What's Inside a Girl © Helena Wimmer
What's Inside a Girl © Helena Wimmer

Polska skug A radikal

Zwei miteinander historisch verwickelte, sich großteils musikalisch überlappende Schwerpunkte kennzeichnen das in Kooperation mit dem Polnischen Institut Wien stattfindende skug #100-Festival im Wiener Fluc: Subkulturelle Sounds aus Polen sowie Konzerte von MusikerInnen der zweiten bzw. dritten Generation nach der Shoah.

Musikerinnen der jungen Frauenband Drekoty aus Warschau sind auch in der jüdischen Surf-Rockband Alte Zachen engagiert und entwickeln ein spezielles Programm für das skug Jubiläumsfest im Wiener Fluc. Lydia Anne Koch bzw. Mia Zabelka werden ihre jüdisch-polnischen Wurzeln heraushängen lassen, von der Bühne herunter die Zuschauer umgarnen und mit ihren ghostly sounds out of the grave schrecken.
Am ersten Festivaltag werden Frauen den Ton angeben, wobei die Musik und die Traumata von MusikerInnen der zweiten und dritten Generation nach der Shoah im Fokus sind.
Der Punk-Generation zugehörige Großväter wie Lou Reed, die Ramones (»I am a Nazi Schatzi!«), aber auch Punk-Prinzessinnen wie Genya Ravan oder Helen Wheels waren Kinder von Shoah-Ûberlebenden und mussten mit ihren ziemlich anstrengenden Eltern umgehen, sich mit den mörderischen Nazi-Taten auf provokante Weise konfrontieren: Aus Faszination, Wut und Abgrenzung entstanden eigene elektrische, musikalische Wege. Seitdem Debbie Harry von ihrem jüdischen Boyfriend Chris Stein in »Blondie« umbenannt wurde – nach dem Schäferhund von Adolf Hitler! -, ist einige Zeit vergangen und skug versucht den Spielraum zu erweitern, um neue und vielfältige Möglichkeiten des künstlerischen Umkreisens des Riesenabgrundes der Shoah zu finden.

In einem begleitenden Artikel von Jacek Skolimowski wird die Entwicklung der vielfältigen polnischen Musikszene wunderbar analysiert. skug bringt davon in Kooperation mit dem Polnischen Institut Wien zwar nur ein kleines Segment zum Erklingen, doch gerade dieses kann sich hören lassen. Zum einen spielt die famose Warschauer Postpunk-Frauenband Drekoty ihren ersten Österreich-Gig, zum anderen ist Monotype Records (mit Sitz in Warschau) eines der aktivsten Experimental-Labels in Europa. Im Laufe seines bald zehnjährigen Daseins wurden über siebzig Titel veröffentlicht – von Noise, Drone, Musique Concrète über Elektroakustik bis hin zu Minimal und Impro (und mitunter auch all together). Monotype-Boss Jakub Mikolajczyk wird seine Sicht auf die polnische Subkulturmusiklandschaft in einer Lecture im Instytut Polski darlegen.
Polnisches-Institut-Wien-Logo-bunt-RGB_JPG_1000px_1.jpg
Vortrag – 6. November, 18.30 Uhr
Instytut Polski w Wiedniu
Polnisches Institut Wien, Am Gestade 7, 1010 Wien
Eintritt frei

Vortrag und Diskussion (in englischer Sprache) zum Thema »Die Entwicklung der polnischen Musikszene nach 1989 und EU-Beitritt 2004«. Teilnehmer: Michal Hajduk (Musikmanager), Bartek Chacinski (Zeitungs- und Radiojournalist u. a. beim Wochenblatt »Polityka«, II & III Programm des Polnischen Rundfunks), Jakub Mikolajczyk (Monotype Records), Moderation: Heinrich Deisl (skug).
Danach um ca. 19.45 Uhr: AT/PL-Impro-Live-Act aus der Reihe »Melomaniac Corner« mit noid aka Arnold Haberl (Cello) und Piotr Damasiewicz (Trompete).
www.polnisches-institut.at

