Mia Zabelka © Dario Nigredo
Mia Zabelka © Dario Nigredo

Nachhaltig nachhallende »Green Sounds«

Kein Greenwashing betreibt das Klangzeit Festival 2024, das am 27. Juli, 17:00 Uhr im südsteirischen Sankt Johann in Untergreith über die Bühne gehen wird. skug konsultierte im Vorfeld Impresaria Mia Zabelka, um mehr über die kuratorische Umsetzung des Mottos »Green Sounds« zu erfahren.

Wohl ist es eine Reaktion auf die um sich greifende Klimakrise, dass Violinistin Mia Zabelka, bekannt für die Ausreizung ihres Instrumentes in allen möglichen elektrischen Variationen, live vermehrt akustisch spielt. Das wird auch anlässlich der Sommeredition des Klangzeit Festivals im Klanghaus Sankt Johann der Fall sein, in ihrem Trio PHON mit Andreas Willers und Meinrad Kneer. Außerdem werden noch das slowenische Frauenduo Warrego Valles/Zahra Mani sowie Beba Fink/Patrizia Oliva dem Festivalmotto »Green Sounds« gerecht werden. Näheres zu Verursacher*innen der Klimakrise und den Möglichkeiten eines kleinen Festivals, darauf zu reagieren, im E-Mail-Interview mit Mia Zabelka.

skug: Fast habe ich den Überblick verloren. Klangzeit scheint jedes Quartal im Jahreslauf stattzufinden und an verschiedenen Orten. Bitte für die skug-Leser*innenschaft zusammenfassen, welche Veranstaltungen seit Herbst 2023 wann und wo über die Bühne gingen, mit welcher Thematik jeweils?

Mia Zabelka: Klangzeit findet viermal jährlich statt. Im Winter gibt es Workshops, im Frühjahr kooperieren wir mit Mani D.o.o. in Istrien, im Sommer sind wir im Klanghaus Sankt Johann und im Herbst kooperieren wir mit IKLECTIC London und heuer auch mit dem Sajeta Festival in Slowenien. Es gibt jeweils ein Jahresmotto, 2023 hatten wir »MICS – Music in the Countryside«, 2024 »Green Sounds«.

Du warst auch am Alpe-Adria-Projekt, das sich mit Lichtverschmutzung beschäftigt und musikalisch brillant umgesetzt wurde. Wie aber können »Green Sounds« zu einem Umdenken für eine nachhaltigere Musikwelt führen?

Verschiedene Aspekte der »Nachhaltigkeit« werden im Rahmen unserer kuratorischen Tätigkeit in den von uns entwickelten Programmen immer wieder thematisiert. Die Künstler*innen wurden bei »Green Sounds« aufgefordert, sich in ihren künstlerischen Produktionen mit diesem Thema zu beschäftigen. Sie sollten dieses Thema über ihre musikalische Tätigkeit hinaus auf ihrer Agenda haben. Z. B. können im Rahmen von Sound-Art-Projekten mittels Field Recordings die Auswirkungen des Klimawandels in akustischer Form künstlerisch untersucht werden. Im Kontext von »Green Sounds« werden aber auch die Position der Künstler*innen und die Bedeutung ihres Wirkens in unserer Gesellschaft (Fair Pay etc.) thematisiert.

Beba Fink © Martina Šimkovičová

Als bildende Künstlerin sowie Natur-, Landschaftsvermittlerin ist Beba Fink eine gute Wahl, das diesjährige Festivalthema zu repräsentieren. Wie ergänzt sich Finks Rolle mit jener der italienischen Sound Artistin Patrizia Oliva? 

Beba Fink thematisiert gemeinsam mit Patrizia Oliva den Erhalt spezieller Pflanzenwelten. Dabei beschäftigen sie sich mit einer ganz besonderen Pflanze, die hauptsächlich hier in Untergreith und in nur wenigen Regionen des Alpen-Adria-Raumes vorkommt. Es handelt sich um die sogenannte Jurka Speiseweintraube, eine Isabella Traube, die es hauptsächlich in unserer Region gibt. Aus dieser Traube wird z. B. Uhudler (so heißt der Wein im Burgenland, in der Südsteiermark Heckenklescher) hergestellt.

