Theremin Center Moskau. Was wie eine Institution mit eigenem Palais klingt, entpuppt sich natürlich nicht als ein repräsentatives Gebäude wie etwa das Wiener Arnold Schönberg Center. Das Theremin Center befindet sich im 4. Stock des Häuserblocks, der zum Konservatorium Moskau gehört. Auf nur 80 Quadratmetern erstreckt sich die Welt des Leiters Andrei Smirnov. Vollgepackt mit Musikequipment, Applecomputern – eine Gabe der Soros Foundation, die sich aus Moskau allmählich zurückzieht – und altertümlich anmutenden elektronischen Musikinstrumenten sowie Theremins der Marke Eigenbau.
Smirnov ist als Direktor des Theremin Centers Mentor und Stachanov der zeitgenössischen elektronischen Musikszene. Sein Gehalt, das er vom Konservatorium erhält, beträgt nur 50 US-Dollar. Kein Wunder, dass er, wie viele andere Moskauer auch, seine große Moskauer Wohnung an einen ausländischen Konzern vermieten muss, um über die Runden zu kommen. Schon seit fünf Jahren hatte er keine Zeit mehr, Erholung auf seiner Datscha zu genießen. Ständig ist er in Musikprojekte involviert. Organisation kostet eben Zeit und Kraft. Und das fehlende Geld lukriert er nicht wie westeuropäische Veranstalter durch Subventionen, sondern durch diverse Tauschhandel und kluge Einladungspolitik.
Investitionen in die Zukunft
Das AlterMEDIUM-Festival, welches das Theremin Center im Mai im Konzertsaal der Composers Union abhielt, gab Einblick in das Organisationstalent Smirnovs. Abholungen vom Flughafen waren durch ein Regelwerk von freundschaftlichen Gegenleistungen gesichert. Die Unterbringung erfolgte in der konservatoriumseigenen Musikerherberge bzw. preisgünstigen Hotels. Die Aufführungen russischer Komponisten wurden vom russischen Komponistenverband bezahlt und MusikerInnen aus dem Ausland werden durchwegs über deren nationale Kunstförderer finanziert. So stammt der Elektroakustiker Michael Karsky, der das enttäuschende »Cinema pour l’oreille« zur Aufführung brachte, aus Frankreich. Oder Wilco Botermans, der mit seinem Theremin und interaktiven Elektronikkoppelungen bislang ungehörte Klangballungen zustandebrachte, aus Holland. Und die österreichischen Mitglieder des Theremin Orchestra bekamen zumindest die Flugkosten von der österreichischen Botschaft in Moskau finanziert. Generell, auch seitens der Österreicher, verstärkt um den ob seiner obskuren »Gomberg«-Geräusche bewunderten Vierteltontrompeter Franz Hautzinger, handelte es sich um eine Investition in die Zukunft, denn Honorare waren nicht drin.
Gelder aus dem Ticketverkauf wären ohnehin eine marginale Größe, weshalb der Eintritt frei war. Wichtiger als ein kleines finanzielles Zubrot ist eine breit gestreute Besucherzahl und Resonanz auf das Festival. Als Kurator war Andrei Smirnov sozusagen der Komponist des Festivals. Mittels einer differenzierten Musikprogrammierung erschienen Audienzen aus verschiedenen Interessenslagern. Elektroakustische Musik, Multimedia Art, Neue Musik und experimentelle Thereminmusik würden in Wien, wo allerdings die tägliche Konkurrenz durch andere Veranstaltungen extrem dicht ist, nicht Hundertschaften von ZuhörerInnen anlocken.
Famose Komposition von Igor Kefalidis
Weil im postsowjetischen Russland eine Subventionierung nicht mehr oder kaum mehr stattfinden kann, hat Moskau nur wenige eigene Musikensembles, trotz einer Einwohnerzahl von 15 Millionen im Agglomerationsbereich. Das aufgrund der Musikerrekrutierung vom Konservatorium Moskau sicherlich erschwingliche Studio For New Music Ensemble erwies sich als ausgezeichneter Interpret von Igor Kefalidis??? »Nach dem Klang ist vor dem Klang«. Schrille, dissonant aufblitzende Blas- und Streichinstrumente gaben einen hohen Energielevel vor, den der 60jährige Tonsetzer vom Mischpult aus mit stumpf verformten Subbässen spannungsreich unterminierte. Während die Verquickung von Elektroakustik mit Videokunst nicht so recht klappen wollte, waren die Thereminexperimente um einiges erfreulicher. Etwa Andrei Smirnovs »Brain Game 1.0«, in dem die Gehirnströme von Sergej Letov in perkussiv beatlastige Parameter umgewandelt wurden. Oder Günther Gesserts harte Theremin-Sampler-Trigger-Arbeit, mit der später das Theremin Orchestra die Konzerthalle der Composers Union regelrecht rockte. Also verbleiben die doch sehr an klassischer Komposition orientierten Werke junger Thereminspielerinnen und die »Star Improvisation« des russischen Thereminstars Lidia Kavina in nur blasser Erinnerung.
Die österreich-russische Freundschaft, die den Besuch des Autors dieser Zeilen möglich machte, beruht übrigens auf einem von zwei Musikkuratorenprojekten, die wie die von den Kuratoren begründete Institution mica nicht aus dem Gedächtnis verschwinden sollten. Das »Forum Moskau« war neben einem Festival in Los Angeles »das Einzige von den vielen, die nicht im Land Österreich, sondern außerhalb stattgefunden haben« (Ex-Musikkurator Christian Scheib). Der verstorbene Musikperformer Sergej Kurjochin und Elisabeth Schimana (»Berührungen«) waren 1995 mit grandios rezipierten Konzerten vertreten. Zu den beim Musikprotokoll 2000 vertretenen E69, aber auch zu E-MusikerInnen wie Wladimir Tarnopolski, Wladimir Ekimovski, Olga Rajsa oder vielversprechenden NewcomerInnen bestehen nach wie vor Kontakte. Und »skug presents Ex Eu«-Kuratorin und Theremin-Orchestra-Gründerin Elisabeth Schimana, die im Herbst ein halbjähriges Moskau-Stipendium antritt, wird dafür sorgen, dass diese nicht abreißen werden.
Theremin Center/Moscow Conservatory, Bolshaya Nikitskaya 13
E-Mail: theremin@dialup.ptt.ru