Hach, das waren noch Zeiten. Nicht jene, in denen Menschen in hautengen Stramplern Aerobic gemacht haben (die waren auch super, noch mal großen Dank an Jane Fonda), sondern jene, in denen Menschen sich abends in Venues versammelten, um Live-Musik zu hören, was zu trinken und sich zu unterhalten. Lang vorbei und fast vergessen, so auch unser grundsätzlich unvergesslicher Salon skug mit Manu Louis und Pü unmittelbar vor dem ersten Lockdown. Heute ist eine andere Zeit und seit einigen Wochen steckt Österreich und der Rest Europas in jenem Lockdown, der nie hätte kommen sollen, weil ja unsere Volksvertreter*innen umsichtig und vorrauschauend agieren. (Gratulation an alle Leser*innen, die an dieser Stelle noch lachen können.) So kam es, wie es kommen musste und vor knapp zwei Wochen traten in Austria Kanzler und Innenminister vor die Medienöffentlichkeit und verkündeten die neuen Einschlusskonditionen. Kurzversion: Geht zur Arbeit, aber keine Vergnügungen mehr und ab acht Uhr Stubenarrest. Tja, muss wohl so sein und wir haben das Thema jetzt schon ein bisschen über, weil wirklich erschöpfend erörtert. Dann war bei dieser Pressekonferenz aber noch wer. Ein gewisser Herr Kogler, seines Zeichens grüner Parteichef und (das kann man kaum tippen ohne ein Schmunzeln) »Vizekanzler« der Republik Österreich. Seine Auftritte gleichen einem Hundertjährigen, der auf einer Parkbank sitzend ungefragt und völlig unvermittelt zu reden beginnt. Satzanfang und Satzende stehen bei ihm seit Langem in keinem zu dekodierenden Zusammenhang mehr. Kogler meinte (weil er ja auch was sagen soll): Bewegung sei wichtig, auch er bewege sich gern. Als Sportminister empfehle er Sport und der sei – unter gewissen Einschränkungen – noch erlaubt. Betretenes Schweigen im Raum und kurzer Dank für diesen »wichtigen« Hinweis.
Zugleich in einem anderen, weit entfernten Winkel Europas, sitzt Manu Louis in seiner eigenen Pandemie-Isolationszelle und hört die Durchsage des österreichischen Vizekanzlers im morphogenetischen Feld mit. »Bewegung ist wichtig.« Sogleich geht ihm ein Stadionlicht auf und er setzt diesen Impuls in eines seiner unnachahmlichen Bild-Ton-Gesamtkunstwerke um: Wir sehen gazellengleiche Aerobic-Artist*innen die Gesetze der Schwerkraft aushebeln und Manu Louis auf dem Kinderspielplatz (sind die in Berlin noch offen?) bemüht mit der Hüfte wackeln. Louis hat wieder einen Beat gebastelt, der in verschiedener Weise umwerfend ist, weil die Klangkonstellationen einerseits mitreißend und andererseits ganz eigentümlich intellektuell sind. Deswegen wird er ja auch nicht umsonst der »Iannis Xenakis des Dancefloor« genannt, obwohl ihn in diesem Paralleluniversum noch niemand so genannt hat, aber das sind kosmische Details. In dem Song »Scan It« geht es, wie in den meisten Werken Manu Louis’, um die Bewältigung des Alltags. Computergehirne wollen gespeist werden, deswegen muss man einen Scan machen. Weil warum noch reparieren, wenn man ja scannen kann? Versteht das wer? Nein, das ist alles unendlich tiefes, geheimnisvolles Zeug. Aber wenigstens führt es zu solchen Preziosen an Musikvideokunst. Letztlich kann die Frage, ob Manu Louis seine Hose besser von oberhalb oder unterhalb des Trottoirs flicken sollte, nur von späteren Exeget*innen beantwortet werden, die bereits erahnen, wie die Geschichte enden wird. Großartige Nummer, wie so oft bei Manu Louis, und wir freuen uns bei skug überschwänglich, das Video als erste herzeigen zu dürfen.