck bloßen Epigonentums zu entziehen. Doch die Reise durch die Zeit und damit einhergehende popmusikalische Stilistiken ist damit noch nicht an ihr Ende gelangt. »Daydream Machine« wandelt deutlich auf den Spuren von Harmonia und verfolgt die krautige Spur bis hin zu Wolfgang Voigts Ambient-Projekt Gas – und auch hier gelingt der Spagat zwischen pophistorischem Close-Reading und unbeeindrucktem kreativem Ausdruck der eigenen Ideen. Mit »Broken Heartscape« geht es dann wieder etwas flotter zur Sache. Der Song wackelt munter im Geiste der frühen Ducktails vor sich hin. Warum auch nicht? Wird auch Zeit aufzuwachen, denn mit »Wrong Place« schließt der zweite alte »Hit« an. Ein aufgekratzter Kracher, der an die Wavves erinnern mag aber auch ohne diesen Hinweis locker besteht. Früher wäre »Wrong Place« sicher auf dem einen oder anderen Mixtape gelandet, aber die Zeiten sind ja eher vorbei. Doch bevor »Spirit Desire« ganz vorbei ist, schließt das Album mit »Rotten«, quasi zum Runterkommen, ab. Auch hier liegen pophistorische Verweise nahe und mir der Vorwurf bloßer Nachmacherei fern (wer selbst nach Spuren sucht, wird mit einem guten Lacher zum Abschluss belohnt).
Nils Herzogenrath hat, trotz oder vielleicht auch gerade wegen all der Zeit, die er brauchte oder verstreichen ließ, um »Spirit Desire« abzuschließen, mit seinem Debüt ein angenehm unpeinliches und entspanntes Album abgeliefert. Sollte es bis zum nächsten wieder eine halbe Ewigkeit dauern, so ginge diese Bummelei aber nicht als Verneigung vor Scott Walker durch!