© Alexander Gotter
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»Ich bin ein Lachs«

»fluss, stromaufwärts« ist die erste Zusammenarbeit des 2019 gegründeten baldanders theaterkollektivs. skug war bei der Pressevorstellung und hat die Schauspielerin Lilly Prohaska im Anschluss um ein kurzes Interview gebeten.

Das baldanders theaterkollektiv wurde im Frühling 2019 in Wien von der Dramatikerin Alexandra Pâzgu und dem Regisseur Alexandru Weinberger-Bara gegründet. Ihr Fokus liegt auf einer theatral-dokumentarischen Aufarbeitung der Situation von Ost-Europäer*innen im Westen. Die erste Zusammenarbeit »fluss, stromaufwärts«, stellt Identitätssuche unter ein Vergrößerungsglas: Um sich von den Vorurteilen seines Heimatlandes Rumänien zu befreien, wandert der junge Übersetzer Tino in den deutschsprachigen Raum aus. Im Exil lernt er sein Alter Ego namens Lachs kennen, das ihn zwingt, sich mit seinen eigenen Wurzeln auseinanderzusetzen. Zugleich erscheint Tinos Großmutter, Effie. Sie steht für eine ältere Generation, die sich an den rumänischen Zeitgeist von heute nicht mehr anpassen kann und daher ihre Zuflucht in der Vergangenheit sucht. »fluss, stromaufwärts« manifestiert klug und ironisch das grundsätzliche Hinterfragen von Narrativen. Das individuelle Weltbild dreht sich um sich selbst: »The story is dead. Long live the story telling«. Oder noch so ein Satz – adressiert an Tschechow – der in Erinnerung bleibt: »Ich bin ein Lachs, ich bin eine Möwe.« skug traf die Schauspielerin Lilly Prohaska nach einer Pressevorstellung zu einem kurzen Interview.

© Alexander Gotter

skug: Wie bist du zu dieser Produktion »fluss, stromaufwärts« dieses doch recht jungen baldanders theaters, das letztes Jahr gegründet wurde, gekommen?
Lilly Prohaska: Alexandru Weinberger-Bara habe ich letztes Jahr kennengelernt, er hat mich zweimal auf der Bühne gesehen und mich dann gefragt, ob ich in seiner Inszenierung von »fluss, stromaufwärts« die Effie spielen möchte. Das fand ich sehr erfreulich, weil ich schon beim ersten Kennenlernen das Gefühl hatte, dass wir uns mental gut verstehen, gut miteinander arbeiten können.

Hast du einen persönlichen Bezug zu Rumänien?
Meine Neugier auf Rumänien hat vor ein paar Jahren Thomas Perle geweckt, als ich in seinem Stück »mutterseele« gespielt habe. Die Uraufführung fand übrigens auch im Werk X am Petersplatz statt. Ich wusste wirklich nicht viel über Rumänien. Jetzt weiß ich ein kleines bisschen mehr, weil Alexandru Weinberger-Bara und Alexandra Pâzgu uns mit vielen Informationen gefüttert haben, damit wir besser in den Text eindringen können.

Der Protagonist ist ein rumänischer Übersetzer. Interessant ist ja im Deutschen die Bedeutung von übersetzen, die auch räumlich verstanden werden kann, wenn zum Beispiel eine Fähre zu einem anderen Landteil übersetzt.
Übersetzer*in, das ist ein interessantes Dasein. Sie sind so wichtig, man kennt aber kaum welche, hat ihre Namen nicht bei der Hand. Eine Ausnahme – für mich – ist Svetlana Geier, sie hat fünf Romane von Dostojewski neu übersetzt, die sie die »5 Elefanten« nannte. Seit ich das Filmporträt »Die Frau mit den 5 Elefanten« über sie gesehen habe, spukt sie immer wieder in meinem Kopf herum. Sie war mein Vorbild für meine Rolle, für die Effie.

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Ein zentrales Thema ist auch der Lachs und sein selbstzerstörerisches Verhalten durch seine Suche nach seinem Ursprung. Siehst du das in diesem Stück auch auf uns als Gesellschaft übertragbar?
Ich finde, dieses Stück öffnet viele Räume. Es geht nicht ausschließlich ums Weggehen, das Heimatverlassen. Es gibt viele Hinterräume. Die Parallele zum Lachs lässt sich natürlich unterschiedlichst interpretieren. Der Lachs ist ein Bedrohter und ich habe immer wieder auch diese vielen, vielen Menschen vor mir gesehen, die ihre Länder verlassen und als Arbeitsfutter dienen und ausgebeutet werden. Der Lachs ernährt, steht auf dem Speisezettel vieler Arten, andererseits ist er auch selbst ein Raubfisch. Das Stück rührt da so vieles an.

Interessant ist auch dieser ganz spezielle Erzählfluss, dieses Narrativ des Stückes. Am Ende heißt es ja am Bildschirm eines alten Fernsehapparates: »The story is dead. Long live the story telling.«
Es sind natürlich viele Lesarten möglich. Für mich ist dieses Stück ein dramatisches Gedicht. Sehr musikalisch, eine Partitur. Ich mag sehr, dass nichts aggressiv abgehandelt wird, oder vorwurfsvoll oder wehleidig. Aggressiv ist nur die Stoßbewegung eines Lachses, aus einem Trieb heraus, der ja irgendwie gleichzeitig Lebenstrieb und Todestrieb ist. Wobei der Todestrieb aber letztlich Arterhaltungstrieb ist. Das Eierablegen ist das Wichtige. Die Nachkommen. Die Kinder.

Wie waren die Arbeitsverhältnisse bei den Proben?
Wir hatten uns natürlich an die Corona-Abstandsregeln zu halten. Anfangs war es ein bisschen komisch, auch verwirrend – also immer sorgfältig darauf zu achten, dass man den Kollegen nicht zu nahe kommt etc. Wir haben uns aber recht schnell daran gewöhnt und gelernt, auch unter diesen Umständen miteinander zu arbeiten.

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Die Premiere von »fluss, stromaufwärts« ist am 27. Juni 2020 um 18:00 Uhr online im Stream zu sehen und bis 30. Juni um 24:00 Uhr kostenlos verfügbar.

Link: https://werk-x.at/premieren/fluss-stromaufwaerts/

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