Der charmante Schönling mit dem exzentrischen Mundwinkel Caetano Veloso (*1942) wird von seinen Söhnen Moreno, Zeca und Tom begleitet. Mit Bass, Gitarren, Perkussion und einem Keyboard verzieren sie ihre unverwechselbaren, grandiosen Stimmen, mit denen sie Songs ihres jeweils eigenen Oeuvres und welche aus dem des Herrn Vater zum Besten geben. Und das mit einer Grandezza, wie man sie selten zu Gesicht bekommt.
Der Abend beginnt mit »Baby«, einem Song, den Veloso bereits 1968 gemeinsam mit Gal Costa veröffentlichte, und der vielen völlig begeisterten Gästen Tränen in die Augen schießen lässt. Nicht überraschend, ist doch diese Art reizender Popmusik nahezu dafür konzipiert, Gefühle dieser Art zu evozieren. Eine Konzertbesucherin meint völlig außer sich: »Kennst du das, wenn du schon am Anfang Angst hast, dass das erste Lied das letzte ist?« Zum Glück geht der Abend noch länger und Höhepunkte gibt es einige. Etwa als Sohnemann Zeca den Song »Todo Homem« anstimmt. Es ist nicht in Worte zu fassen, wie schön er mit seiner fantastischen, äußerst hohen Gesangsstimme in knapp vier Minuten eines der schönsten Lieder der Musikgeschichte darbietet.
Das Bühnenbild – eine gelbe Leinwand, ein roter Kreis sowie ein Band quer über die Bühne gespannt (wie das Cover-Bild des Live-Albums der vier) – ist einfach gehalten, simpel, aber schön, wie ein Sonnenuntergang in Rio. Stimmig wird es mit farbigem Licht bestrahlt, wirkt wie eine große Version von Caetano Veloso und dessen ausgebreiteter Arme, mit denen er dem Publikum zugewandt seinen Dank ausspricht, als würde er alle umarmen wollen.
Auffällig: Relativ wenige Handys sind zu sehen und auch der preußische Einfluss scheint der Vielzahl an brasilianisch-stämmigen Gästen zu fehlen. Statt stumpf auf eins und drei zu klatschen, hat das äußerst lebhafte Publikum Spaß und verlässt die Sitzplätze. Maestro Veloso selbst sitzt zumeist und bewegt seinen Oberkörper leicht, was für die meisten bereits genug ist, der Applaus ist riesig. Sein Sohn Tom dagegen ist mit einer überaus sexy, wunderschönen Tanzeinlage zu bewundern – während des Songs »Alexandrino«. Am Ende haben während des Abends alle einmal getanzt.
Caetano Veloso ist vor allem in Brasilien eine Riesennummer. Als einer, vielleicht der wichtigste Vertreter der Música Popular Brasileira, der in den 1960er-Jahren wegen des Widerstands gegen die Militärdiktatur ins Gefängnis musste und danach lange Jahre ins Exil gezwungen wurde, ist eine wichtige Stimme der brasilianischen Öffentlichkeit und in Zeiten des Bolsonaro-Regimes ist nicht wenig zu spüren, welches Gewicht seine Stimme noch immer hat. Widerstand, Sozialkritik sind hier so poetisch, wie es nur geht.
Ob sie selbst keine Lust haben, aufzuhören, oder sich schlicht vom endlos begeisterten Publikum dazu genötigt fühlen, zirka hundert Zugaben zu geben, steht in den Sternen. Man bekommt noch einige alte Veloso-Nummern zu hören, wie beispielsweise »A Luz De Tieta«. Nachdem das Konzert auf Druck der Bühnenarbeiter*innen zeitgerecht beendet werden muss, feiert die trotz schwüler Sommerhitze quicklebendige Menge den Song einfach weiter. Der Refrain »Eta Eta/Eta, Eta, Eta/É a lua, é o sol/é a luz de Tieta Eta, Eta« ist noch lange im Umkreis von Kilometern zu hören.