»Die Formel 1 in Österreich, meine Damen und Herren, es ist das neunte Rennen der Saison, das tausendachtundachtzigste in der Geschichte der Formel 1, ein wunderbares Rennen erwartet uns hier auf diesem vierkommadreizwosechs Kilometer langen Red-Bull-Ring mit seinen schnellen zehn Kurven, die so viele Fahrer so gerne haben, weil es so schön ist auf diesem Kurs in Spielberg, mitten in der schönen Steiermark, wo so oft Geschichte geschrieben wurde in der Vergangenheit und so wohl auch heute, meine Damen und Herren.«
Ernsthausleitner, der öffentlich-rechtliche Benzinbruder, darf wieder ein Formel-1-Rennen kommentieren, »und dann auch noch bei unserem schönen Österreich-Grand-Prix«. An seiner Seite besticht wie immer Alexander Kurz mit Expertenwissen, oder wie der »Ernstl« meint: »Unsere lebende Racing-Legende, wen gab es da noch, natürlich Niki Lauda, vielleicht Gerhard Berger, aber dann kommt schon der Alex.« Und während der Alex schon wieder was erklärt, kommt der Kanzler »bei uns« vorbei, »schönen guten Tag, Herr Nehammer, ich sehe, Sie sind auch ein großer Formel-1-Fan, wie gefällt es Ihnen hier in Spielberg, aber jetzt sagen Sie mir als Kanzler, was bringt die Formel 1 der Region, dem Standort, der Steiermark und vielen Dank Red Bull, das muss man bei aller Bescheidenheit sagen, ohne Dietrich Mateschitz würde die Formel 1 natürlich nicht in unserem schönen Österreich fahren, wunderbar, vielen Dank, Herr Bundeskanzler und genießen Sie das Rennen.«
Der Alex hat derweil auch fertig erklärt, aber »uiuiui Ernstl, schau mal nach oben« und dann schauen beide nach oben und wissen schon Bescheid: »Das Wetter ist heute die große Unbekannte«, denn »jetzt scheint noch die Sonne, vorhin war der Boden aber kurz benetzt, also es könnte auch Regen kommen, auch wenn gerade keine Wolken zu sehen sind, aber das macht es ja so spannend, diesen Heim-Grand-Prix – genauso wie die Reifenwahl«, orakelt Ernsthausleitner und fragt gleich den Alex: »Gelb, rot oder weiß, welche Reifen werden es heute werden?« Und der Alex ist sein ORF-Gehalt wert, denn: »Das sehen wir gleich im Rennen.«
Ein adeliger Vollgasprofi in Lederhosen
Weil es bis dahin »noch ein bisserl« dauert, schalten »wir jetzt gleich runter zu Ferdinand Habsburg, unserem rasenden Reporter«, der ja auch immer wieder mal mitkommentieren darf, der adelige Vollgasprofi, und »schau dir an, Alex, heute trägt der sogar eine fesche Lederhose.« Ja, ja, vorhin sei er noch mit Max Verstappen, dem überragenden WM-Führenden um die Strecke gefahren und der habe ihm, dem Ferdinand, natürlich off-the-records gesagt, wie nice er seine Lederhose finde, »also werd‘ ich ihm beim nächsten Mal eine schenken.« Aber Wurz, der nicht umsonst im Monaco residiert, interveniert: »Zu verschenken gibt‘s da nix!« Und Ernsthausleitner findet das »gechillt«. Dann duckt sich ein Rennfahrer durchs Bild, den Ernsthausleitner sofort als »Dschäko Perez« entlarvt, »schau, da hätt‘ er sich jetzt nicht wegducken müssen für uns, Alex«, aber der bringt viel Expertise mit ein: »Wahrscheinlich hat er’s eilig gehabt.«
Mittlerweile ist sich Ernsthausleitner nicht mehr sicher – »strahlender Sonnenschein oder doch ein Regenchaos« – also spannt er sicherheitshalber den »Regen-oder-Sonnenschirm« auf. Im schattigen Interview erinnert sich Ferrari-Pilot »Tscharls Lecklärk« dann gerne an früher, im Kindergarten habe er mal gelogen, das würde er heute aber bestimmt nicht mehr tun, deshalb gehe er natürlich gerne auf die Wette ein und lerne die österreichische Bundeshymne auswendig, auf dem Klavier, das er ja spiele, nicht so gut wie Mozart, aber doch, also wolle er uns »of course« die Freude mit der Hymne machen – aber nur, wenn er Weltmeister wird. Und da hätte er seiner Mutter auch zwei Gutscheine zum Rasenmähen schenken können, die löst man ja auch nie ein. Ist aber egal, weil »freilich hat der Tscharls sicherlich noch ein paar österreichische Fans mehr durch so eine tolle Sache«, sagt Ernsthausleitner und klemmt schon dem nächsten ein Mikrofon unter die Nase.