Konzerte – Donnerstag, 6. November, 21 Uhr
Fluc, Praterstern 5, 1020 Wien
Eintritt: Freie Spende

Drekoty
Bandleaderin Ola Rzepka (dr, pi) spielt auch Schlagzeug in Alte Zachen, einer jüdischen Surf-Rockband, die einen ganz eigenen Weg geht. Gemeinsam mit Natalia Pikula and Olga Czech spielt sie in Wien ein spezielles Programm zum Schwerpunkt Shoah in dritter Generation. Drekoty startete 2011 mit der selbstveröffentlichten »Trafostacja EP« und ging sofort mit KünstlerInnen wie Julia Marcell, Paristetris oder Carla Bozulichs Evangelista auf Tour. Auch auf dem Album »Persentyna« (Thin Man Records 2012) vereint die Band viele Widersprüche in ihrer Musik und ist nicht leicht zu klassifizieren. Akustische Drums kollidieren mit synthetischen, wavigen Keyboardsounds und weiblichen Stimmen. Drekoty wird das erste Mal in Wien spielen: »It’s going to be as hysterical as it is lyrical, in a way that only Drekoty can pull off.«
www.drekoty.pl

Medusa’s Bed
oemftour_gef_rgb2.jpgDie Geigenvirtuosin und Experimentalmusikerin Mia Zabelka (mit polnisch-jüdischen Wurzeln), die Multiinstrumentalistin Zahra Mani (Britin pakistanischer Herkunft) sowie die Underground-Scream-Queen Lydia Lunch (bürgerlicher Name: Lydia Anne Koch), die aus der jüdischen Punk-Szene aus »Jew York« stammt, als kongeniale Hexen der sphärischen Experimentalmusik. Das Trio kredenzt einen Soundtrack zu einem Schwarz-Weiß-Drama, das in unterirdischen Gewölben nach der Apokalypse spielt, wo giftige Untiere die Wände entlanglaufen und ein Zombiemob die Erdoberfläche unsicher macht. Wenn schließlich Lydia Lunch mit ihrer trockenen, nach ledrig-verfaulten Früchten klingenden Stimme loslegt, ist Gänsehaut garantiert.
Medusa’s Bed on tour: Fr. 7. 11. Innsbruck/p.m.k.; Sa. 08. 11. Steyr/Röda, inkl. skug #100-Party, Do. 13. 11. Bratislava/A4.

 soundcloud.com/monotyperec/lydia-lunch-mia-zabelka-zahra | www.miazabelka.com

What’s Inside A Girl
Joshua Korn (Vocals, Hip Tease, Casio Keyboard), Barbis Ruder (Vocals, Attitüde, Violine) und Roman Gerold (Modular Synthesizer, Finger) necken ihr Publikum mit Violine, Casio-Plastiksounds und elektronischen Beats. Sie klingen dabei wie ein Piratenraumschiff, welches durch den Popkultur-Kosmos düst, um sich von den Planeten New Wave, Punk, Easy Listening, Grunge und Electro das zu holen, was für die hinreißenden Songs gebraucht wird. Keine Ecke des Musikuniversums ist sicher, wenn What’s Inside A Girl auf Soundjagd geht. Geplündert wird das Banale, der Kitsch und das Schöne – und in reines musikalisches Gold verwandelt. Joshua Korn ist Tenor im Wiener Jüdischen Chor und führte die Boygroup des Chors, Porcelain Hip, durch viele Konzerte, bis die Performance der Diva Josh dem strippenden Judaistik-Professor (Pollunder runter!) dann doch zu ausfällig trash-sexy wurde.
Hörprobe | www.facebook.com/WhatsInsideAGirl

djs: Martin Petrik/Mr. Pink, Dent

Konzerte – Freitag, 7. November, 21 Uhr
Fluc, Praterstern 5, Wien 1020
Eintritt: Freie Spende

