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Tied + Tickled Trio and Billy Hart

»La Place Demon«, »Own your Ghost«

Morr Music/Indigo

»Der Schlagzeuger ist der wichtigste Mann in der Band, denn er kann alles ruinieren«, sagt Pat Metheny. Das Rockschlagzeug ruiniert, indem es Widersprüche, Undurchdachtes und die gähnende Leere von Rockautomatismen mit Lautstärke und »Power« übertäubt, einem Entäu&szligerungseindruck also, der alles Doch-Nicht-So-Ganz-Entäu&szligerte zudeckt. Das Jazzschlagzeug ruiniert eher durch Zurücknahme, als Instrument unter Instrumenten, indem es freilegt, was nicht funktioniert. Insofern ist es durchaus mutig, dass das Tied + Tickled Trio nun mit dem knapp 70-jährigen Billy Hart aufnimmt, der sich bereits quer durch die Jazzgeschichte getrommelt hat (bei Wes Montgomery, Pharaoh Sanders oder Herbie Hancock). Er könnte ja alles auffliegen lassen, den Jazz des Trios als postmoderne Unschärferelation outen, als platt um den hei&szligen Brei swingende Büromusik für Nichtfestangestellte. Sein mehr getupftes als gehauenes Spiel desavouiert aber nichts, sondern erschlie&szligt der Tied + Tickled-Musik neue Raumerfahrungen und eine Suspenseform von Lockerheit, die aber genau kein »Anything-flows« ist. Was auf früheren Platten also im Ernstfall doch geschmackvoll vor sich hin blubberndes Zitat war, staucht er zusammen. So wird alles möglich, insofern es auch nötig ist, nämlich aus den Bewegungsgesetzen des Materials kommt. Die Sprünge zwischen Europa (elektroakustisches Gewusel, Soundtrackimpressivität, Canterbury-Jazzrock in Hatfield and the North-Tradition) und Black-Power-Jazz (Sanders, Mingus, Ayler, das Art Ensemble und Charlie Hadens »Liberation Music Orchestra«) folgen einer »AACM«-Logik. Sie ersetzt das Homogene durch eine Politik der eingestampften Grenzen, überschrittenen Ränder und überstiegenen Vorstellungsvermögen, die die platte Personalienfeststellung einebnet: Wichtiger als das Wer-mit-Wem ist es, alte Geister wieder fliegen zu lassen. Das Sanfte wird darüber zum Scheuen, das Coole zum Schutzbedürftigen, das Weiche und Ungemuckte zum Radikalen. Und sei es nur, um dem Jazz neue HörerInnen zu erschlie&szligen, indem die selbstverordnete Dummheit des über die Notwist-Verbindung adressierbaren Indiepublikums nicht gelten gelassen wird. Ähnlich funktioniert 13 & God, eine weitere Notwist-Ableitung bzw. deren Kollaboration mit Themselves (einem Projekt der Anticon-Recording-Artists Jel und Doseone). Die letzten Notwist-Platten waren mir ja zu sehr gro&szliges Indiekino, Progrock 3.0, und etwas zu arg Arcade Fire-Zielgruppen-kompatibel. Die Zufütterung von Avant-HipHop hilft ihnen da schon eher den (alles) entscheidenden Bruch weiter: weg von Kunstgewerbe und Konsensplattenästhetik. Das perfekt durcharrangierte Kuschelgeseufze kann hier nämlich abrupt in Anticonmusik umschlagen – und vice versa. Auch hier werden Geister beschworen und Popgeschichte als Spukstätte ernst genommen (wovon ja auch beide Plattentitel erzählen). Gegen die Indie-Gentrifizierung hilft (wie schon 1980) nur die Üffnung der Gespensterbüchse »Black Music«: Denn Gespenster sind wie alle: Sie müssen dringend befreit werden.

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