Letzte Wiener Lesebühne © Dominika Krejs
Letzte Wiener Lesebühne © Dominika Krejs

(Letzte Wiener) Lesebühne … endlich auch in Wien gelandet – Teil 1

Spannend, »neu« und gut besucht ist die für gewöhnlich einmal monatlich stattfindende Letzte Wiener Lesebühne im Vienna Ballhaus in der Berggasse 5. skug war vor Ort und hat zwei der Lesebühne-Initiator*innen interviewt: Stefanie Sargnagel und Severin Groebner sowie den Gast Christiane Rösinger.

Positive Aussichten sind das keine, die die Musikerin (vormals Lassie Singers, Britta) und Autorin Christiane Rösinger bezüglich Feminismus, Liebeskritik und unserem neoliberalen, kapitalistischen Ausbeutungssystem konstatiert, das mehr und mehr zu prekären Künstler*innenexistenzen führt. Es mag zuweilen ein gewisser Kulturpessimismus durchscheinen, aber sie hat immer noch viel zu sagen und es ist wohl auch okay, den Kampf der jüngeren Generation zu überlassen. Lust aufs Musikmachen hat die Berlinerin zuweilen auch noch und lebt diese heute vermehrt am Theater aus. Sie bietet somit äußerst wichtige Perspektiven zur aktuellen Lage in diesem Interview, das sie skug gemeinsam mit Stefanie Sargnagel gab. Stefanie Sargnagel erklärt uns zunächst, wie sie zur Lesebühne kam und wie sie sich deren Positionierung zwischen Kabarett, alten Herren von der »Titanic« und »irgendwelchen Gedichten« vorstellt. Im zweiten Teil des Interviews kommt Severin Groebner zu Wort, der gemeinsam mit Hosea Ratschiller Hauptinitiator der Letzten Wiener Lesebühne ist.

skug: Wie habt ihr die Letzte Wiener Lesebühne gegründet? In Abgrenzung zur Ersten Wiener Lesebühne, die es schon gibt? Was war die Idee?
Stefanie Sargnagel: Also ich habe mir da gar nicht so viel dabei gedacht. Die Tradition der Lesebühnen gibt es ja in Deutschland anscheinend sehr viel länger und die sind sehr gut besucht. Und die Idee war, dass der Severin und der Hosea das mal in Wien probieren wollten, und dann haben sie mich auch mit ins Boot geholt. Um dann noch jemanden anderen dabei zu haben, denn die beiden machen ja schon sehr klassisch Kabarett. Ich war ein bissl passiv bei der Gründung, kann man sagen. Ich war da nicht so die Initiatorin. Aber ja, ich finde diesen Aspekt des Leute-Einladens ganz gut.

Autor*innen/Schriftsteller*innen geben heute immer häufiger Lesungen. Es scheint ein bisschen so, als wolle man aus Autor*innen so Aushilfskabarettist*innen machen oder sie zumindest während der Lesungen als »Stars« inszenieren. Wie steht ihr zu dieser Entwicklung?
SS: Heute sind es hier wirklich spezifisch satirische und humoristische Texte, die die eingeladenen Autor*innen mitbringen. Aber das Konzept ist halt ein bisschen breiter gefasst. Weil ich es interessanter finde, auch andere Sachen und andere Projekte einzuladen. Ich habe manchmal so das Gefühl, man stellt sich den klassischen 50-jährigen »Titanic«-Autor-Mann vor. Irgendwie fände ich es lustiger, wenn man auch so Sachen reinnimmt, die gar nicht so reinpassen, die aber auch cool sind. Ich bin die Neue, die dabei ist. Die Typen, die sonst vorgeschlagen werden, sind alle so arrivierte Satiriker, wie die »Titanic«-Autoren, die das eh schon immer so machen. Also viele, die angefragt werden, sind eher Kabarettisten und Kabarettistinnen, die Kolumnen geschrieben haben, die eindeutig aus dem Humording kommen. Weil wir immer unterschiedliche Leute einladen können, wird es vermischter. Manchmal lesen Kabarettleute, manchmal liest Daniel Wisser irgendwelche Gedichte vor. Wir haben alle unterschiedliche Geschmäcker und Ansichten und das mischt sich dann alles durch. Ich mag es lieber, wenn es weniger Kabarett ist. Und auch einmal ganz was anderes Platz findet. Aber so mischt es sich ein bisschen. Ich schau mehr auf Diversity als die anderen, glaub’ ich.

Welche Konsequenzen und Auswirkungen hatte die feministische Riot-Grrrl- und Ladyfest-Bewegung der 1990er auf die Geschlechterthematik in der Veranstaltungskultur/U-Musik der Gegenwart?
Christiane Rösinger: Ich sehe da keine große feministische Bewegung, muss ich sagen. Also wenn, dann gab es das schon immer. Es gab ja schon immer Frauen, die gesagt haben, wir finden das blöd, dass nur die Typen den Spaß haben in der Musik oder auf der Bühne stehen. Das gab es schon immer. Also das gab’s vielleicht in den 1980ern oder 1990ern mehr wie jetzt. Im Moment seh’ ich da gar nicht so arg viel. Also ich freu mich schon darüber, dass es immer wieder Neue und Jüngere gibt. Aber manchmal, wenn die so ernsthaft Theorie schreiben, dann denke ich mir: Mein Gott, das wissen wir doch alles schon. Das find’ ich manchmal das Krasse daran, dass alles nochmal verhandelt werden muss. Also jetzt in dem Theoriezeugs.

