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Rocko Schamoni & Mirage

»Die Vergessenen«

Staatsakt

Er konnte also doch nicht widerstehen: Nach dem als Abschiedsalbum tituliertem »Rocko Schamoni & Little Machine« und darauffolgenden acht Jahren Rückzug bzw. Vorpreschen ins Popliteraten- (»Fünf Löcher im Himmel«) und Mockumentary-Dasein (alias Dickie Schubert von Fraktus) und jeder Menge Ärger als Golden-Pudel-Club-Miteigentümer gibt es jetzt doch wieder ein Rocko-Schamoni-Album. Wenn auch nur mit zwei neuen Eigenkompositionen. Denn »Die Vergessenen« – finanziert via Crowdfunding – versammelt zehn vergessene Songs, plus zwei Filmmusikstücken und eben zwei Schamoni-Songs. Und trotzdem ist es eine Schamoni-Platte durch und durch, wie seine besten geprägt von der Geste des ganz großen Pop, die ohne in Kitsch oder Peinlichkeit abzurutschen mühelos Witz und Ernsthaftigkeit verbindet. Dabei wird diesmal jede früher vorhandene Disco-Affinität einem eindeutigen Bekenntnis zum Big-Band-Sound der 1950er und 60er geopfert: Schamoni und der Dirigent Sebastian Hoffmann haben extra für das Projekt das 16-köpfige Orchester Mirage zusammengestellt. Und das swingt und – hier darf man diesen schrecklichen Begriff einmal verwenden – groovt, dass es eine wahre Freude ist. Die vergessenen Songs selbst beginnen beim eigentlich gar nicht so sehr in Vergessenheit geratenem Jeans-Team-Hit »Das Zelt«, bringen Ton Steine Scherben genauso in Erinnerung wie die irgendwie-auch-Hamburger-Schule-Acts Die Regierung und die Lassie Singers, bedienen sich beim brasilianischen Liedermacher und Chansonnier Caetano Veloso und – eine der schönsten Wiederentdeckungen – dem deutschen Chansonnier Manfred Krug. Den hört man allerdings nicht nur im Cover-Song »Früh war der Tag erwacht« raus: Schamoni und das Orchester erwecken den Sound von Krugs Aufnahmen aus den 1970ern über die komplette Albumlänge zu neuem Leben – ohne auch nur eine Sekunde nach Reenactment zu klingen. Besonders schön sind die Neuinterpretation des F.S.K.-Hits »Was kostet die Welt« mit heftigem »Wicked Game«-Einschlag und die Eigenkomposition »Angela« mit ihren empathiegeladenen Zeilen zum Thema »Angela, was hat die Macht aus dir gemacht«. Aber, ganz ehrlich: Auf »Die Vergessenen« leuchtet alles in den schönsten Farben. Man bekommt den Eindruck, Schamoni könnte noch dem letzten Ballermann-Schrotthit einen ihm heimlich innewohnenden Zauber entlocken. Gut, dass die Musik ihn zurück hat.

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