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The Amazing Snakeheads

»Amphetamine Ballads«

Domino/Good To Go

In einer gerechteren Welt sollte die via Newsletter erfolgte Verkündung des Wiener Plattenladens Rave Up Records, mit The Amazing Snakeheads eine neue Lieblingsband gefunden zu haben, eigentlich für die dauerhafte Verankerung ebenjener Gruppe im kollektiven österreichischen Popgedächtnis sorgen. Doch ein Reality Check bringt schnell Ernüchterung: Gemeinhin bleibt vom Rave Up in Ehren Gehaltenes das Programm einer erlesenen Minderheit, was im Fall von »Amphetamine Ballads«, dem Debütalbum dieses Trios aus Glasgow, nicht anders sein wird. Wo der Bartl den Most herholt, wird also wieder einmal nur jenen Leuten gezeigt, die es eh schon wissen. Von Most kann hier aber ohnedies keine Rede sein, vielmehr muss ein altgedientes Schottenklischee herhalten: »Amphetamine Ballads« schmeckt nach Whiskey. Nach geräucherten Gun Club. Nach permutierten Stooges. Nach delirierenden MC5. Hier wird nach Herzenslust gekebbelt, gedroschen und zermalmt, dass man sich um das psychohygienische Wohlergehen der Band Sorgen machen muss. Angesichts der Songtitel (»Nighttime«, »Where Is My Knife«), der Pöbelvisagen und der kratzbürstigen Produktion mögen Skeptiker The Amazing Snakeheads schnell als ein weiteres Pub-Punk-Abziehbild identifizieren, doch die Band kann mehr als nur auszucken. Wiewohl ihnen der Exzess gut steht (»Here It Comes Again«), so sind es doch speziell die langsameren Songs, die »Amphetamine Ballads« zu einem grandiosen Album machen. Etwa das sich von hinten anschleichende »Every Guy Wants To Be Her Baby«, für das sich die Schotten ganze sieben Minuten lang Zeit nehmen. Die Besen streichen sanft über das Schlagzeug, einzelne Orgel- und Saxophontöne untermalen die gehauchten Seufzer von Sänger Dale Barclay, der an einen im Sterben liegenden Gene Vincent erinnert. Selbst der Wutausbruch nach etwa vier Minuten klingt vergleichsweise besinnlich. Mit dem Closer »Tiger By The Tail« stehen The Amazing Snakeheads programmatisch dann sogar näher bei Nancy & Lee als bei Iggy & The Stooges. Brüchiger Gypsy-Flair trifft hier auf Western-Obskurität. Nicht nur das Rave Up, auch Quentin Tarantino könnte daran seine Freude haben.

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