Das heißt, du meinst auch, dass sich in der U-Musik/im Musikbusiness nicht wirklich etwas getan hat, dass beispielsweise mehr Frauen an den Reglern sitzen und Entscheidungsgewalt haben?
CR: Ja, ich muss sagen, mich interessiert das auch gar nicht mehr so. Ich habe mich über 30 Jahre darüber aufgeregt, ich habe keine Lust mehr. Mich interessiert auch die Musik nicht mehr so, ehrlich gesagt. Also das bissl Musik, das mich interessiert, mach’ ich selber. Und ich höre auch keine Musik mehr. Das hört sich jetzt blöd an – so wie die alten Leute eben. Aber es interessiert mich nicht. Neue Bands, mein Gott, ob da jetzt wieder fünf Hanseln kommen und Indie-Rock machen oder so, das geht mir am … das ist mir egal. Alle zehn Jahre vielleicht sehe ich mal eine Band, wo ich denke, das ist doch jetzt nicht … Das letzte Mal waren das Ja, Panik oder Isolation Berlin. Aber das interessiert mich nicht mehr und ich hab’ jetzt auch keine Lust, mich da drüber aufzuregen. Ich bin jetzt über 50. Soll ich jetzt noch immer klagen? Weißte: Das ist jetzt auch nicht so, dass ich das Feld überlassen will, aber das müssen jetzt die anderen machen. Das müssen die Jüngeren machen. Mir ist das jetzt egal.

Aber einige Projekte hast du trotzdem gerade laufen?
CR: Ja, ich habe das Theater für mich entdeckt. Was gut am Theater ist: Dass man da besser bezahlt wird. Weil Musiker*innen verdienen ja praktisch nix. Das können sich andere Leute gar nicht vorstellen. Die Schriftsteller*innen jammern immer, wie wenig sie verdienen, aber die Musiker*innen verdienen noch weniger. Und am Theater wird man bezahlt und es ist alles da und es kommen so viele Berufe zusammen, soviel Gewerke. Das find ich super. Und das Beste ist, dass ich jetzt ein Musical mache. Zum Thema »Wohnen«. Es ist in Berlin ein großes Thema, weil wir alle Angst haben, dass wir vertrieben werden und so. Und das finde ich im Moment total gut, weil es auch immer eine Projektarbeit ist. Und da sind dann die unterschiedlichsten Leute … aus der Tontechnik und Kostüm und so weiter. Das ist das, was mir Spaß macht. Da spielen fast nur Frauen mit. Fast 30 Leute sind beteiligt. Finde ich jetzt interessanter wie Musikmachen.

Mit Buchproduktion bzw. Literatur und Musik beschäftigst du dich zurzeit also nicht?
CR: Nein. Schreiben ist für mich immer eine Qual gewesen. Das Auftreten und Lesen auf der Bühne, das macht mir schon Spaß. Aber bei dem Musical ist es zum ersten Mal, wo ich mir denke: So, jetzt stehe ich auf und gehe schreiben. Das ist mir völlig unbekannt gewesen.

SS: Wenn man noch mehr mit anderen zusammenarbeitet, ist man nicht so allein.
CR: Das Schreiben ist immer so eine einsame, unsexy Angelegenheit. Und die Verlage jammern alle so rum. Ich hab’ da ja nie so wirklich viel verkauft. Im Gegensatz zu anderen Fischer-Autoren. Und da müsste ich mich jetzt schon schwer ins Zeug legen, um da nochmal so was vorzulegen. Und eigentlich hab’ ich auch keine Lust mehr, so richtig.

Ich habe wieder »Liebe wird oft überbewertet« von dir gelesen.
CR: Da lese ich heute was draus vor.

Das heißt zur Pärchenlüge, Pärchendiktatur und Diskriminierung von Singles forscht du nicht mehr?
CR: Ich habe ja ein Standardwerk dazu geschrieben. Also viele schreiben was und dann bleiben die immer bei dem einen Thema. Ich hab’ immer ganz unterschiedliche Themen. Das letzte Buch ist über Deutschunterricht mit Flüchtlingen. Ich hab’ also immer andere Themen. Aber über das Pärchenthema ist jetzt auch genug gesagt. Denn wenn man zu viel über die überbewertete Liebe schreibt und redet, dann bewertet man sie ja gerade über.

Und was wird aus der Flittchenbar im Südblock, dem Berliner Club am Kottbusser Tor?
CR: Habe ich auch gerade nicht. Hört sich so an, wie wenn ich mit allem aufgehört hätte. Ich mach’ jetzt erstmal eine Pause. Habe ich jetzt sieben Jahre lang gemacht. Ist schon lange.

Und deine Wien-Connection mit Andreas Spechtl?
CR: Der ist auch in Berlin. Er macht auch bei dem Musical mit.

Du bist auch einmal einen Abend mit der Flittchenbar hier in Wien aufgetreten. Gibt es da keine Fortsetzung?
CR: Ja, im Fluc. Aber nee, das war irgendwie so organisiert, dass, obwohl es ausverkauft war, die Veranstaltenden gesagt haben, sie haben so viel Minus gemacht. Das war irgendwie schlecht organisiert und dann waren die unzufrieden, obwohl es ausverkauft war, und dann dachte ich, das ist irgendwie eine schlechte Basis. Also was willst du denn noch machen, außer ausverkauft? Ne. Ich mach mal ’ne Pause.

Hier geht es zu Teil 2 des Interviews.

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