© Letzte Generation
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Hyperobjekt Klimawandel

Im skug Talk begrüßen wir die Aktivist*innen der Letzten Generation, die gerade mit Aktionen in Wien aktiv sind, und versuchen herauszufinden, wie es im Kampf um Klimagerechtigkeit steht.

Es hängt übrigens alles mit allem zusammen. Deswegen ist der Klimawandel so schwer zu verstehen und die Diskussion über ihn erzeugt schnell ein inneres »Abschalten« beim Publikum. Das ist fatal. Deswegen ein Versuch, vor unserem skug Talk am 12. Jänner 2023 im rhiz ein paar hoffentlich erhellende und hilfreiche Worte über den Klimawandel zu sagen. In der skug Redaktion haben wir seinerzeit leidenschaftlich über den Film »Don’ Look Up« diskutiert. Alle fanden ihn gut, aber etwas ist so bezeichnend falsch an ihm. Die existenzielle Bedrohung der Menschheit wird in dem Film nicht durch die Klimakatastrophe (die allerdings gemeint ist) dargestellt, sondern durch einen Meteorit. Das ist in zwei entscheidenden Punkten sehr irreführend. 1. Ein Meteorit ist etwas, das »von außen« kommt, es erscheint am Himmel und wird dort sichtbar und gehört ganz offensichtlich nicht zur Erde. 2. Er kann mit einer Atomrakete abgeschossen werden und gut ist’s (also natürlich nur, wenn es klappt). 

Unsichtbares »Hyperobjekt«

Der Klimawandel ist nicht so. Er ist nichts Äußeres. Er ist viel mehr so etwas, das der US-Literaturwissenschaftler Timothy Morton ein »Hyperobjekt« nennt. Das ist ein Objekt, das zugleich sinnlich und geistig ist, während ein Himmelskörper nur ein Steinklumpen ist. Wir können den Klimawandel nicht sehen wie einen Meteoriten am Himmel, weil wir in ihm drin sind, wie im Bauch eines Wales. Wir atmen ihn, er durchdringt unsere Blutbahnen und wir nähren ihn mit unseren Ausscheidungen (ganz wörtlich und im übertragenen Sinn). Wir können ihn nicht begreifen, in dem wir auf die Summe der von ihn berührten Objekte zeigen, wie dem steigenden Meeresspiegel oder dem zunehmenden Wind, weil er zugleich – bitte die Wortwahl entschuldigen – »metaphysisch« ist. Er ist ein Prinzip, das alles durchdringt und gerade deswegen so leidenschaftlich geleugnet wird. Ach, wie gerne hätten wir ein anderes Prinzip. Eine liebende Göttin – z. B. –, die alles am Ende wieder gut macht und unsere Tränen trocknet. Aber so ist der Klimawandel nicht und er wird uns vielleicht sogar töten. Außerdem kann man ihn nicht einfach mit einer Atomrakete vom Himmel schießen. Er wird bleiben, und zwar für immer. Wir können ihn zwar jetzt noch mildern und sanfter gestalten, aber weg geht er nicht mehr.

So weit, so unangenehm und so schockierend. In Österreich sind bekanntlich alle politischen Parteien mehr oder weniger »pro Umwelt«. Sie betonen den Klimaschutz und erzählen gerne lang und breit, was sie zu tun gedenken. Die Ergebnisse sind allerdings mau bis nicht vorhanden. Das hat etwas damit zu tun, dass man Hyperobjekte so schwer erkennt. Genau besehen gibt es zwei Formen der Klimawandelleugnung. Die eine wird (oder weitgehend wurde) von den Rechten und Konservativen betrieben. »Wetter hat es immer gegeben« und Sprüche dieser Art, die den von Menschen verursachten Klimawandel rundweg leugnen. Das wird immer schwerer und man zieht sich auf ein »na geh, so schlimm ist es nicht« zurück. Außerdem wird sich insgeheim schon auf die nahende Katastrophe vorbereitet, indem beispielsweise ein Zaun rund um Europa errichtet wird. Diejenigen, die aus Gegenden flüchten, in denen es zu heiß zum Leben geworden ist, werden einfach ausgesperrt. Zugleich bieten die entrechteten Illegalen jenes billige Arbeitsheer, das in Zeiten des Klimawandels noch weiterarbeiten muss – bei 60 Grad im Schatten. Asylpolitik und Kämpfe um »unsere Kultur« sind somit alles Aspekte des Hyperobjektes Klimawandel. 

Machen wir uns was vor in Grün?

