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Marquis de Sade

»Sade komplett und ohne Vorbehalte lesen. Dafür setze ich mich jetzt ein und da gibt es auch kein Gestern mehr.« Und genau das sagt uns Jean-Jacques Pauvert, der allererste Herausgeber des Gesamtwerkes unseres lieben Donatien Alphonse François Marquis de Sade.

Lassen wir all die Digests und Essays beiseite, die sich sowieso nur an die Institution richten, um das Werk zu umklammern (oder es auch verschlucken, indem sie es ein Werk nennen). Denn ein Gesamtwerk, einen ganzen Autor zu lesen, hei&szligt bereits über den Textkorpus in die Literatur eintreten und nicht über irgendeine kompilatorische Idee oder was wei&szlig ich für ein kulturelles Panorama (wollen Sie die Meinung einer Gruppe wiederholen, wo es sich doch anbietet, dass man Ihnen direkt ins Ohr spricht?) Leider gibt es immer nur Wenige, die diese Art von Abenteuer auf sich nehmen wollen. Bataille, Céline, Proust, Nietzsche, Flaubert ?? vielleicht Guitry und Augustin, aber vor allen anderen: de Sade. Ich habe fast Lust darauf, zu sagen, dass Sade der allererste ist, der Sie in die Kraft des Gesamtwerks einführt.

»Roman nennt man ein fabelhaftes Werk, das nach den einzigartigsten Abenteuern des menschlichen Lebens komponiert ist.« [1] »Das Menschenopfer zeugt zugleich von einem Exzess des Reichtums und einer sehr schwierigen Art der Verschwendung.« [2] »Und Gott, zu unserem Heil erfüllt von Liebe, verbraucht sich dabei, in dieser Seele eine viel grö&szligere Liebe zu schüren und einen noch grö&szligeren Schmerz.« [3] Und dies zum Schluss: »Das wirkliche Objekt, das die Neurose sucht, ist der Befehl, von dem sie will, das er befiehlt. Sie will, dass man sie anfleht. Das einzige was sie nicht will, ist den Preis dafür zu bezahlen.« [4]

Für eine Sekunde kann man vergessen, was der Stil damit zu tun hat, und kommt so zum Eingemachten:

»Und die Konvulsionen, die Spasmen und Schmerzen ?? ich wollte die Ursache dieser Synkope analysieren und ich glaube, sie in der extremen Dichte gefunden zu haben ?? so wie wenn man die Sahne durch den Flaschenhals eines sehr engen Flakons drücken wollte. Diese Dichte lässt die Gefä&szlige anschwellen und zerrei&szligen ?? dazu kann man sagen: der Pfeil muss häufig abziehen. Ich wei&szlig gut, dass er es muss – aber sie will nicht – und sie zu nötigen, wenn sie nicht will, tötet meine Dämpfe ??« [5]

Da wir so wenig Zeit haben, um in das Werk einzutauchen, öffnen wir es irgendwo. Es wird immer Zeit geben, das Ganze zusammenzuflicken:

»Ich muss Ihnen ja nicht sagen, dass der Hang zur Sinnenfreude bei zurückhaltenden Frauen der einzige Beweggrund ihrer Intimität ist: es ist nicht die Tugend, die sie bindet, sondern das Lecken; wir finden Vergnügen an jenen, die für uns einen Steifen haben, und Freunde werden jene, die uns einen runterholen. Ausgestattet mit einem äu&szligerst aktiven Temperament, waren meine Finger schon mit neun Jahren daran gewöhnt, auf die Leidenschaften meines Kopfes zu reagieren, und ich habe von diesem Alter an nichts anderes angestrebt, als die glückliche Möglichkeit zu finden, mich auszubilden und in eine Karriere zu werfen, zu der mir die frühreife Natur mit so viel Entgegenkommen die Pforten geöffnet hatte ??«

»Welchen Sto&szlig man der christlichen Moral versetzt, wenn man damit beginnt, alle Prinzipien in Frage zu stellen, die sie aufgestellt hat! Aber wir schwatzen nur davon. Reden wir heute von etwas anderem. Ziehen Sie sich mit uns aus ??«

»Die Finger unserer charmanten Oberin kitzelten die Erdbeere meiner Brust und ihre Zunge zappelte in meinem Mund. Sie bemerkte bald, dass ihre Zärtlichkeiten meine Sinne mit einer solchen Macht betörten, dass ich mich fast schlecht befand. ??Oh, Schei&szlige??, sagte sie, ohne sich in der Energie ihrer Ausdrücke zurückzuhalten.«