Ein Fest für benzingetränkte Seelen
»Doktor Helmut Marko« lallt wie immer wie ein Besoffener, weiß aber leider auch nicht, ob es heute noch regnen wird. Und dann läuft schon der Countdown, freut sich Ernsthausleitner und treibt die Spannung auf die Spitze: »In eineinhalb Stunden geht es schon los, meine Damen und Herren.« Weil dann beim »echt geilen« Rahmenprogramm viel zu wenig Zeit ist, muss »man jetzt mal die Startaufstellung besprechen.« Max Verstappen, der »fliegende Holländer«, steht natürlich ganz vorne, auf der Pole-Position. Und weil der grad zufällig vorbeiläuft, fragt ihn der Alex gleich mal, wie er es heute anlegen wolle, »voll auf Sieg, oder?« Doch der Max lenkt ein, es werde sicher »ziemlich knapp«, aber natürlich wolle »er absolut gewinnen«, weil das sei »ja das Wichtigste.« Ernsthausleitner hakt nach, »du hast mir gestern in einem langen Interview erzählt, dass du sehr gut mit dem Fernando Alonso von Aston Martin auskommst, ist das wirklich so?« Jedem Zweifel erhaben grinst der Max nur nette Worte in die Kamera: »Ja, das stimmt, natürlich, Fernando ist zwar schon über 40, ich glaub sogar 41, aber er ist sehr nett und doch ziemlich schnell.«
Da lacht Ernsthausleitner, weil natürlich sei Alonso schnell, aber noch schneller sei Tscharls Lecklärk, »unfassbare 48 Tausendstel haben euch gestern in der Qualifikation getrennt, das war wirklich eine knappe Entscheidung, oder?« Und der Max weiß: »Ja, das war wirklich superknapp!« Alexander Wurz spricht allen Formel-1-Fans aus der benzingetränkten Seele, wenn er »das Ganze« noch ein »bisschen genauer analysieren« will. Am wichtigsten sei nämlich Kurve 1, aber auch Kurve 2 und Kurve 3 seien sehr wichtig, eigentlich seien alle Kurven wichtig, außerdem dürfe man die Reifenwahl nicht unterschätzen, die sei auch sehr wichtig und natürlich vollkommen abhängig vom Wetter »und da schauen wir jetzt kurz nach oben in den Himmel.«
»Noch immer keine Wolken, Postkartenwetter in Spielberg, ein Fest für die Fans«, frohlockt Ernsthausleitner, der jetzt »schnell auf die Uhr« schaut und dann rüber-schaltet zu Robert Lechner. Den als untersetzte Werbetafel verkleideten Rennfahrer muss man wohl kennen, jedenfalls wurde er vom ORF damit beauftragt, »ganz private Eindrücke« aus der Box zu sammeln – »und da hinten steht schon Max Verstappen, anscheinend beim Insidergespräch zwischen dem und der und mit dem bin ich auch schon in Le Mans gefahren«, weiß Robert Lechner zu berichten. Außerdem könne man »auch einige Ingenieure ausmachen, sie analysieren wahrscheinlich Daten oder besprechen die Rennstrategie«, ist auch egal, weil »mit diesen spannenden Einblicken gebe ich zurück zu dir, Ernst.«
Aber Ernsthausleitner steckt schon mittendrin in der nächsten »wichtigen Diskussion an diesem Wochenende«: die »sogenannten Träck-Limits«, die, wie der geneigte Zuseher erfährt, das »große Fragezeichen« sind, obwohl »da vier Leute an der Strecke und nochmal sechs remote aus Genf« kontrollieren, dass »wirklich kein Fahrer über die Streckenbegrenzungen drüberfährt«, weil das »wäre schon ein ordentlicher Vorteil«, deshalb kam das »gestern in der Qualifikation auch 47 Mal vor.« Der Alex findet das »höchst fragwürdig«, aber Ernsthausleitner versucht zu kalmieren: »Meine Damen und Herren, Sie merken ja, wie unübersichtlich alles geworden ist.«
Übersichtlicher sei es hingegen beim heutigen Startfeld, weil gleich drei Piloten aus der Boxengasse starten. »Das hat gewisse Vorteile«, weiß Alexander Wurz wohl aus Erfahrung, macht aber auch einen Haken aus: »Manchmal ist es ein Nachteil, als Letzter loszufahren.« Allen Nachzüglern schenkt er sogleich wieder Hoffnung, denn: »Wenn man beim Start nicht unnötig Zeit verliert, könnte man einige Positionen gewinnen.« Und das sollte wohl auch den letzten PS-Pessimisten überzeugen.
