In den auf den Bildteil folgenden Interviews wird der heute schwierige Umgang mit den »Denkmälern« jener historischen und politischen Epoche thematisiert. Während ihnen die slowakische Gesellschaft ambivalent gegenübersteht und sie von Großinvestoren mit heroischer Geste aufgekauft werden (um sie im großen Stil in etwas anderes zu verwandeln oder gegen etwas neues auszutauschen), setzen sich insbesondere junge Kunst- und Kulturschaffende gegen Demolierungspläne und für ihren Erhalt ein. Sie wissen um die Qualitäten der einzigartigen und detailverliebten Architektur, in der die erhoffte Liberalisierung mit Pioniergeist und Aufbruchsstimmung einher- und über den Herbst 1968 hinausging.
Dissidente Grenzgänger
Die großen Planungskollektive waren unter den Vorgaben des Realsozialismus stark reglementiert. Innerhalb des administrativen Apparats und mit den wenigen bestehenden Möglichkeiten konnte sich dennoch oder vielleicht gerade deswegen eine höchst autonome und interessante Architektur entwickeln.
Henrieta Morav?íková, die die gelungene Auswahl der Bauten traf, sieht genau darin – im Zusammenwirken von künstlerischer Freiheit und totalitärem System – die Ausweitung der vorherrschenden Grenzen optimiert und den späten Modernismus in der Slowakei begründet.
Studenten flogen aufgrund der Lektüre westlicher Zeitschriften von der Universität, Architekten wurden wegen zu reger Auslandskontakte verhaftet – damit war die Sehnsucht nach Gleichgesinnten groß und Gruppierungen formierten sich zu Meinungs- und Schaffensstätten, in denen es möglich war, gelöst vom staatlichen Druck eine Haltung zu finden und zu vertreten. In Abhängigkeit vom Staat allerdings mussten fadenscheinige Erklärungen abgeliefert werden: das amerikanische Auto sei im Gegensatz zum Škoda einfacher zu zeichnen, das abstrakte Bild eine Hommage an den russischen Dichter Majakovskij usw.
Bei den Architekten-Interviews treten regimetreue und aufständische Positionen hervor, was sich weder in deren Bauwerken noch in den klaren, zum Teil belebten, zum Teil pointiert inszenierten Fotografien von Hertha Hurnaus mitteilt. Die Aufnahmen reagieren sensibel auf den raren aber versierten Einsatz von Materialien und die einmal streng monumentalen und ein andermal verspielt visionären Formen. In ihnen drückt sich eine ernsthafte Auseinandersetzung, vielmehr ein tiefgehendes Verständnis für die späte Ostmoderne aus. Bleibt zu hoffen, dieses teilen zu können, noch bevor Entscheidungen zugunsten von Abriss und neuen Shoppingmalls (wie am Beispiel von Staatssalon – siehe Bild – und Hotel Kyjev) fallen und wir von allen guten Geistern verlassen werden.
Hertha Hurnaus, Benjamin Konrad, Maik Novotny (Hg.): »Eastmodern. Architecture and Design of the 1960s and 1970s in Slovakia« Wien/New York: Springer, 2007, 238 Seiten, EUR 38,50