Luxusgold © Luxusgold, Grafik: Kathi Arnecke
Luxusgold © Luxusgold, Grafik: Kathi Arnecke

Salon skug: Luxusgold, Die Nebenwirkung, skug Talk & DJ-Line

Am 10. November 2022 um 20:00 Uhr wird erstmals im Venster 99 saloniert mit Musik, die sich luxuriöse Bühnen verdient hat. Der skug Talk wirft einen Blick ins Kino und ärgert sich ein wenig über die dortige Gewaltdarstellung.

Vorweg eine Quizfrage: Was ist eigentlich Klassenjustiz? Lässt sich aktuell sehr gut und leicht beantworten. Betrachten wir kurz den österreichischen Bundeskanzler Karl »Hartdurchgriff« Nehammer. Er hat etwas gehört (Telefonmitschnitt), gelesen (Chatprotokoll) und ihm liegen einschlägige Zeugenaussagen vor (Familienmitglied Schmid), aber ein Urteil erlaubt er sich lieber nicht. Könnten ja alles Missverständnisse sein, aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen etc. Das müssen Gerichte entscheiden, unser BuKa hat keine Meinung dazu. Fein, löbliche Zurückhaltung der Politik. Harter Schnitt: Halloween-Randale in Linz. Niemand aus der ÖVP war da, hat mit keinem der Rioter*innen geredet, hat noch keine Vernehmungsprotokolle, keine Zeugenaussagen und nichts. Aber schon eine ganz fixe Meinung. Man kann sagen, ein Urteil wurde gefällt. Die Konsequenzen werden schon durchbuchstabiert. »Abschiebung«, die im Extremfall ein Todesurteil sein kann. So geht Klassenjustiz: Oben weiß man nicht und unten ist immer alles klar. Allerdings – und jetzt sind wir beim Thema des skug Talks – haben die Ausschreitungen etwas mit Film zu tun und dem, was die Randalierer dort gesehen haben.

Du tust, was du siehst?

Denn man glaubt bereits einiges über die Ausschreitungen zu wissen. Nein, nicht durch die verwackelten Handyvideos, die weglaufende Kids zeigen, sondern, dass diese angeblich einen Netflix-Film gesehen haben. Einen, der Riots in Frankreich bebildert und – laut Kritiker*innenmeinung, die den Film prämierten – auch kritisch darstellt. Nur, die Kids sahen das anders. Sie waren inspiriert von der Gewalt. Sie fanden es cool und nachahmenswert. Vermutlich ein bisschen blöd, zu glauben, man sei »stark«, wenn man einen Mülleimer anzündet, aber das sollen besser Gerichte entscheiden. Was weniger beachtet wird, ist die hierbei vermittelte Matrix. Gewalt hat in den meisten Filmen ein Geschlecht. Täter = ♂ / Opfer = ♀. So wollen es immer wieder Filmdramaturgien weißmachen und damit prägen sie Wahrnehmung. Sicherlich, es gibt öffentliche, weibliche Gewalt. Suffragetten sind aus Protest auf die Pferderennbahnen gesprungen. Riesenaufschrei damals, aber die Pferde haben eh überlebt. Ein paar Jahrzehnte später gab es dann sogar Wahlrecht für die Frauen.

Die Zeiten werden schwieriger, der Frust steigt. Die Gewalt schleicht sich auch in den eigenen Haushalt. Viele populäre Filme machen da bildlich mit. Seit Langem bereits. Die bekannten Tropen. Frau muss sich im Haus verstecken. Gruselige Violinenmusik: Uhuhuh, draußen ist der Bibabutzemann. Ganz schön spannend das. Wird hier wenig reflektiert, vieles vorausgesetzt? Steht immer im Subtext, dass das Weibliche (?) von der Männerherrschaft kontrolliert werden muss? Bei Bergmanns »Schlangenei« ist es sogar tatsächlich das Gas, das die Nazis durch die Wand leiten, um damit die Klopperei zu initiieren. Wie die Thriller in den Köpfen weitertrillern und warum man das Monster im eigenen Wohnzimmer nicht erkennt, wenn man drinsitzt, zeigt der Sammelband »Gewohnte Gewalt. Häusliche Brutalität und heimliche Bedrohung im Spannungskino« auf, aktuell erschienen im Sonderzahl Verlag. Die Rezension dazu lest ihr hier. Bei uns im Salon diskutieren die beiden Herausgeber Drehli Robnik und Joachim Schätz mit Jan-Hendrik Müller, Film- und Kulturwissenschaftler; Lea Susemichel, Autorin zu feministischer Theorie & Politik, und Renée Winter, Historiker*in und Medienwissenschafter*in.

Luxus mit Nebenwirkung

Irgendwer hat gesagt, die Krise macht die Menschen vorsichtiger. Trinken ja, aber mit Bedacht. Früh heimgehen und lieber Fotos vom selbstgemachten Fingerfood auf Insta posten und natürlich die selbst gehäkelten Schmuckdeckchen. Schön das alles, aber nicht alle machen da mit. Luxusgold, fünf steirische Deichkinder, haben 2022 eine Platte veröffentlicht, für die man sein altes Audiolith-Shirt aus der Sofaritze kratzt, den Nachbarn in die Vorzüge des fortgeschrittenen Viervierteltakts einführt und so lange ausgeht, bis die MDMA-Depri reinkickt und man im Gestern von Falafelsandwiches, Nudelboxen und Sauerkrautsaft zum Katerfrühstück träumt. Soll heißen: Entweder du liebst puren Luxus, oder du vergötterst reinen Trash! In der Praxis bedeutet dies: Du wachst morgens leichenfett im Zelt auf und dein Kopf ist größer als der Wohnwagen nebenan. Aber Ausgehen ist wichtig und auch mal zu klaren Gitarrenriffs und Keyboardsound den Trotteln mitteilen, dass sie Trottel sind. Wie man es richtig krachen lässt, zeigt hier das Erklärvideo:

Die Nebenwirkung tritt nach ein bis zwei Songs ein. Bela Brillowska und Jakob Henneken haben zuletzt ihre Erstdiagnose auf Gagarin Records durchgeführt – drei Songs, für die man nervös nach dem Ritalinrezept kramt oder sich direkt für einen Poetry Slam einschreibt. Dort fahren sich Altpunks vorsätzlich durch den Irokesen, wenn die beiden Hanseatenhüpfer über Quietscheentchenbeats jaulen: »Pinocchio ist Punk!« Wie sich Bewegungsdrang in Sturm verwandelt, wenn gehottet wird mit festem Blick auf die Regler, und überhaupt, wie Beats unter die Haarwurzel gehen, zeigt dieses Videodokument ganz besonders eindrucksvoll:

Live gibt’s all das und die skug DJ-Line beim Salon skug am 10. November 2022 ab 20:00 Uhr im Venster 99. Eintritt frei, Spende erbeten – wir freuen uns auf euch!

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