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La Passe: V

Wieder so ein Präfix-Buchstabe mit vielfältigen Variablen. Jedenfalls dürfen wir diesmal auf Various Artists vergessen und verzichten, dafür verborgene Vektoren vorstellen.

Ritchie Valens Auf seiner posthumen Live-LP »In Concert At Pacoima Jr. High« geht es irrer zu als bei Elvis. Inklusive eines unbetitelten, voodooesken Gänsehaut-Instrumentals, das den Cramps näher steht als »La Bamba«. Sein Gitarrenspiel beeinflusste u. a. Robert Quine (The Voidoids, Lou Reed).

Barbara Valentin Von Fassbinder aus »Papas Kino« entführte Freundin von Freddie Mercury, mit dem sie sich oft in der Münchner Discothek »Pimpernel« traf. Die Presse nannte sie »Skandal-Nudel«, Fassbinder schätzte ihren Glamour.

Karl Valentin Erfinder der »Haumusik« und sonischer Visionär »Im Schallplattenladen« (1930). Verkäuferin (Lisl Karlstadt): »Wollen Sie Schallplatten mit Musik oder Gesang?«
Valentin: »Nein, nur mit Schall, mit billigem Schall.« Das nach ihm benannte »Musäum« in München beherbergt im Turmstüberl das schönste Café der Stadt (inklusive originalem Schwabinger Bohème-Interieur und sauguten Wei&szligwürsten).
[Unbedingte Empfehlung der Redaktion: 2 Folgen über »Das Leben des Karl Valentin« – Eine klingende Biografie. Mit Originalzitaten in sieben Teilen von Michael Schulte – sind noch zu hören auf Radio Ü1 in »Die Hörspiel-Galerie«. Teil 6 vom Sa. 6. 8., 14 Uhr, kann noch via ?7 Tage Ü1? auf oe1.orf.at nachgehört werden. Der letzte Teil wird am 13. 8. um 14 Uhr auf Ü1 gesendet.]

Rudolph Valentino »Auffallend bei allen seinen Filmen ist, dass die dekorativen Kostüme seine erotische Ausstrahlung unterstrichen, wie es sonst nur bei weiblichen Stars der Fall war. (…) Frauen, sonst selbst Projektionsflächen männlicher Wunschvorstellungen, erhielten mit Valentino ein ganz auf ihre Sehnsüchte zugeschnittenes erotisches Vexierbild.« (Hans Scheugl) Die »Chicago Tribune« nannte ihn hingegen eine »rosa Puderquaste« und fragte sich: »Gibt es einen Zusammenhang zwischen rosa Puder und Salonroten?«

Frankie Valli »Can’t Take My Eyes Off You« (siehe »The Deer Hunter«). Von der Boys Town Gang 1982 discofiziert.

Vamp 1897 entsteht das präraphaelitische Gemälde »The Vampire« von Philip Burne-Jones, auf dem eine nur im Nachthemd bekleidete Frau zu sehen ist, die wolllüstern über einem schlafenden (?) Mann kniet. Keats nannte solche Frauenfiguren zuvor schon »La Belle Dame sans Merci«, Chateaubriand gab mit der Losung »Lasst uns die Wollust mit dem Tode vereinen!« das Motto vor. 1910 erscheint mit »A Fool There Was« der erste Film zum Thema mit Theda Bara als Prototyp aller folgenden Film-Vamps (inkl. frivoler Man-Eater-Fake-Bio). Siehe auch »Venus im Pelz« (Leopold von Sacher-Masoch, 1870) und »Venus In Furs« (The Velvet Underground, 1967).

Vampir »Es klingt, als ob da noch wer anderer heulte: das sind keine Wölfe.« (Nikolai Gogol: »Der Wij«) Vampire haben laut Žižek kein Spiegelbild »weil sie Lacan gelesen haben und folglich wissen, wie sie sich zu benehmen haben – sie materialisieren das Objekt klein a, das (neben dem Phallus und den erogenen Zonen, Anm.) per definitionem nicht widergespiegelt werden kann.«

Edgar Varese »Form ist Ergebnis – das Ergebnis eines Prozesses«. Bezeichnete sich selbst nicht mehr als Musiker, sondern als »Arbeiter mit Rhythmen, Frequenzen und Intensitäten«.

Conrad Veidt Das Vorbild von Christopher Lee hätte 1931 beinahe statt Bela Lugosi selber Dracula gespielt. 1919 spielt er bei »Anders als die Anderen« (dem ersten Schwulenfilm der Filmgeschichte) die Hauptrolle. Es folgen »Das Cabinet des Dr. Caligari«, »Orlacs Hände«, »Der Mann, der lacht« (die Vorlage für Batmans »Joker«), »Der Dieb von Bagdad«, »Casablanca«.

Verdrängung »Was verdrängt wird, ist aber nicht die Erinnerung, sondern die Phantasie, die sich von jener herleitet oder sie verstärkt. (…) Der Verdrängungsvorgang (ist) nicht nur auf der Ebene des Inhalts der Phantasie, sondern in der Bewegung selbst zu verstehen (…) in der die Phantasie entsteht.« (Jean Laplanche über die Neurose)

Verleugnung »Eine Abwehrform, die in einer Weigerung des Subjekts besteht, die Realität einer traumatisierenden Wahrnehmung anzuerkennen.« (Jacques Lacan über die Perversion)

The Ventures Seit 1962 Fuzz-Experimente. 1964 »In Space« als Psychedelic avant lettre aus dem Geist von Surf.