Wie seid ihr auf Beba Fink gestoßen? Wird es auch eine Art Round Table dazu geben, was Festivals dazu beitragen können, nachhaltiger zu werden? Per se ist ja allein wegen der Reise-Emissionen (von Artists und Publikum) eine Green Revolution im Event-Bereich wohl sehr schwierig umzusetzen?

Beba Fink wohnt ganz in der Nähe des Klanghaus Sankt Johann und ist auch bereits zweimal bei uns aufgetreten. Einen Round Table wird es diesmal nicht geben, aber unsere Kulturinitiative arbeitet intensiv zum Thema »Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb«. Das längerfristige Ziel innerhalb unserer Handlungsfelder und Maßnahmen ist die Entwicklung eines klimafitten Leitbildes für unseren Kulturbetrieb Klanghaus Sankt Johann. Die Maßnahmen umfassen z. B. folgende Handlungsfelder: Ökologie (Gebäude, Infrastruktur, Mobilität, Transport, Beschaffung, Ressourcen), Ökonomie (z. B. Fair Pay, Fair Trade), Soziales (Interne Organisation, Governance Prozesse, Kommunikation, Vernetzung, Kooperationen, Wirken in der Gesellschaft), Kultur (Programm, künstlerische Produktion, Vermittlung). Kleinere Kulturbetriebe haben gegenüber den großen Festivals den Vorteil, dass sich die Kulturarbeit umsichtiger nachhaltig gestalten lässt. Wir verwenden beispielsweise im Bereich des Caterings keine Plastikbecher bzw. -teller und bieten hinsichtlich Publikumstransport ein Shuttle-Service von bzw. zu dem nächstgelegenen Bahnhof an. Den Künstler*innen empfehlen wir, ebenfalls per Bahn anzureisen.

Warrego Valles © PhonoFemme

Unter Warrego Valles firmieren die Produzent*innen und DJs Nina Hudej und NinaBelle aus Slowenien. Eigentlich sind die Warrego Valles eine Reihe von Kanälen in einem Flusstal im Thaumasia-Viereck des Planeten Mars, die nach einem australischen Fluss benannt sind. Was unweigerlich zur Frage führt, warum Überreiche aus dem Silicon Valley wie Elon Musk in der Expansion auf den Mars eine Möglichkeit sehen, die verbrannte Erde – an deren Zerstörung sie im Übermaß beteiligt sind – hinter sich zu lassen? Natürlich interessiert in diesem Kontext trotzdem mehr, wie Warrego Valles live klingen?

Dieses Mal erwartet uns nicht der typische Clubsound von Warrego Valles, sondern ein eher experimentelles Set, in das sie Umgebungsgeräusche aus Sankt Johann und den akustischen Klang einer Querflöte einbeziehen. Elon Musk geht es wohl um die Weltraumwirtschaft, die Expert*innen als nächste industrielle Revolution bezeichnen. »Green Sounds« sollte auch die Frage nach einer Weltrevolution aufwerfen. Die Politik ist leider, weil sie die mächtigen Lobbys der fossilen und Tech-Konzerne gewähren lässt, nicht dazu imstande, das Ruder herumzureißen. Rechtspopulismus ist nicht die Lösung, sondern ein negatives Symptom der mangelnden Besteuerung des Überreichtums, die den Weg in den Faschismus und Klimaabgrund befeuert. 

Kennst du das Buch »Limitarismus – Warum Reichtum begrenzt werden muss« der belgisch-niederländischen Philosophin und Wirtschaftswissenschaftlerin Ingrid Robeyns? Inwiefern könnte diese Tatsache Thema der diesjährigen Summer Edition des Klangzeit Festivals werden?

