Photo by Nijwam Swargiary on Unsplash
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BAM!-Panel beim Salon skug auf Rädern

Hey, junger, aufgeweckter Mensch! Magst Du vielleicht gerne Journalist*in werden? Am Ende im chronisch spannenden Feld des Kulturjournalismus? Super!!! Dann lies diesen Artikel vielleicht lieber nicht … Einige Anmerkungen zu unserem Panel zum unabhängigen Journalismus beim nächsten Salon skug.

Nein, nein, war nur Spaß. Journalist*in zu sein ist großartig. Es ist ein schöner und erfüllender Beruf. Die Arbeit ist nicht entfremdet und es liegt etwas »Natürliches« in dieser Berufswahl. Virginia Woolf erkannte bereits, dass in den Menschen, die gerne und viel lesen, irgendwann, folgerichtig und fast unausweichlich, der Wunsch aufkeimt, selbst zu schreiben. Ein wenig so, als wären alle Menschen, die jemals geschrieben haben, in einem einzigen großen Gespräch vereint. Ein kosmischer Dialog aller denkenden und fühlenden Seelen, zu dem wir auch diesen Beitrag hinzuzufügen wagen und dabei hoffen, anderen Menschen zu helfen, neue Weltsichten zu gewinnen und dergleichen. Nun, das war das frühe 20. Jahrhundert. Heute haben wir Twitter und es klingt eher so, als wollten die Menschen einander ihre Gedanken, auf 280 Unicode-Zeichen reduziert, wechselseitig in die Fresse hauen. Keine Frage, die Algorithmen hetzen uns gegeneinander auf. Diese Beobachtung ist nicht ganz falsch. Die maschinengestützte Kommunikation sucht nach Orten hoher »Energie« und die gibt es leichter durch Kontroverse und Streit als durch Liebe und Achtung, wie der Pionier der neuen Medien Jaron Lanier klar diagnostizierte.

Schreiben im Zeitalter der sozialen Medien
Dem nicht genug. Jede geistige Äußerung wird erbarmungslos quantifiziert. Likes, Shares und Zugriffe liefern sogleich den Erfolgsmaßstab. Ist schon ein bisschen ein seltsames Gefühl. Gut an sozialen Medien hingegen ist, dass sie uns von dem alten Gatekeeper-Regime befreien. Heute kaum denkbar, aber die Anzahl der Menschen, die sich mit gedruckten Worten verbreiten konnten, war ehedem auf einen kleinen, erlauchten Kreis reduziert. Die einen schrieben von der Schreibkanzel, der Rest hatte zu lesen. Der Zeit ist keine Träne nachzuweinen. Es ist eine Bereicherung, dass heute die Postings unter manchen Artikeln mehr Wissen und Kompetenz enthalten als die Artikel selbst. Und da wären wir gleich beim nächsten Problem. Für die Posting-Arbeit gibt es kein Geld. Das ist unausweichlich ein Hobby. Facebook, Instagram, YouTube und Co. sind enorme Medien, die in vielem wie Zeitungen, Radiosender oder Fernsehanstalten funktionieren. Sie produzieren in der Sekunde mehr Content, als je ein Mensch lesen, hören oder sehen können wird. Die Internetgiganten verdienen damit tüchtig Geld, sie zahlen aber (nahezu) nichts an ihre Beiträger*innen. Der Reichtum dieser Konzerne besteht aus dem Entgegennehmen unbezahlter Schreib-, Recherche-, Film- und Redaktionsarbeit. Wir haben uns als Öffentlichkeit daran gewöhnen lassen, dies hinzunehmen. Als »Profi«-Schreiber*in, -Redakteur*in usw. kann man unmöglich in Anspruch nehmen, dies stets besser zu machen als die Hobbyisten. Das ist unmöglich, denn da sind unglaublich gute Artikel und sonstige Beiträge in den sozialen Medien zu finden. Daraus erwächst dann klammheimlich die Frage: Warum diese journalistischen »Profis« (was immer dies auch sei) überhaupt bezahlen?

Von Murdoch über Zuckerberg bis hin zu Brin fragen sich das einige sehr reiche Menschen auch. Die alten Medienmogule versuchen, ihre Autor*innen und Redakteur*innen deshalb schnell los zu werden, die neuen Medienmogule kämen nie auf die Idee, welche einzustellen. Die Zukunft, die längst begonnen hat, lautet: Milliarden Menschen sitzen vor ihren Bildschirmen und -schirmchen, produzieren Content und denken nicht im Traum dran, dafür bezahlt zu werden. Ist ja nicht für ’ne Zeitung (diese Papierdinger von früher, you know …). Covid-19 ist ein ungeheuerlicher Brandbeschleuniger für diesen Wandel, denn jetzt haben alle geübt, noch mehr am PC zu arbeiten und über Videokonferenzen zu kommunizieren. Das Leben wurde noch digitaler, im Guten wie im Schlechten.

Wie wurde Journalismus bisher bezahlt?
Auftritt der Journalist*innen. Ja, unsere Arbeit hat Bedeutung, sie ist für eine demokratische und freie Gesellschaft überlebenswichtig etc. Stimmt schon. Nur, die Geschichte des Zeitungsjournalismus, der das 19. Jahrhundert geprägt hat und danach dauerhaft großen Einfluss genoss, wird genaugenommen verkehrt herum erzählt. In diesen Tagen feiert der arrivierte und bewunderte britische »Guardian« seinen 200. Geburtstag. Eine der ältesten noch erscheinenden Zeitungen der Welt. Die älteste ist übrigen die »Wiener Zeitung«, die jetzt in einem Akt sinnloser Dummheit von der türkis-grünen Regierung erledigt wird. Die ehrwürdige, über drei Jahrhunderte alte »Wiener Zeitung« finanzierte sich nämlich quer durch öffentliche Kundmachungen (z. B. Jahresabschlüsse der Unternehmen). Die müssen jetzt bald nicht mehr bezahlt und in der »Wiener Zeitung« veröffentlicht werden, weil man den Unternehmen in Österreich gerne ein Körberlgeld gibt und die Zeitung damit vermutlich zugleich versenkt.