Juun/Maren Rahmann
Maren_Rahman.jpgEine einmalige Gelegenheit und ein Experiment: Maren Rahmann tönt Texte von widerständigen oder vor dem Nationalsozialismus geflüchteten Frauen, Frauen in Bewegung, Juun vertont diese mit atonaler Musik anhand Pianoguts, den Innenteilen, den Innereien von Klavieren. In einer Auswahl von Texten von u. a. Marscha Kaleko, Else Lasker-Schüler, Annemarie Schwarzenbach, Nelly Sachs, Elfriede Gerstl bzw. Ingeborg Bachmann.
Besetzung: Maren Rahman – Stimme, Juun – Pianoguts.
www.juun.cc

Tomek Mirt/Ter
Soundbastler Tomek Mirt errichtet mit seinem Modularsynthesizer stimmige Ambientkathedralen, die näher am Soundtrack als an Noise sind. Sein Können hat er zuletzt auf den lässigen CDs »Rite of Passage« und »Fingerprints« unter Beweis gestellt. Zu Drones verschmolzene Rhythmen, Zeitlupenloops und schummrige Arpeggios lassen seine Tracks zwischen Tiefseegeflunker und Second-Hand-Vodoo oszillieren. Ein Gig zum Eintauchen in Sound & Vision.

Komora A
Die drei (bei uns praktisch unbekannten) Polen Jakub Mikolajczyk, Karol Koszniec und Dominik Kowalczyk, erweisen sich als fröhliche Meister der düsteren Elektroakustik. Es wabert, es grammelt, es knackst und knirscht. Man imaginiert verlassene Fabriksgelände, landende UFOs, ein Radio auf Sendersuche, den angsterfüllten Schrei eines Roboterschmetterlings. Das besondere an Komora A ist, dass ihre Musik, trotz der Abstraktheit, einen warmen, analogen Touch hat. Kein Wunder, dass ihr letztes Album auf Musikkassette erschienen ist. Nichts ist heimeliger als samtiges Dolbyrauschen. A Post-Industrial-Ambient-Show.
www.monotyperecords.com

Barbez featuring Pamelia Kurstin
Die neue Platte von Barbez aus Brooklyn konzentriert sich auf das musikalische Erbe der rumänischen Juden und auf den italienischen Widerstand in der Zeit des Nationalsozialismus. Ein trauriger, aber zugleich aufmunternder Hit ist das titelgebende »Bella Ciao«, den die PartisanInnen sangen, und der für die nächste Generation neu interpretiert wird. Auf John Zorns Label Tzadik zu veröffentlichen, ist sowieso eine Ehre. Die Songs auf »Force of Light« (2007) komponierte Gitarrist und Bandleader Dan Kaufman nach Gedichten von Paul Celan. Bereits 2005 arbeiteten die New Yorker mit der Theremin-Spielerin Pamelia Kurstin zusammen, die vor kurzem mit ihrer Band Blueblut ein fulminantes Konzert im Salon skug gab. Barbez wird in Wien, mit Kurstins Unterstützung, ein spezielles Programm zum Festival-Thema fahren. Dan Kaufman ist ein typischer Vertreter der Punks der zweiten Post-Shoah-Generation, die später nach anderen musikalischen Wegen suchten, um Leid und Hoffnung auszudrücken – a rich, indescribable – yet beautiful – sonic tapestry that alternates between passages of quiet intensity and passionate fury.
www.barbez.com

djs: Georg Schneider, IZC, Boris

 wienkultur_logo_RGB.jpg  ma57.jpg  ske_aume_logo_RGB_small_1.jpg

bkakunst1.jpg

Am 3.11 um 17:30 featured Wolfgang Schlag in ‚Spielräume‘ auf Ö1. Die Sendung lässt sich 7 Tage nachhören: oe1.orf.at/spielraeume | oe1 live | nachhören | skug # 100 @ fluc

upcoming:

FR | 21.11.2014 | 23:03 Uhr
Zeit-Ton extended
100 Mal „skug“.
Gestaltung: Rainer Elstner gemeinsam mit skug »details

favicon

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen