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Simon James Phillips

»Blage 3«

Mikroton Recordings

Es ist alles eine Frage der richtigen Dimension, oder? Wenn man ein Kuppelfresko auf eine Briefmarke presst, bleibt nicht mehr als der Wiedererkennungswert übrig. Auch in der Musik ist das mitunter so. Es gibt Musik, die muss atmen, muss sich entfalten, die braucht Zeit, um zu ihrer Wirkung zu kommen. Unter diesem Vorsatz hat sich ein Berliner Ensemble, kuratiert vom Pianisten Simon James Phillips, in ein Tanzstudio begeben und eine fünfstündige, unterbrechungslose Improvisation eingespielt. Fünf Stunden am Stück, das ist schon alleine in der Konzeption ein starkes Stück, aber auch eine heikle Sache. Kann das überhaupt funktionieren? Selbst dann, wenn dafür so kompetente Leute wie Werner Dafeldecker (Kontrabass), Tony Buck (Drums), BJ Nilsen (Elektronik), Liz Albee (Trompete) oder Arthur Rother (Gitarre) am Werk sind? Es kann. Und es kann nicht.
Die gesamte fünfstündige Improvisation gibt es als Download, auf CD werden zwei Auszüge prä- sentiert, zwei Kompromisse also, zwei Briefmarken, die aber immer noch ausladend und »atmend« genug sind, um einen guten Eindruck zu vermitteln, was man erlebt hätte, wenn man die Sache live erlebt hätte. Dann nämlich wäre man aus dieser Impro-Ambient-Beschallung wohl als geläutertes Wesen hervorgegangen, als eine von allen Lasten des Alltags befreite Seele, durchdrungen vom transzendenten Odem der Musik bis in die Knochen. Auf Konserve kann man sich, wie üblich, im distanzierten Schatten halten und »Blage 3« immerhin noch eine sphärische Wucht bescheinigen.
Vor allem der zweite Mitschnitt glänzt durch herrliche Bögen in Form minimalistischer Metamor- phosen, die von Interpret zu Interpret zu springen, so dass selbst auf CD noch ein bemerkenswert hypnotischer Sog entsteht. Natürlich klappt das nicht restlos, dafür ist diese Art der musikalischen Erfahrung zu sehr auf die physische Präsenz, auf das unmittelbare Erleben angewiesen. »Blage 3« ist darum weniger Evidenz als Dokumentation derselben, aber auch so noch Statement genug. Für Genrefans ein Fest.

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