Zum Limitarismus: Ich gebe dir absolut recht. Das Problem ist allerdings, dass er nicht von der Mehrheit der Menschen eingefordert wird. Mit der Reichensteuer punkten Parteien bis dato nicht wirklich, die Menschen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Flüchtlingsfrage. Es gibt zu wenig Aufstand seitens der Gesellschaft. 

Zahra Mani © Urška Usavic

Das ist deswegen so, weil es die konservativen Mächte geschafft haben, den auf den Österreicher Hayek zurückgehenden Neoliberalismus in alle Hirne und beinahe alle Institutionen zu verpflanzen. Diese Hegemonie, die viel zu sehr auch von der Sozialdemokratie mitgetragen wurde, stellt den Eigenvorteil vors Gemeinwohl. Weil die wahre Ursache Statecapture ist (in Österreich sollte die ÖVP deswegen abgewählt werden), was jede*r Staatsbürger*in spürt (Abbau Gesundheitssystem, zu wenig Geld für Bildung etc.). Dies nicht zum Hauptthema zu machen ist ein absolutes Versagen liberaler Medien, nicht nur jener im Besitz von Mogulen. Diese letztlich Menschen und Umwelt verachtende Hegemonie des Spätkapitalismus zu durchbrechen, ist schwierig und führt zur Verzögerung der dringend nötigen Dekarbonisation. Wenn die FPÖ gegen den Import von italienischem Müll wettert, wird nur der nationale Egoismus befördert und nicht erwähnt, dass es sich um »wertvollen« Müll handelt, dessen recycelte Stoffe zu verminderter Rohstoffextraktion beitragen. Inwiefern kann Klangzeit diese Malaise reflektieren? 

Das reichste Prozent der Weltbevölkerung verursacht so große Klimaschäden wie fünf Milliarden Menschen, also zwei Drittel der Weltbevölkerung. Der aktuelle Oxfam-Bericht macht dramatisch deutlich, wie sehr Superreichtum die Lebensgrundlagen der Menschheit zerstört, wie sehr er letztlich das Leben aller Menschen auf dem Erdball gefährdet. Wer also eine ernsthafte und glaubwürdige Klimapolitik machen will, muss den Reichtum umverteilen. Ich denke, dies ist den Menschen nicht wirklich bewusst und soll u. a. auch im Rahmen von »Green Sounds« thematisiert werden.

Du selbst wirst im Trio mit Jazz-Gitarrist Andreas Willers und Bassist Meinrad Kneer auftreten. Was darf das geneigte Publikum erwarten? Außerdem: Zahra Mani wird in der Summer Edition mit welchem Projekt überraschen?

Es gibt Auseinandersetzungen mit dem Jahresthema aus unterschiedlichen musikalischen Perspektiven. Ich werde diesmal mit meinem seit 2015 existierenden Trio PHON feat. Andreas Willers und Meinrad Kneer auftreten. Wir werden ein vollkommen akustisches, also unplugged Set spielen. Für eine Elektroakustikerin und Klangkünstlerin wie mich ungewöhnlich, obwohl ich gerade von einer großen Europa-Tournee mit der amerikanischen Schlagzeugerin Tracy Lisk zurückgekommen bin. Auch hier spielte ich ausschließlich die akustische Violine. Vermehrt beschäftige ich mich in letzter Zeit mit akustischen, also nicht-elektronischen Sounds. Und wenn ich reise, dann hauptsächlich per Bahn. Zahra Mani präsentiert diesmal ein neues Solostück. In ihrer Musik geht es immer um das Gehörte in Form von Feldaufnahmen und eine Interaktion zwischen Instrumenten und gefundenen Klängen. Ihr neues Stück heißt »Foreign Frogs« und reflektiert musikalisch Identitäten und Wahrnehmung, Mensch und Natur, pantheistische Ontologien in politisch bedrohlichen Zeiten.

Link: www.klang-haus.at

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