Der Titel kündigt es schon leicht an: Ganz so friktionsfrei verläuft dieser imaginäre Briefverkehr zwischen den Jahrhunderten auch nicht.
Dabei scheint zuerst alles noch einigermaßen gut zu zu gehen. Als Chef eines »elektrifizierten Kammer-Ensembles« hat Austrofred naheliegenderweise einen unbändigen Wunsch nach Erkenntnisgewinnen zur effektiven Profitmaximierung seiner ganz eigenen »Rockwirtschaft«. Denn – und das wissen wir von Büchern wie »Alpenkönig und Menschenfreund« sowie »Ich rechne noch in Schilling« – bei Austrofred ereignet sich Pop zwischen den Polen örtliche Sparkasse, Elektrofachhandel und ländlichem Eventmanagement (wahlweise Messen oder Feuerwehrfeste). Ist also die ?beraffirmation von Pop als Austropop unter besonderer Berücksichtigung der strukturellen (wie personellen) Verwandtschaften mit der hiesigen Landwirtschaft. Dass es Austrofred dabei ausgerechnet auf Mozart abgesehen hat, mag mehrere Gründe haben (eine verkaufsfördernde Veröffentlichung zu einem der vergangenen Mozart-Jubiläen wurde ja versemmelt). Einerseits tut es »der Champion« ja nicht unter seinesgleichen, andererseits kann er bei Mozart (dem ja auch oft übel mitgespielt wurde) so richtig Dampf ablassen. Falco wird zwar nicht gerade gedisst, aber als Nutznießer von Mozart zumindest ein klein wenig verpetzt. Wie Austrofred-Fans überhaupt mit Erstaunen feststellen dürfen, wie sehr hier die Kunst des Lamentierens als Wiederholung der ewig gleichen Raunzthemen zu neuen Höhen getragen wird. Gerade im Briefwechsel mit Mozart wird klar, wie unklar im System Austropop die eigene Position (als Ursache oder Lösung der Misere) doch sein kann. Zwar wird Mozart als »Rock-Star« angesehen, aber dann geht es doch schnurstracks zu Symphonic-Rock, Classic-Rock und den unvermeidlichen Lobeshymnen auf die angeblich weltbewegenden Errungenschaften des Stadion-Rocks. Auch Rock-Messen sind ein Thema, und wie es sich für einen Progressivling wie Austrofred gehört, schickt er Mozart auch gleich ein von ihm in diesem Sinne tongedichtetes Werk (wie das technisch ganz genau geht, wird zwar erklärt, wissen tun wir es aber nie ganz genau). Ausgehen tut das Ganze nicht wirklich gut. Mozart schuldet Austrofred plötzlich Geld und fühlt sich dann auch noch ob dessen musikalischen Output in Sachen progressiver Rockmusik regelrecht gefoppt. Dem solcherart als »elender Musikalischer spaß-macher« Verunglimpften geht naturgemäß das Geimpfte auf. Zum Streit braucht es hier nicht einmal kommunikative Missverständnisse. Austropop eben. Die literarische Bastelarbeit, die hier geleistet worden ist, ist dafür ein umso kurzweiligeres Vergnügen. Auch Montage und Auswahl der Originalbriefe von Mozart sind weniger willkürlich als nach narrativen Gesichtpunkten erfolgt. Das bringt nicht nur eine Stringenz, sondern auch jene Spannung ins Spiel, die einem die ganze Korrespondenz locker in einem durchlesen lässt.
Re- und dekontextualisierende Inter- und Transtextualität innerhalb der Grenzen des Austropop-Erfahrungshorizonts gibt es eh viel zu wenig. Dass es jedoch keinen Größenwahn (vor allem bei Rockwirtschaftstreibenden wie Austrofred) ohne eine dazugehörende übersteigerte Paranoia gibt, belegt auch diese Buch wieder mit aller Nachdrücklichkeit. Denn die eigentliche traumatische Begegnung findet her nicht mit Mozart statt (auch wenn das Ende in diese Richtung weist), sondern mit dem austrofredschen traumatischen Objekt par excellence: DJ Ützi! Das mag jetzt etwas billig erscheinen (auch weil etwa Opus mittlerweile fast als österreichische Queen gehandelt werden), aber vielleicht ist DJ Ützi ja wirklich mehr als ein (unterschätzter) Jausengegner. Andererseits könnte sich Austrofred unter Berücksichtigung jener austropopistischen Signifikantenketten, in die beide gleichermaßen verstrickt sind, auch die Frage stellen, wieso ihn gerade diese Person so giftet und ob es vielleicht nicht auch mal an der Zeit wäre, diese Kette zu sprengen. Aber das könnte ja wiederum in einem imaginären Briefwechsel abgehandelt werden. Wie wäre es mit Erwin Ringel und dessen psychoanalytischen Ausführungen zur österreichischen Seele? Da geht’s auch viel um jenen Ort, wo im vorliegenden Fall die Zauberflöte hingedacht wird. Oder um es mit Mozart zu sagen: »blas mi hint eini.« P.S.: Die einzige Band, die mich in zwanzig Jahren skug mit ihren Mozart-Obsessionen vollgequatscht haben, waren Morbid Angel.
Austrofred: »Du kannst dir deine Zauberflöte in den Arsch schieben. Mein Briefwechsel mit Wolfgang Amadeus Mozart« Czernin Verlag 2010, 164 Seiten, EUR 15,90 Hörbuchversion: erschienen bei Hoanzl.