Land der Berge, Land am Rennkurs
Dann sagt auch Max Verstappen wieder was, weil der ja immer was zu sagen hat, der Max, nur die Strategie fürs Rennen, die will er dann doch nicht live im Fernsehen ausplaudern, da kann der Ernsthausleitner noch so kritisch fragen. Der Alex ist sich derweil »fast 100-prozentig sicher«, dass er mit den »gelben Reifen« losfahren wird und schon schwirrt wieder ein Hauch von Monarchie durchs Fahrerlager, weil Ferdinand mit scharfer Auffassungsgabe besticht: Das Wetter habe sich »aufgeteilt«, haspelt der ADHS-Adelige ins Mikrofon, deshalb bedanke er sich schonmal – nicht aber bei den Meteorologen oder gar dem lieben Gott – sondern beim ORF und seiner Lederhose. Ernsthausleitner »spürt« seinen Enthusiasmus, »der ist doch ein toller Kerl, der Ferdinand!«
Plötzlich sind es »nur noch 20 Minuten bis zum Start«, deshalb fragt man die Teamchefs halt auch was. Gestern sei es sehr schlecht gewesen, weil es nass war, sagt Zac Brown, die lebende Zapfsäule von McLaren, aber heute sei es gut, denn die Sonne scheint. Und Fédéric Vasseur von Ferrari lässt wissen, dass eine trockene Strecke »natürlich gut« ist. Christian Horner von Red Bull Racing vermisst Didi Mateschitz, obwohl er »seinen Geist« noch immer »spüre«, auch deshalb sei heute ganz klar: »Wir fahren so schnell wie möglich!«
Ernsthausleitner erinnert sich jetzt auch, wie toll das war, damals 2014, als Mateschitz Österreich wieder einen »Formel-1-Grand-Prix geschenkt« hat. »Es war lange Zeit das größte Geheimnis ever«, verrät er. Dann schweigt man für einen Verunglückten und damit ist ausnahmsweise nicht Mateschitz gemeint und alle schweigen und auch der Kanzler schweigt, das kann er ja ganz gut. Nach einer langen Minute, die »unter die Haut« geht, plärrt schon die steirische Hymne los, gefolgt von der viel schöneren österreichischen, die eine Opernsängerin und »der Seiler von Speer« recht modern, jedenfalls ohne Alpen-Rock’n’Roll, interpretieren. Und natürlich findet das Ernsthausleitner »einfach cool.«
Mittendrin mag der Alex auch den »Radetzkymarsch, jöö!« ausmachen, doch sein Ko-Kommentator schränkt warnend ein: »jetzt kommt gleich einmal die Werbung.« Aber dann, ja dann geht es »wirklich los« und die Sonne scheint »zum Glück weiterhin« und »natürlich, hab ich’s gesagt?« fährt niemand mit den roten Reifen. Nach 71 Runden gewinnt ein Holländer seinen »Heim-Grand-Prix«. Der Kanzler überreicht den Pokal. Vor der Sektdusche ist er wieder verschwunden.