»Sie legte uns neben einander auf das Bett; nach ihrem Rat kreuzten sich unsere Hände und wir beschmutzten uns wechselseitig. Ihre Zunge drang zuerst ins Innere der Fotze von Euphrosyne ein und mit beiden Händen kitzelte sie uns das Arschloch; sie verlie&szlig manchmal die Fotze meiner Kumpanin, um meine zu pumpen, wodurch jede dreifache Lust auf einmal erhielt. Stellen Sie sich unsere Entladung vor! Nach einigen Momenten kam diese Schelmin wieder. Wir zeigten ihr unsere Hintern, mit denen sie es trieb, indem sie unseren Anus weitete. Sie bestellte unsere Ärsche, schlug sie, und machte uns vor Lust sterben. Sie erhob sich wie eine Bacchantin: ??Gebt mir all das zurück, was ich Euch gegeben habe??, sagte sie, ??bearbeitet mich alle beide??. Ich werde in Deinen Armen liegen, Juliette, ich küsse Deinen Mund, unsere Zungen verschränken sich ?? drücken sich ?? saugen sich. Du drückst mir diesen Glasbecher in die Gebärmutter, verfolgst sie indem Du mir eine knallst. Und Du, meine Euphrosyne, Du bepackst Dich mit meinem Arsch und bearbeitest ihn wie ein kleines Etui; viel zu eng für meine Fotze, ist das alles, was sie braucht ?? Du, mein Schätzchen, hörst nicht auf, mich zu küssen, und Du verlässt meine Klitoris nicht. Das ist der wahrhaftige Sitz weiblicher Leidenschaft. Reibe sie bis zum Zerkratzen, ich bin hart ?? ich werde kraftlos, ich brauche harte Sachen; ich will mich mit Euch im Dreck wühlen und mich zwanzig Mal hintereinander entladen« [6]

Im Grunde genommen handelt es sich um etwas, das uns auch der Mystiker Scheffler sagt:

»Der Arme im Geist, ein wahrer armer Mensch steht ganz auf nichts gericht‘. Gibt Gott ihm gleich sich selbst, ich wei&szlig, er nimmt ihn nicht.« [7]

Es geht nichts über die Heirat, die Scheidung und die Konfrontation mit Texten. Wie ein Bild also ??

»Es ist das Begehren, welches durch die (wahre) Kenntnis eines Objekts das Sein selbst durch sich selbst transformiert, indem es sich einem Subjekt durch ein anderes Subjekt des Objekts offenbart, das ihm opponiert. Es liegt also in und an seinem Begehren, dass der Mensch sich – für sich und für andere – konstituiert und entdeckt, wie ein Ich, das vom Nicht-Ich wesentlich unterschieden und radikal entgegengesetzt ist. Das (menschliche) Ich ist ein Ich des Begehrens, oder kommt von ihm her.« [8]

Und das hat gar nichts mit Folgendem zu tun:

»Beobachtung Nr. 106: Ein Wiener besucht regelmä&szligig Prostituierte, nur um ihnen das Gesicht mit Seife zu beschmieren und sie dann am ganzen Körper zu rasieren. Er verletzt die Mädchen nie, kommt aber so zum Orgasmus und zur Ejakulation.« [9]

Oder wie ein anderer sagt (Jacques Lacan): »Man stellt nur Fragen, um die Antwort zu bekommen.«

Aber kommen wir auf Sade zurück, denn wenn wir hier mehrfach abschweifen, dann nur, um eine »komplette« Idee von ihm zu bekommen. Denn dieses Spiel der Spiegel und Bilder bringt nur etwas, wenn wir uns einer solchen Gesamtlektüre versichern.

»Und so setzte er sich auf einen Stuhl und erging sich darin, meine Arschbacken zu streicheln, wobei dieser Blick ihn zu berauschen schien. In einem Moment spreizte er sie, und ich fühlte, wie seine Zunge mich im Innersten penetrierte, um – wie er sagte – unbestreitbar zu überprüfen, ob es auch wahr sei, dass das Huhn Eier legt: ich gebe damit seine eigenen Ausdrücke wieder. Aber ich erreichte das nicht. Er schwenkte selbst das kleine trockene Glied, das ich ganz unbedeckt fand. ??Also??, sagte er, ??mein Kind, machen wir uns an die Arbeit, die Schei&szlige ist bereit, ich fühle es. Kacken Sie nur Stück für Stück und geben Sie darauf Acht, dass ich ein Stück verschlingen muss, bevor Sie das nächste herauspressen. Mein Geschäft braucht Zeit, aber es pressiert nicht. Ein kurzer Schlag auf die Arschbacken wird sie davon in Kenntnis setzen, dass sie pressen sollen, aber nur eins nach dem anderen.?? Und so war alles ganz nach seinem Belieben und als Objekt seines Kultes angeordnet. Er öffnete sein Maul, und ich legte ihm gleich ein Stück Kot – so gro&szlig wie ein Ei – hinein. Er lutschte es, er drehte und wendete es tausend Mal in seinem Mund, er zerkaute es, er genoss es, und nach zwei oder drei Minuten, sah ich deutlich, wie er es verschluckte. Ich kackte wieder, gleiche Zeremonie, und da mein Verlangen gewaltig war, füllte und leerte sich sein Mund zehn Mal hinter einander, ohne dass er dessen überdrüssig wurde. ??Es ist fertig??, sagte ich ihm am Ende, ??ich presse nunmehr ohne Zweck??. ??Ja??, sagte er, ??meine Kleine, ist es fertig? Dann muss ich jetzt abspritzen, indem ich auf diesen schönen Hintern klatsche. Oh, Heiliger Gott! Dass Du mir Leidenschaft gibst! Ich habe nie köstlichere Schei&szlige gegessen, das bestätige ich der ganzen Welt! Gib‘ es mir, gib‘ es mir, mein Engel, gib mir diesen Arsch, auf dass ich an ihm saugen, ihn verschlingen kann.?? Und indem er ein Stück seiner Zunge hineindrückte und dabei masturbierte, ergoss sich der Libertin mit einer Vielzahl von dreckigen Wörtern und Schwüren auf meinen Beinen, was, so wollte es mir erscheinen, zur Vollendung seiner Ekstase notwendig war ??« [10]

Der Berühmte: »Man kann über alles Lachen, aber nicht mit der ganzen Welt«? Vielleicht ?? warum eigentlich nicht.

»Ich setzte mich hin, das Essen war so köstlich wie der Libertin; die Frauen – nun wieder angezogen – zeigten mit den Berührungen ihrer Geilheit alles, was die Hände der Gnade ihnen an Charme zugeteilt hatten. Eine füllte ihre Kehle bis zum Anschlag, eine andere bediente einen Hintern, der heller war als ein Albatros. Unsere Fotzen feierten. Es geschieht nur mit solchen Leuten, dass solche Reize uns glücklich machen. Wenn es darum geht, die Natur zu fassen, so muss man sie beleidigen.« (6)

Bleibt also nur, das alles komplett zu lesen ?? und ein bisschen zwanghaft. Das läuft nicht schlecht, oder? Es läuft noch besser, wenn man es wenigstens liest.

Post-Skriptum

Und weil die Revolution eine sehr ernste Sache ist, hat das alles handgreifliche Konsequenzen. Bitte lesen Sie mir das: »Bis dahin, mein Freund, war ich ein Bengel. Ich lief zu den Schönheiten, ich wählte das Schwierige. Doch jetzt ereilte die Tugend mein Herz. Ich will nicht mehr herumsauen, höchstens für Geld.«

»Le Libertin de qualité ou Ma Conversion«
»Le comte de Mirabeau« (1783)

Quellentexte:

[1] Sade: »Idée sur les romans. In Les Crimes de l’Amour«.
[2] George Bataille: »L’ordre Militaire in Theorie de la religion (II- 1)«
[3] Sainte Catherine de Sienne: »Le livre des Dialogues, XVII«
[4] Jacques Lacan: »Le Seminaire X, ??L angoisse??«, 1962/63
[5] Sade: »Lettre de la Bastille«, 1784.
[6]) Sade: »Histoire de Juliette – Première Partie«
[7] Angelus Silesius: »Cherubinischer Wandersmann«, 1657
[8] Alexandre Kojève: »Introduction à la lecture de Hegel (et exergue
à la Theorie de la Religion de G. Bataille)«
[9] Krafft-Ebing: »Psycophatia Sexualis«
[10] Sade: »Les cent vingts journèes de Sodome«

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