Es gibt aber – und das ist vielleicht sogar noch schlimmer – auch eine linke und grüne Leugnung des Klimawandels. Der grüne österreichische Vizekanzler Werner Kogler betreibt sie, indem er unaufhörlich Inkrementalismus als ausreichend darstellt, obwohl er ziemlich sicher weiß, dass dies nicht stimmt. Er verkauft die Geschichte, dass der Lebensstil der Menschen in Österreich beibehalten werden könnte, indem man etwa Elektroautos fährt und Passivhäuser baut. Das stimmt aber nicht. Die Energien und Ressourcen fehlen dafür – das UK allein würde bei Umstellung seiner Benzinflotte auf Elektroautos die gesamte Weltjahresproduktion an Lithium und die halbe an Kupfer benötigen, der Bau von neuen Häusern verschlingt meist mehr Energie, als sie auf Jahrzehnte einsparen können – und es gibt schlicht nicht mehr die Zeit für diesen sanften Wandel, bei dem alles bleibt, wie es war, nur mit Elektro und Erdwärme. Die Wahrheit ist, dass Individualverkehr mit eigenem Auto nicht mehr leistbar sein wird und das Glück vom millionenfachen eigenen Haus am Land auch nicht mehr. Das sagt Kogler aber nicht und das ist Leugnung des Hyperobjektes Klimawandel.

Koglers grünes Pendant in Deutschland, Robert Habeck, agiert ähnlich. Er erzählt beglückt von den neuen Verträgen mit Norwegen (die sind im wahrsten Sinne des Wortes weniger schmutzig als die Deals mit Saudi-Arabien und Katar) und der Lieferung von Wasserstoff durch Pipelines, die in Windeseile von Skandinavien nach Deutschland errichtet werden. Dann ist die deutsche Industrie grün. Hmmm, mal abgesehen davon, dass bei der Produktion von »grauem Wasserstoff« aus Erdgas sehr wohl CO2 freigesetzt wird, beim »grünen Wasserstoff« landen hingegen 72 % der Energie in den Umwandlungs- und Kompressionsprozess. Bei einem Energieträger mit maximal 28 % Wirkungsgrad hätte sich die Welt vermutlich niemals industrialisiert. Kohle war einfach ein anderes Format für das England des 18. Jahrhunderts. Die Leugnung des notwendigen Wandels durch den Klimawandel wird dann gerne mit dem Joker »Innovation« abgesichert. Die angeführten Bedenken würden bald nicht mehr zutreffen, weil neue Technologien effizienter und besser sind. Sicherlich, überall gibt es erstaunliche Entwicklungen, hitzeresistentes Saatgut beispielsweise, aber die Innovationen gab es in den letzten Jahrzehnten ja auch. Die haben den Walfisch Klimawandel nur noch immer größer werden lassen. Eine Umkehr bedeutete keine der bisherigen Innovationen. Es wurde immer alles immer mehr. Das unselige Angedenken an die Hoffnung an eine »Wunderwaffe« kommt in den Sinn. Aber es gibt keine Silver Bullet, die den Klimawandel erledigt, weil der eben mit allem zusammenhängt und wir in ihm drinsitzen.

Letzte Generation

Der Name ist gut gewählt. Was viele Generationen lang gut lief, wird irgendwann zu einem Ende kommen müssen, denn irgendwann ist auf einem endlichen Planten unendliches Wachstum unmöglich. Es schaut so aus, als sei das ziemlich bald der Fall. Sich davon abzulenken, wird immer schwer. Denn was soll man noch tun? Eine Bootsfahrt auf dem Neusiedler See vielleicht? Oder Skifahren gehen? Wenn immer das Einzige, was sich wandelt, das Klima ist, dann wird es bald einfach zu heiß geworden sein und das wissen auch alle. Die Letzte Generation kann deshalb weniger versuchen, Bewusstsein zu schaffen, als Wege aufzuzeigen, wie der vermeintlich unvermeidliche Ablauf gestört wird. 

Einfach wird das nicht. Denn die Kräfte der Leugnung bis zum Letzten sind groß. Deswegen macht es Mut, wenn immer mehr nicht aufgeben und sagen, wir stoppen, was sich stoppen lässt. Wir wollen gemeinsam das Hyperobjekt Klimawandel für uns alle fühlbar machen. Auswege finden und schauen, was sich jetzt noch tun lässt. Denn wenn alles mit allem zusammenhängt, dann kann durchaus ja auch eine sozialere, gerechtere und freiere Welt entstehen, nachdem die Unausweichlichkeit eines Lebenswandels durch den Klimawandel erkannt und akzeptiert wurde.

Im skug Talk stellen sich diesen Fragen und anderen, insbesondere zu ihrem konkreten Aktivismus und dessen Zielen, zwei Aktivist*innen der Letzen Generation, der ausgebildete Landwirt und Agrarwissenschaftler Florian Wagner und die Webentwicklerin Jelena Saf, die einen friedlichen, zivilen Widerstand gegen den zerstörerischen Kurs der Regierung leisten, wenn sie frühmorgens im nicht mehr zu ignorierenden Klimaprotest auf der Straße sind. Wir starten am 12. Jänner 2023 um 20:00 Uhr im Wiener rhiz mit unserer Diskussion. Fragen, Anregungen, Mitsprache hochwillkommen. 

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