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Carlofashion

Pieces For Acoustic Instruments And Synthesizers

Hausmusik

Carl Oesterhelt, Musiker bei Münchens FSK und den Merricks, legt nach knapp ein paar Monaten schon wieder eine CD vor, bei der die Ohren groß und das Zuhören zum Denkspaß wird. Soll heißen, hier tut sichviel und Vieles davon ist halbbekannt und reaktiviert Gedächtnisspeicher, deren Existenz lange nicht zur Debatte standen. Bestand die Vorgänger-CD »This Is Carlo Fashion« zum Grossteil eigentlich aus für die Merricks gedachten Tracks, die es dann aber doch nicht auf deren letzte CD »Silver Disc« geschafft haben, so gibt es nun Material ganz anderer Ausrichtung. Das wurde teilweise im Computer notiert, live eingespielt (mit echten klassischen Instrumenten), erneut in den Computer geladen und bearbeitet usf.Herausgekommen ist dabei eine Listening-Angelegenheit, die in ihrer tiefgreifenden Mixtur aus Glam, Camp, Mao, sowjetrussischer Klassik (ohne jemals in die Laibach-Falle zu tappen) und Exotica am ehesten noch mit Andy Mackays (Roxy Music) Solo-LP »Resolving Contradictions« aus 1978 (»Made In The People?s Republic Of China«) vergleichbar ist. Also Eklektizismus als Kunstpraxis ernst nimmt und dabei illegitime Verbindungen/Verknüpfungen ebenso herausarbeitet wie Taktiken der De- und Re-Kontextualisierung neuen Schwung gibt. Da mögen Titel wie »Afrochinese« oder »Szechwan Cha-Cha« an Martin Denny/Les Baxter-Exotica denken lassen, nur um dann aber doch eher an Weill/Eisler zu erinnern (die dann bei »Chromatic Quintet« dann auch offensichtlicher ins Spiel kommen). Oder es wird bei »Glam Baroque« gleich ein Bogen von»A Clockwork Orange« (inklusive aller Walter/Wendy-Carlos-Cross-Genderbender-Aspekte) bis hin zu »Velvet Goldmine« gesponnen. Zudem ist das natürlich auch wieder klasse paranoide Agentfilm-Musik voller Ostblock-Exotica. Diesmal jedoch weniger sonische Äquivalente zu Harry-Palmer-Identitätsverlusten als von einer Art eigentümliche Melancholie getragen, die jedoch auch eine Art paradoxe Leichtigkeit vermittelt. Aber bitte nicht Kammermusik dazu sagen!

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Text
Didi Neidhart

Veröffentlichung
10.09.2002

Schlagwörter


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