Die Malerin und Performance-Künstlerin Sophia Süßmilch lebt und arbeitet in München und Wien. Derweil jedoch hält sie sich in München auf und arbeitet weiter wie ein Tier; viele ihrer Machwerke – ob Malereien, Performances oder Performance-Bilder – lädt sie regelmäßig ins Internet. Zuletzt schrieb sie eine Hetzrede, in der von Lydia Haider herausgegebenen Textsammlung »Und wie wir hassen!«, die 2020 bei Kremayr & Scheriau erschien. Also schreiben kann sie offensichtlich auch.
skug: Auf einer Regenbogenskala von Rot bis Lila: Was ist gefühlsmäßig dein persönliches Corona-Farbspektrum?
Sophia Süßmilch: Orange, wie meine Aura.
Wie ist deine Quarantäne-Wohnsituation?
Ich wohne mit meinem Freund zusammen auf 55 m².
Wie oft gehst du raus? Wie schützt du dich und andere?
Ich gehe jeden Tag ins Atelier, das ca. 1 km von meiner Wohnung entfernt ist, außerdem gehe ich jeden Tag eine Stunde an die Isar spazieren. Ich schütze mich nicht besonders, ich schau’, dass ich Abstand halte und wasche mir die Hände regelmäßig. Anfangs habe ich noch ständig meine Hände desinfiziert, aber jetzt nicht mehr, die waren wie Schmirgelpapier.
Wie ist dein Tagesablauf in der Krise? Hast du Rituale?
Mein Tagesablauf hat sich seit dem Shutdown nicht wirklich geändert. Ich lebe eh schon ziemlich isoliert seit zwei Jahren, weil ich so viel machen muss immer. Ich stehe auf, gehe ins Atelier, arbeite dort bis spät, dann gehe ich nach Hause, das jeden Tag. Ich würde sagen, mein Tagesablauf ist ziemlich ritualisiert. Ich werde extrem nervös, wenn ich davon abweichen muss. Wenn der Salzstreuer nicht dort steht, wo er immer steht. Ich habe so Tagespläne und strukturiere mich danach, weil ich eigentlich extrem chaotisch bin. Die ziehe ich durch und ICH WÜNSCHE, NICHT GESTÖRT ZU WERDEN. Seit zwei Wochen gehe ich jeden Tag spazieren und hüpfe in die Isar, ich kann dabei gut nachdenken und bekomme gleichzeitig meinen Kopf frei. Ich hoffe, ich schaffe es, dieses Ritual durchzuziehen, weil ich mir wünsche, aus diesem Hamsterrad des ständig nur Arbeitens etwas rauszukommen. (Arbeit verdirbt den Charakter und macht dumm.)
(Wie) hältst du dich fit und bei Laune?
Ich rauche zu viele Zigaretten fürs Fit-Sein. Mir ist nie langweilig, irgendwie gibt es immer so viel zu tun, der Tag ist immer zu kurz.
Wie intensiv verfolgst du öffentliche Debatten?
Ich lese die Tagesschau-App und den Scheiß, den Menschen auf Facebook posten. Ich versuche, es einzudämmen, ständig Nachrichten zu lesen, es macht mir Angst und lähmt mich, ich bin ja machtlos all dem gegenüber, was passiert. Ich versuche, nicht in Panik auszubrechen, aber das war vor der Krise auch schon so. Mein ganzes Leben ist ein einziger Versuch, nicht in Panik auszubrechen.
Welche Handcreme benutzt du?
Ich benutze verschiedene Handcremes, die in der Wohnung und im Atelier überall verteilt sind. Meine Hände sind vom Malen und den Farben auch oft sehr rau, ich bin handcremesüchtig. Ich liebe parfümierte Handcremes. Ich liebe Parfüm.
Welche Musik, Filme, Serien, Bücher etc. empfiehlst du?
»Beileid« von Bohren und der Club of Gore höre ich gerade oft. Aber eigentlich höre ich den ganzen Tag Podcasts, zu empfehlen: Erklär mir die Welt, This American Life, Serial, Chronik der Gefühle, Soziopod (!), Hidden Brain, Invisibilia, BR2 Nachtstudio. Ich schau jeden Abend einen Tatort an, nicht weil ich es so gut finde, aber es beruhigt mich so. Bücher: »GRM« von Sibylle Berg.
Hast du bereits irgendwelche besonderen Erkenntnisse gewonnen, die du mit der Welt teilen willst?
Abtreibung sollte auch als Social Distancing zählen. Söder ist der Antichrist. Gott ist ein Nationalist. Lasst mich doch alle in Ruhe.
Wo wärst du jetzt am liebsten?
Im Reichtum, wie immer.