Island fühlt sich nicht nach Synthesizern an. Oder zumindest bringt einen die wilde Natur der Insel nicht auf die Idee, einen Synthesizer zu verwenden, wenn man ihr ein musikalisches Denkmal zu setzen beabsichtigt. So oder so ähnlich muss die Schlussfolgerung lauten, nachdem man sich »Losers Can Win« von Starwalker angehört hat. Der Pressetext zur EP verrät nämlich, dass der Sound dieser Band von den landschaftlichen Weiten der Herkunftsländer ihrer beiden Mitglieder inspiriert ist. Und eines dieser Mitglieder heißt Jean-Benoit Dunckel und ist hauptberuflich Tastenmann der französischen Gruppe Air.
Nun gleicht der Space-Electro von Starwalker allerdings ziemlich exakt jenem Soundgemisch, das Dunckels Hauptband seit über fünfzehn Jahren braut. Einziger Unterschied sind Airs oszillierende Synthesizer-Kaprizen; die sucht man wie erwähnt auf »Losers Can Win« vergeblich. Stellt sich also die Frage, warum Dunckel für die ebenfalls in Zweierformation agierenden Starwalker den isländischen Musik-Multitasker Barði Jóhannsson mit an Bord geholt hat, wenn dessen Präsenz dann nur durch das Fehlen eines Merkmals auffällt. Und das, wo es doch immer heißt, Björk und Sigur Rós würden gerade deshalb so eigenbrötlerische Musik machen, weil sie, anstatt Drogen zu nehmen, nur aus dem Fenster zu schauen brauchen, um den ultimativen Kreativitäts-Flash zu bekommen. Möglich also, dass Jóhannsson in Reykjavík irgendwo zwischen Bezirksamt und Fleischhauerei wohnt. Wie dem auch sei, bei Starwalker hat offensichtlich Dunckel die Hosen an. Vielleicht will der bald 45-jährige mit »Losers Can Win« auch ein wenig die Tatsache hervorheben, dass, wenn heute vor auratischer Space-Kulisse schläfrig in ein Mikrofon gehaucht und das Ergebnis in der Folge von Pitchfork über den grünen Klee gelobt wird, dies ein kleines bisschen auch der Verdienst von Air und deren dreamy Soundscapes ist. Eventuell ist Starwalker für solchen Tatsachenrapport sogar das geeignetere Vehikel, schließlich stehen die vielen Dream-Popper oft gar nicht so sehr auf dominante Synth-Lines. Demgegenüber zeigten sich Air mit »Love 2« und »Le Voyage Dans la Lune« zuletzt wieder recht ver- liebt in ihre Tastenburgen. Die Frage nach dem Sinn von Starwalker kann somit doch noch beant- wortet werden.
Es ist ganz einfach so, dass Air früher zwar von sexy Boys sangen, heute aber keine mehr sind. Mit dem dahingestöhnten Titelsong der Starwalker-Platte ist dieses Problem gelöst. Der klingt über- raschend fresh und eben auch sexy und ein bisschen nach Porno-»Twin Peaks«. Im dazugehörigen Video spielen Dunckel und Jóhannsson Seite an Seite mit nur spärlich bekleideten und im Thorax- bereich recht ausgiebig gesegneten Musikerinnen. Immer diese Bubenträume! An »Moral Sex« ist da eigentlich nicht zu denken, dennoch haben Starwalker eines ihrer Lieder so genannt. Ein Glockenspiel unterstützt kinderliedhafte Melodien, die durch Raum und Zeit schweben. Starwalker vereinen dirty- ness mit Infantilität, wer kann schon von sich behaupten, dies auf legale Art zuwege gebracht zu haben? Nicht umsonst lief in der Fernsehwerbung von »147 – Rat auf Draht« anno dazumal das Lied »La Femme d’Argent« von … Air!