Xaver Bayers Erzählung »Wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen« ist eine fast unendliche Selbstreflexion, die der Ich-Erzähler unternimmt, während er die Zeit zwischen zwei Flügen am Flughafen in Brüssel überbrückt. Es ist eine Aneinanderreihung von Gedanken, ein Hinterfragen, wieso genau dieser Gedanke bei dem jeweiligen Reiz auftaucht, eine Variation von Innehalten und Weiterhetzen. Eine klassische Handlung gibt es nicht, das Geschehen entwickelt sich vielmehr im Inneren des Erzählers – er scheint hin- und hergerissen zwischen (nostalgischer) Erinnerung, Leben in der Gegenwart und dem Blick in die Zukunft. Er erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der in seiner Kindheit noch ?berraschungen und Staunen kannte, der aber durch die Desillusionierung des Erwachsenwerdens eher existiert denn lebt: »[??] und jetzt, plötzlich, aus der Höhe wieder zurück in meinen Körper fallend, kommt mir zu Bewusstsein, in welchem Zustand ich die letzten Jahre verbracht habe, dass ich die Welt nur noch aus der Position einer defätistischen Vernunft betrachten konnte und in allem nur die kausale Folge eines vorhergehenden Zustands erkannt habe, [??].« Nach stundenlangem Herumirren auf dem Flughafenareal, ausgiebigen Aufenthalten in den verschiedenen Gebetsräumen und schier endlosen gedanklichen Assoziationsketten kommt wieder Leben in den Erzähler: »[??] auf einmal, aus dem Nichts heraus, entspringt meinem Herzen der Satz Ich habe sehr lange gebraucht, um wieder Hoffnung zu fassen, und ich lasse diesen Satz los, wie man ein Tau von einem Schiff, das vom Hafen ablegt, loslässt, und ich denke gar nichts, spüre nur, wie der Satz mit der Hoffnung immer größer wird, je weiter er sich, über kurz, über lang, von mir entfernt, [??].« Die Erzählung endet bezeichnenderweise mit einem Befreiungsschlag – dem Aufstoßen der Flughafentür, die ihn (zurück?) ins wahre Leben führt.
Bayers Erzählung ist wahrlich keine einfache – kann man bestimmte Gedanken und Assoziationen nachvollziehen, so wirken andere eher absurd und führen ins Leere. Formal löst er sein Thema – Gedanken sind wie Wellen, sie gehen ineinander über – durch die Absenz von Satzpunkten großartig; allerdings kann genau das ein Problem für die Leserin werden, da der Lesegenuss davon beeinflusst wird. Am Ende überwiegt aber ein gutes Gefühl – Hoffnung. »[??] als mir im Ansichtigwerden der Wasserringe, die bei jedem Einschlag eines Kieselsteins entstanden, mehr und mehr die Augen übergingen, da wusste ich, das war es und das ist es und das wird es sein, das wollte ich und das will ich und das werde ich wollen, und ich habe es nur vergessen, die Oberfläche des Teichs und dieser ewige Augenblick, wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen, [??].«
Xaver Bayer: »Wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen«, Salzburg/Wien: Jung und Jung 2011, 118 Seiten, EUR 16,80.