Verwerfung »Die Verwerfung unterscheidet sich von der Verdrängung dadurch, dass das verworfene Element nicht im Unbewussten begraben ist, sondern aus dem Unbewussten ausgeschlossen wurde.« (Dylan Evans über die Psychose)

Victor/Victoria Film über eine Opernsängerin, die als Mann als Damenimitator auftritt. 1933 von Reinhold Schünzel (Gegenspieler von Conrad Veidt bei »Anders als die Anderen«), 1982 von Blake Edwards mit Julie Andrews in der Hauptrolle verfilmt.

Gore Vidal Radical Camp mit gefährlichen Dildos in »Myra Breckinridge« (1968) und imaginierten Maria-Montez-Film-Sets in »Myron« (1974). Konzipierte bei »Ben Hur« die Beziehung zwischen Messala und Ben Hur als gay romance. Charlton Heston was not amused.

Village People Erfunden von Jacques Morali und Henrie Belolo, gesucht und gefunden mittels Anzeige (»Macho Types Wanted: Must Dance And Have A Moustache.«). Lead-Sänger Victor Willis (der auch an allen Hits mitschrieb) wurde am Broadway entdeckt, als er den Zauberer von Oz im Musical »The Whiz« gab.

Bobby Vinton »Blue Velvet«-Underground bei Kenneth Angers »Scorpio Rising« und bei David Lynch, »Roses Are Red« dafür in Martin Scorseses »Good Fellas«.

Visage Fanden wir damals »Fade To Grey« wirklich gut, oder war uns aus der ganzen Blitz-Kids-Szene doch Boy George immer schon lieber als Steve Strange? Kid P. schrieb in »Sounds« 1982 jedenfalls folgendes: »Spandau Ballet machen Musik für den Glamour-Hippie, und Visage/Ultravox für den Glamour-Pöbel.«

Luchino Visconti »Der Graf Luchino Visconti di Modrone mit dem Schlo&szlig Grazzano bei Mailand war nach dem Tod seines älteren Bruders Eduardo automatisch Oberhaupt der Familie und damit Fürst geworden: Duca di Milano. Sein Familienwappen, eines der nobelsten Mailands, zeigte eine Krone. (…) Seine Lebensphilosophie war eine Mischung aus rigorosem Wahrheitsfanatismus und radikalem Marxismus.« (Helmut Berger) »Von Visconti zu Fassbinder – das ist ein Kulturschock.« (John Hughes)

Tony Visconti Als Producer ma&szliggeblich für den prägenden Glamrock-Sound bei T.Rex und David Bowie verantwortlich. »The recordings don’t sound perfect, but boy do they sound fresh.« (Tony Visconti)

The Viscounts Covern 1959 »Harlem Nocturne« als sonisches Äquivalent zu William Burroughs‘ »Junkie«.

Peter Vogel Bei »Hartlgasse 16a« (1976) und »Der Geburtstag« (1977) der einzig wahre Kottan! Misogyn, xenophob, manisch-depressiv. 1978 Selbstmord.

Voguing »Let My People Vogue« (F.S.K.)

Wolfgang Voigt »Polka-Trax«, »Oktoberfest«, »Life’s A Gas«, »Fackeln im Sturm«, Glam und »deutscher Wald«, Disco und »Unterholz-Psychedelic« (Diedrich Diederichsen). Aber warum immer wieder dieses blöde Gerede von »deutschen Beats«, wo wir doch alle wissen, dass die besten Kraftwerk-Grooves und Polka-Beats als transatlantischer Ex/Import zustande gekommen sind.

Voodoo »Unlike Christianity, it did not put the spirit above the flesh but maintained the two on an equal exalted level, established through the use of music, particularly its rhythmic aspects.« (Ben Sidran) »The musical statements are made by the drum and not by the drummer.« (Maya Deren: »Divine Horsemen. The Voodoo Gods Of Haiti«)

Bernward Vesper »Die Reise« (geschrieben 1969 bis 1971, Erstveröffentlichung Herbst 1977) oder »Schreiben als Körperverletzung« (Gerrit-Jan Berendse). Vesper dazu an den März Verlag: »Es ist die versuchsweise genaue Aufzeichnung eines 24-stündigen LSD-Trips, und zwar sowohl in seinem äu&szligeren wie in seinem inneren Ablauf (…). Ich nahm den Trip mit einem amerikanischen Juden(!) in München(!). Diese erste Niederschrift will ich dann in weiteren Trips umdiktieren, bis eine ??endgültige Form?? erreicht ist. Das stellt (…) eine ungeheure psychische und physische Anstrengung dar. Man muss mit Tonbändern arbeiten etc. (…) Dazu kommt die blödsinnige (verständliche) Neugier der Leute an den Rauschgiften, unter denen sie sich sonstwas vorstellen, und dass natürlich die Presse etc. darüber herfallen wird, dass ein Buch eines ??Linken?? so entstanden ist.« Siehe auch: Gudrun Ensslin, Bernward Vesper: »??Notstandsgesetze von Deiner Hand??. Briefe 1968/1969«, edition suhrkamp 2009)

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Text
Didi Neidhart

Veröffentlichung
09.08.2011

Schlagwörter

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