Zurück zum »Guardian«. Als dieser erstmals gedruckt wurde, bestand sein Cover aus unzähligen, kleinen Anzeigen. Noch für mehr als ein Jahrhundert erschien die Zeitung mit einer rein aus Annoncen bestehen Frontseite. Das war der Deal und die unternehmerische Idee der Herausgeber*innen: Vom Hufschmied bis zur Hutmacherin konnte auf der Frontseite des »Guardian« geworben und damit eine Schnittstelle zur Öffentlichkeit genutzt werden. Andere dieser Art gab es keine. Wer heute eine gedruckte Zeitung durchblättert, findet fast keine Werbungen mehr. Das Schmierenblatt »Österreich« hatte eine Zeit lang noch Werbungen von Entrümplern und Headshops (was immer das über das Land aussagt), bis es dann auch auf die viel effizienteren sozialen Medien umschwenkte. Heute ist das Zeitungmachen keine Schnittstelle mehr zwischen Öffentlichkeit und Werbenden und damit ist das Geschäftsmodell erledigt. Besserung ist keine in Sicht. Die Boulevardblätter in Österreich werden noch durchgefüttert mit etwas, das man »Anzeigenkorruption« nennen kann, eine österreichische Spezialität, die hier etwas vom Thema wegführt. Einfach bei Sebastian Kurz oder Werner Faymann einmal nachfragen, wie das funktioniert.

Soll man sich das dann noch antun?
Am Medium skug lassen sich die aktuellen Probleme beispielhaft aufzeigen. Wenn skug sich »professionalisieren« würde, dann ginge dies nur über hochproblematische Werbekooperationen (Advertorials verkaufen etc.), die nichts mehr mit der von skug vertretenen Unabhängigkeit einer linken und glaubwürdigen Gegenwartsanalyse zu tun haben. Ohne Einnahmen bleibt skug hingegen nur der Weg, ehrenamtliche Arbeit von Autor*innen entgegenzunehmen und denen einzig ein wenig symbolisches Kapital durch (gewisse) Verbreitung zu bieten. Einen »Lebensberuf« können insbesondere unsere jungen Autor*innen so kaum erlernen, wir ebnen ihnen bei skug eher den Weg in ein arbeitsreiches, aber durchaus auch erfüllendes Hobby.

Wer dann viel und zuweilen hart arbeitet, kaut bald im Kopf an diesem Gedanken der Effizienz herum. Wo stecke ich eigentlich meine Lebens- und Arbeitskraft hinein? In so ein Nischenprodukt, bei dem alle Leser*innen mit Handschlag begrüßt werden können, das aber – so redet man sich ein – kompromissloses Arbeiten erlaubt und den Raum schenkt, um ungewöhnliche Ideen und Konzeptionen auszutesten? Oder doch besser auf den Rücken eines der letzten Elefanten klettern und von Reichweite, Resonanz und Renommee profitieren? Dafür aber im Gegenzug mögliche Hierarchien erdulden und sich an vorgefasste Formen anpassen müssen? Um dann eines Tages wegrationalisiert zu werden, weil das ehemals große Medienhaus auch schließen muss …

Auch bei den großen Medienunternehmen wird die bezahlte Arbeit zunehmend knapper. Paradoxerweise zahlen in Österreich beinahe nur mehr gewisse Boulevardmedien (Gründe, siehe oben) angemessene Löhne. Georg Seeßlen diagnostizierte sinngemäß für heutige Journalist*innen, dass, wenn es früher der Traum war, wichtige Dinge zu schreiben und in die Gesellschaft zu wirken, es längst meist nur mehr darum gehe, nicht komplett finanziell abgehängt zu werden.

Und dennoch …
Es darf angenommen werden, dass es allen Journalist*innen darum geht, eine differenzierte, plurale, aufregende Berichterstattung abzuliefern, die der interessierten Bevölkerung erlaubt, sich ein kritisches Bild davon zu machen, was um sie herum in Politik, Kunst und Gesellschaft passiert. Knappere finanzielle Ressourcen sollten die immer wenigeren Journalist*innen nicht in einen Wettbewerb um die letzten Schreibjobs zwingen. Deshalb wollen wir gemeinsam mit Journalist*innen aus verschiedenen alternativen und etablierten Medien darüber diskutieren, wie wir vielleicht gemeinsam in dieser Situation agieren könnten und welche Strategien es gibt, damit Österreich auch in Zukunft noch einen unabhängigen Journalismus haben wird.

Lasst uns also reden, die lieben Kolleg*innen von skug, Radio Orange 94.0, der »Wiener Zeitung«, vom »Standard«, der »Volksstimme« und vom »Augustin« werfen beim Salon skug auf Rädern am 22. Mai 2021 ab 18:00 Uhr am Wiener Yppenplatz einen gemeinsamen, solidarischen, erheiternden und vielleicht auch etwas gruseligen Blick auf die Lage des unabhängigen Journalismus in Österreich. Unbedingt vorbeischauen und – natürlich – Abstand halten.

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