Seit nunmehr gefühlt 100 Jahren macht Peter Brötzmann konsequent das, was man mit seinem Namen verbindet: mit voller Energie aus allen Rohren rausschleudern, ohne Kompromisse. Seine Amigos vom Trio scheinen das ähnlich zu handhaben und mit den Full-Blast-Alben haben die drei bisher auch immer ganz gut serviert. Live funktioniert das Ganze üblicherweise besser als gepresst, es fehlt vielleicht die Haptik, die Anstrengung und Unnachgiebigkeit der drei Musiker, die man in ihren Gesichtern sieht und zu spüren meint. Das legendäre Trio, bestehend aus dem wie von einer Maschine angetriebenen Schweizer Powerdrummer Michael Wertmüller auf seinen bis zum Reißen gespannten Fellen, der Basswucht Marino Pliakas sowie Peter Brötzmann selbst, liefern wieder ab, itzo in Rio. Diese Aufnahme entstand im Juli 2016. Keine Überraschung, aber wieder eine irre Wahlfahrt durch menschliche Höhen und Tiefen. Immer dann, wenn die Double-Bass-Drum wütet und Brötzmann in den höheren Bereichen pfeift, wird einem ganz wohl um die Lenden. Wertmüllers vertrackte Kurzsoli schlagen ein. Pliakas’ Verzerro-Bass wirkt schweißtreibend. Ab und an gesellt sich auch ein ungewohnt melodiöses Gebläse dazu, klagend, schreiend. Ein gutes Album ist ja selbst bei Profis von der Tagesstimmung usw. abhängig. Von Weitem betrachtet, könnte man meinen, die drei hätten einen guten Tag. Knackiges, noise-rockiges Gekrache klingt beim Vollgas-Geballer auf »Rio two« zuweilen wie ein Drone-Fluss. Man weiß halt mittlerweile, was man bekommt, wenn Brötzmann draufsteht. Auf diesem Album liefert er einmal mehr ein Beispiel dafür, wie man mit viel Arbeit, Sturheit, Kompromisslosigkeit und Offenheit beständig reüssieren kann.

Full Blast
»Live in Rio«
Trost Records/Quintavant

Text
Lutz Vössing
Veröffentlichung
24.10.2018
Schlagwörter
Full Blast
Peter Brötzmann
Quintavant
Trost Records